Vorgestern könnte es sein, dass es im empfehlenswerten „An Banh MI“ auf der Ackerstraße in Düsseldorf ein wenig lauter wurde. Mein Mit-Geschäftsführer Frank Horn, unsere Kollegin Lee Greene und ich gerieten in eine Diskussion über die Stimmung im und den Zustand des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Ergebnis: Die grundsätzlichen Wirtschaftsdaten sind nicht so schlimm wie die Stimmung. Aber sehr viele in der Wirtschaft verspüren eine Unsicherheit ob der näheren und fast eine Verzweiflung ob der langfristigen Aussichten.
Hinterher fragt ich mich: Wenn ich Chefredakteur eines nationalen Mediums wäre – was würde ich tun, um dieser Stimmung zu begegnen?
Das Ergebnis des Nachdenkens ist das Folgende. Und bevor jemand behauptet, ich wolle das jetzt hier anstoßen: Das ist eine Hirnsportübung, die nur in einem Punkt ernstzunehmen sein soll – wäre ich Chefredakteur eines solchen Mediums, würde ich genau das auf der Seite 1 veröffentlichen und planen.
Offener Brief an Deutschlands Milliardäre
Sehr geehrte Besitzerinnen und Besitzer von hohen Vermögen in Deutschland,
jedes Land hat verschiedene Formen von Eliten: Weltklassesportler, Oscar-Preisträger, Politiker Wissenschaftler – und jene, die mit harter Arbeit und geschickten Entscheidungen, teils über Generationen hinweg, außergewöhnliche Vermögen erschaffen haben.
Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn die Eliten eines Landes sich bewusst sind, dass sie eine besondere Verantwortung tragen. Fußballstars sind Vorbilder für die Jugend, die Bedeutung von Wissenschaftlern haben wir während der Pandemie erlebt und Politiker treffen Entscheidungen, die das Leben von Menschen langfristig verändern.
Immer, wenn die Eliten sich dieser Verantwortung nicht bewusst waren, entstanden Krisen, Chaos, Leid und Krieg, egal ob bei der französischen Revolution oder in Deutschland vor und während des Nationalsozialismus.
Eine besondere Bedeutung bekommt die Übernahme von Verantwortung in der Krise. Dann wäre es für Eliten ein Leichtes, sich der Krise zu entziehen, ihren erreichten Wohlstand zu sichern und abzuwarten, bis die Zeiten wieder besser sind. Dieses Verhalten sichert zwar das materielle Erbe – doch es zerstört das geistige. Denn am Ende der Zeit erinnern wir uns nicht an jene, die sich zurückgezogen haben, die schwiegen, die mit den Achseln zuckten – wir feiern jene, die sich der Krise entgegengestellten, die Mut und Führungskraft bewiesen haben.
Deutschland befindet sich in einer Krise. Die Grunddaten sind gar nicht so schlecht, doch trifft man kaum jemand in Wirtschaft oder Politik ohne dystopische Anwandlungen. Das ist verständlich: Nach Meinung des Instituts der Deutschen Wirtschaft braucht das Land in den kommenden 10 Jahren 600 Milliarden Euro an Investitionen – 25 Prozent mehr als der Bundeshaushalt 2024. Gleichzeitig erleben wir eine selten erlebte Innovationsgeschwindigkeit, einen „Tech Supercycle“, wie es die Futuristin Amy Webb nennt, der getrieben wird von Künstlicher Intelligenz, vernetzten Geräten und der Biotechnologie.
Alles scheint düster, überwältigend, unbeherrschbar.
In dieser Zeit braucht es Sie, die Wirtschaftelite. Wäre es nicht an der Zeit, Deutschland zu unterstützen?
Sicher, viele von Ihnen haben Stiftungen und andere Konstrukte, die sich um soziale Belange kümmern. Andere investieren mit Family Offices in Startups oder Mittelständler.
Doch glauben wir, dass es etwas anderes bräuchte. Eine gemeinsame Anstrengung mit Signalwirkung, etwas, das nicht in zwei Jahren wieder verpufft ist, ein Vorgehen von herkulischen Ausmaßen, weil unsere Infrastruktur zu Trümmern gespart wurde und die Offenheit gegenüber Technologie in anderen Ländern der Welt größer ist.
