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Sechs Monate wollte ich Gabor Steingarts „Morning Briefing“ hinterherrecherchieren. Ich habe nur vier Monate durchgehalten. Mehr zum Hintergrund finden Sie hier. 

Für die Fundstücke gilt: 

    • Ich versuche nüchtern zu bleiben.
    • Auch mir können Fehler unterlaufen – dann bitte ich um Hinweis in den Kommentaren. Ich werde so schnell als möglich Korrekturen einführen. 
    • Ich habe weitestgehend das ausgelassen, was reine Meinungsäußerung darstellt.
    • Allerdings weise ich auf Bemerkungen hin, bei denen die Sprachwahl und die Tonalität in eine problematische Richtung gehen.

3. März

Steingart nennt die Berichterstattung über Klimawandel und Corona „ins Grobe und Grelle entrückt“.
Dies vermittelt den Eindruck, dass weder das eine noch das andere ein so großes Problem ist, wie es dargestellt wird.
Weiter schreibt er:
Nun sind Betrachtungen von Lohnstückkosten kein Thema, bei dem ich kundig etwas zu sagen hätte. Mein geschätzter Ex-Kollege und Volkswirtschafts-Experte Norbert Häring findet in seinen Blog aber deutliche Worte zu Steingarts Aussage.:
„Die These, dass Deutschland nicht mehr ausreichend wettbewerbsfähig ist, scheint – höflich ausgedrückt – gewagt, unhöflich ausgedrückt, absurd.“

4. März

Steingart erweckt den Eindruck, Blitzeinschläge und Stürze vom Pferd seien schlimmer als der Corona-Virus.
Welche Quellen er verwendet hat, bleibt offen. Doch beziffert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen die Zahl der Toten durch Alkoholkonsum 2019 auf 74.000.
Auch die Quelle für die Blitztoten in Deutschland wäre interessant. Diese Studie beziffert die Zahl der Toten in den vergangenen Jahren und in ganz Westeuropa auf nur 81. 
Noch im Februar hat Steingart sich dafür eingesetzt, dass Journalisten keine Prophezeiungen machen sollten. Wer diesen Absatz liest, wünscht sich, er hätte sich daran gehalten:
Es fällt mir schwer zu glauben, dass Menschen, die ihre Job oder ihr Unternehmen verloren haben, oder noch schlimmer, deren Großeltern oder Eltern an Covid verstarben, die durch jene Lungenerkrankung bleibende Schäden davontragen oder die andere Sterbende wegen des Besuchsverbots in Krankenhäusern und Altenheimen nicht auf dem letzten Weg begleiten konnten, darüber in einem Jahr schmunzeln werden. Aber ich bin ja nicht Gabor Steingart.

5. März

Die Darstellung, dass Trump mit Cambridge Analytica gearbeitet hat, ist eine Simplifizierung, die Rolle des Unternehmens ist nicht ganz klar. Mehrere Mitarbeiter Trumps haben diese Vereinfachung zurückgewiesen. Der Stanford-Dozent und Sicherheitsexperte Alex Stamos beschrieb die Affäre jüngst im Podcast Pivot als einen ungerechtfertigten Medien-Hype. 
Anlass für das Thema ist die Software Hawkfish, die den Demokraten im Wahlkampf helfen soll. Sie stammt aus dem Hause Bloomberg.
Ob dieser Satz ein Motto von Bloomberg ist, ist nicht klar. Das Zitat wird ihm gern fälschlicherweise zugeschrieben, tatsächlich stammt es vom Statistiker William Deming.
Staatsminister sind nicht Teil der Regierung und sitzen auch nicht auf der Regierungsbank.

10. März

Steingart zitiert aus seinem Podcast-Interview mit Prof. Jochen Werner, dem Vorstandsvorsitzenden des Uniklinikums Essen.
Das sagt Werner nicht. Er kritisiert den Übertragungsweg Fax.
Auch weiterhin hält Steingart den Corona-Virus für eine „milde Grippe“:

11. März

Steingart behauptet, Dutzende von leeren Flugzeugen kreisten über Europa, damit die Fluggesellschaften ihre Slots an den Flughäfen behalten.
Diese Meldung ist nicht korrekt. Einerseits waren Airports bei Krisen und Sondersituationen schon immer kulant bei der Slot-Vergabe. Vor allem aber: einen Tag vorher hatte die EU dies verkündet:

12. März

Diese positive Wahrnehmung von Trumps Rede wurde von anderen Medien nicht geteilt. Mehr noch: Nach Informationen der „Washington Post“ realisierte Trump selbst, dass sie ein Fehlschlag war:

„In the most scripted of presidential settings, a prime-time televised address to the nation, President Trump decided to ad-lib — and his errors triggered a market meltdown, panicked travelers overseas and crystallized for his critics just how dangerously he has fumbled his management of the coronavirus.
Even Trump — a man practically allergic to admitting mistakes — knew he’d screwed up by declaring Wednesday night that his ban on travel from Europe would include cargo and trade, and acknowledged as much to aides in the Oval Office as soon as he’d finished speaking, according to one senior administration official and a second person, both with knowledge of the episode.“
Trumps Haussender Fox News sah dies so:
„Conservative commentator Ben Shapiro did not hold back in his criticisms of President Trump’s national address on coronavirus Wednesday night, which he said was „marred by a bunch of screw-ups“ that hampered the administration’s efforts to contain the outbreak.
„Whoever greenlit this bleep show should be fired,“ Shapiro said on „The Ben Shapiro Show“ Wednesday.
“ I mean, seriously, it’s not entirely Trump’s fault because he has speechwriters who do this thing for him,“ Shapiro continued, but „it did not steady the markets, it did not make people feel more secure.““

13. März

Steingart teilt immer wieder gegen andere Medien aus. Doch er bedient sich bei ihnen auch gern – ohne seine Quellen zu nennen, oder zu verlinken. Heute zum Beispiel aus einem Artikel der „Neuen Osnabrücker“:

17. März

Tatsächlich war Macrons Rede sehr ruhig und keineswegs fiebrig. 

Steingart spricht Macron ab, dass dieser aus Besorgnis um die Gesundheit der Bürger handelt und reduziert den Präsidenten auf Machthunger. Solch eine Darstellung von Politikern ist eines der Instrumente antidemokratischer Kräfte.

Für die Beschränkungen in Deutschland wählt Steingart spöttisch-wütende Worte.

Die Äußerung, alle Freizeitaktivitäten seien untersagt, ist falsch. Die meisten, von Joggen über Radfahren bis zu Malen, Wandern oder Newsletter schreiben, waren weiterhin erlaubt.

Abgesehen von Steingarts schrägem Blick auf das Publikum von Kneipenvierteln ist sicher, dass die KfW Kredite an die Gastronomie vergibt. Denn Gastronomen sind Unternehmer.

Weiterhin interpretiert er die Vorbereitung auf schlimmere Umstände als Verlust der Kontrolle.

Analog würde der Einbau von Schutzmasken in Flugzeugen also den Kontrollverlust über den Airbus bedeuten.

18. März

Auch am nächsten Tag: Maßnahmen gegen eine Verbreitung des Virus haben für Steingart nie medizinische oder humane, sondern immer machtpolitische Gründe.

19. März

Angela Merkel hat eine Ansprache gehalten. Und Gabor Steingart weiß genau, was sie nicht gesagt hat. Diese „Ich weiß, was verschwiegen wurde“-Behauptung ist in verschwörungstheoretischen Kreisen ein oft gewähltes Instrument.

Außerdem behauptet Steingart, Merkel sei „zürnend“ aufgetreten.

Diese Interpretation stand recht singulär in der Medienlandschaft. So nannte die „Stuttgarter Zeitung“ Merkels Rede „aufrüttelnd“.
Anscheinend aber nicht aufrüttelnd genug. Steingart imaginiert, dass die Deutschen ihr Home Office in Cafés und Biergärten verlegt hätten:

23. März

Vor vier Tagen war Alexander Kekulé für Steingart noch der „kompetenteste Kritiker der Kanzlerin“:
Heute wird er zur Witzfigur degradiert:
Und obwohl die drei meistzitierten Virologen durch die Bank betonen, die Politik müsse die Entscheidungen treffen und sie selbst hätten keinerlei Konflikt, tut Steingart so, als ob dies anders sei und behauptet die „Autokratie der Virologen“ herbei.
Eine Argumentation und ein Tonfall, der zu dieser Zeit bereits bei Verschwörungstheoretikern und in rechtsradikalen Kreisen en vogue ist:
Eine Autokratie der Infektiologen scheint dagegen nicht so schlimm. Prof. Susanne Herold darf sagen, was Steingart Drosten, Kekulé und Streeck um die Ohren haut:

27. März 

Vor 17 Tagen war Corona für Steingart noch eine leichte Grippe. Nun grüßt der Sensenmann am Morgen.

Kekulés Äußerung entreißt Steingart dem Kontext. Tatsächlich hatte der Virologe 11 Tage zuvor bei „Anne Will“ auch gesagt, dass ein Shutdown – den Steingart zwischen den Zeilen hart kritisiert – die Infektionszahl in wenigen Wochen runterbringen könne.

30. März

3 Tage später steht der Schnitter nicht mehr vor der Tür. Steingart relativiert die Zahl der Toten zum wiederholten Mal.


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