Weshalb jene, die sich ans Werk machen, mehr ernten werden, als jene 15 Minuten Aufmerksamkeit, die uns Andy Warhol einst versprach. Nein, wer sich zum Teil dieser Anstrengung macht, wird in die Geschichte eingehen als jemand, der seiner Heimat in schweren Zeiten nicht die Hand hielt, sondern ihr wieder auf die Beine half.
Wir glauben, es bräuchte einen Deutschland-Fonds, gespeist aus einen signifikanten Teil des Vermögens der Wirtschaftseliten, der strategisch gesteuert wird von den klügsten Experten des Landes. Dieser Fonds investiert in jene Technologien und Unternehmen, die entscheidend sind für die Zukunft unserer Welt und unseres Landes. Und er tut dies nicht, um Renditen für seine Geldgeber zu erwirtschaften, sondern um seine Funktion über Jahrzehnte zu erfüllen. Es ist kein Staatsfonds, sondern ein Fonds der Gesellschaft.
Dabei reden wir nicht ein paar Hunderttausend Euro – das Ziel müssen etliche Milliarden sein.
2010 begannen Warren Buffett und Bill Gates damit, Milliardäre zu überreden, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Warum sollte das in Deutschland nicht möglich sein?
Es ist keine Frage des Könnens, sondern des Willens. Ihres Willens. Jede und jeder von Ihnen könnte es sich leisten, 10 Prozent seines Reichtums für den Deutschland-Fonds geben. Und vielleicht gar in seinem oder ihrem Testament festhalten, dass die Hälfte Ihres Erbes ebenfalls diesem Zweck zufließt.
Würden Sie dies tun, wären Sie – Helden.
Nicht für einen Tag, sondern auf immer. Ein Raum im Haus der Deutschen Geschichte in Bonn wäre dem Deutschland-Fonds und seinen Geldgebern sicher.
Natürlich gibt es viele Fragen: Soll der Fonds gemeinnützig sein? Ist er überhaupt ein Fonds? Haben die Geldgeber Einfluss? Kann sich vielleicht jedermann beteiligen, auch wenn er nur 50€ geben möchte? Sollte der Fonds auch Geld ausgeben, um wichtige Technologien in der Bevölkerung bekanntzumachen und so Aufbruchstimmung auszulösen?
Auf diese Fragen haben auch wir keine Antwort – aber wir möchten welche finden. Mit Ihnen.
Weshalb wir die Milliardäre Deutschlands einladen zu einem Wochenende, an dem wir über die Möglichkeit eines Deutschland-Fonds diskutieren. Sie bringen sich selbst und maximal einen Berater mit. Wir stellen unser Verlagsgebäude zur Verfügung und laden zusätzlich renommierte Juristen, Tech-Experten und Finanzfachleute ein.
Mit höchster Vertraulichkeit (auch wir werden nur berichten, dass es ein solches Treffen gibt) werden wir versuchen, innerhalb von 48 Stunden einen Grundstein für den Deutschland-Fonds zu legen.
Gelingt dies, wäre es ein Signal an die gesamte Gesellschaft im Land: Wir alle wollen Deutschland wieder zu dem zu machen, was es mal war – ein Land der Macher und Anpacker, ein Land der gemeinsamen Anstrengung.
Das Wichtigste an unserer Zukunftsfähigkeit, schreibt die kluge Florence Gaub, Forschungsdirektorin der NATO-Akademie in Rom, in ihrem Buch „Zukunft“, sei, dass wir sie bewusst nutzen. Genau das wollen wir tun.
Sind Sie dabei?
Kommentare
Tim 15. Juli 2024 um 12:38
In Deutschland wird *seit Jahrzehnten* zu wenig investiert. Unsere Investitionsquote sollte dauerhaft 1, besser 2 Prozentpunkte höher sein. Und das werden wir nicht durch gut gemeinte Appelle schaffen, sondern nur durch Verbesserungen der Standortbedingungen. Die Forderungen sind seit Jahrzehnten dieselben: 1. weniger Bürokratie & Regulierung, 2. ein leistungsfähigeres Bildungssystem und 3. bessere Infrastruktur.
Durch den China-Boom konnten wir mindestens 20 Jahre in einer Blase wirtschaften und unsere Probleme ignorieren.
UmstrittenerNutzer 29. Juli 2024 um 11:56
Weniger Bürokratie ist Euphemismus für weniger Regelungen und Gesetze, damit Unternehmen machen können was sie wollen. Wie das aussieht, kann man in den USA erleben. Da ist Betrug derart normal, dass keiner mehr etwas dagegen tut.
Leistungsfähigeres Bildungssystem meint entweder "auf Unternehmenswünsche zugeschnitten" (wozu das geführt hat, sehen wir heute. Alles Fachidioten, die keine Ahnung von Problemlösungen mehr haben) oder erfordert Investitionen. Mit Geld.
Bessere Infraksturktur ist in dem Land der Hymne "Autos, Autos über alles" nicht gewünscht. Das sollten Sie inzwischen wissen. Internet ist weiter nur ein Ort für KinderPornoKonsumenten und man braucht hier weder Züge noch Busse. Fragen Sie doch einfach mal Herrn Wissing. Der kann das genau erklären. Oder die Minister vor ihm.
Frage an Sie:
Wie soll man investieren, wenn kein Geld da ist?
Die Chinesen zum Beispiel treiben Steuern bei den Milliarden und Großunternehmen ein. Hier werden lieber weiter Steuern gesenkt um die Einnahmen noch weiter zu mindern. (An der Stelle Gratulation den zuständigen Stellen: Den Besitzenden noch mehr geben und dafür Lob von der arbeitenden Klasse bekommen. Das Kunststück hat nicht mal die Katholische Kirche geschafft)
UmstrittenerNutzer 29. Juli 2024 um 12:04
Ich bin wirklich überrascht.
Ein Unternehmensberater, der laut eigenen Worten überzeugter Anhänger des Kapitalismus ist (Sie nennen es "freie Marktwirtschaft"), unterstützt offen – nach Aussage der Kapitalismusmedien wie Wirtschaftswoche – kommunistische und sozialistische Positionen. Ein Wirtschaftsliberaler, der von ernstgemeinter Schicksalsgemeinschaft schreibt. Deutschland muss finanziell noch schlechter dastehen, als TAZ und Co sich trauen zu berichten.
Sie übertreffen sogar Volker Pispers. Kein Scherz.
Der hat – zehn Jahre ist es her – nur gefordert, dass die besitzende Klasse zehn Jahre lang fünf Prozent abgibt. Die fünf Prozent, welche die besitzende Klasse durch Zinsen verdient hat. Zinsen, welche von der arbeitenden Klasse erwirtschaftet worden waren.
Sie fordern direkt zehn Prozent auf einmal. Sakrileg.
Um es mit dem Don zu sagen "Sie werden nie wieder einen Fuß in deutsche Medien bekommen".
Oder von allen als linksextremistische Gefahr für die Demokratie bezeichnet werden.
Eins von beiden. Ohne Ironie.
Um nochmal Pispers zu zitieren:
"Es ist eine einfache Möglichkeit. Es müsste keiner auf etwas verzichten und es wäre im Rahmen unseres demokratischen Systems möglich. Es gibt nur ein Problem: Wir haben Mehrheitsentscheidungen. Sie bekommen keine Entscheidung, von der 80% der Bevölkerung profitieren würden. Schade."
Thomas Knüwer 2. August 2024 um 12:08
@Umstrittener Nutzer: Wie süß, ein Troll. Ich bin Anhänger einer sozialen Marktwirtschaft. Und zu der gehört die Fürsorge für die Gesellschaft. Aber so ist das halt mit pseudonymen Trollen wie Ihnen: Sie verdrehen Positionen, wie es Ihnen gefällt.
So hat halt jeder seinen sexuellen Fetisch.