Die Goldenen Blogger als Hobbyprojekt zu organisieren ist eigentlich eine ganz schön bescheuerte Idee. Der Aufwand ist erheblich, Geld bringt es auch nicht wirklich ein – und der Tag selbst ist saumäßig anstrengend.
Warum also machen?
Weil es im Laufe der Verleihung eine Wandlung gibt, die uns als Orgateam glücklich macht – es ist der Wandel der Nominierten untereinander.
Um 17 Uhr laden wir sie seit dem vergangenen Jahr zu einem Empfang in die Hauptstadtrepräsentanz unseres Sponsors Telefonica ein. Man merkt vielen an, dass sie fremdeln, die meisten kennen einander nicht, viele stoßen auf die Projekte der Anderen erst bei der Durchsicht der Shortlist.
Langsam aber wird es lockerer, auch weil etliche von uns noch vor die Kameras und Mikrophone der Medienvertreter gezerrt werden. Gemeinsam geht es dann runter ins Basecamp, dass wieder so rappelvoll war, dass man automatisch einander näher kommt.
Schon während der Verleihung ist die Veränderung spürbar. Die gerade Kennengelernten werden besonders laut beklatscht oder bejubelt, man gewinnt zusammen – oder eben nicht. Langsam mischt sich die Gruppe, Zuschauer kommen hinzu, es wird laut und schwül, die Currywurst vom Buffet (erstmals auch in veganer Version) bedampft den Raum.
Fünf, sechs Stunden nach jenem ersten Kennenlernen sieht die Szenerie dann ganz anders aus. Dank unserer Sponsoren zahlen wir allen Nicht-Berlinern die Übernachtung im NH Collection an der Friedrichstraße und an dessen Hotelbar endet der Abend. An einem halben Dutzend Tischen sitzen Menschen zusammen, die sich an einem Abend kennen und schätzen gelernt haben, diskutieren über Blogs, das Leben, die Verleihung.
In diesem Zusammenhang nochmal der Dank an unsere Sponsoren:
Für uns selbst war die Verleihung ein wenig ungewohnt, denn wir hatten uns vorbereitet. Mit Moderationskarten (im Goldene-Blogger-Design) und so. Im vergangenen Jahr hatten wir gemerkt, dass jene bewusste Lockerheit auf der Bühne zu Lasten der Anerkennung für die Nominierten ging. Diesmal, hatten wir das Gefühl, funktionierte es erheblich besser.
Auch die Gründung der Goldene Blogger-Akademie, zu der wir alle ehemaligen Sieger einluden, war eine gute Entscheidung – auch wenn dadurch bei zwei Kategorien mehr als ein Sieger herauskam.
Der wackeligste Moment: Die Bundeswehr war der erste Nominierte für den Negativpreis „Blocker des Jahres“, der gekommen war. Man muss auch weiterhin nicht der Meinung der Bundeswehr sein, dass ihr Auftritt vor den Toren der re:publica richtig war – der immens laute Applaus zeigte aber, dass sie sich mit dem Kommen zu den Goldenen Bloggern Respekt zurückerarbeitet hat. Und solch ein Respekt ist Fundament für jede Form von Dialog.
Der emotionalste Moment: Den im vergangenen Jahr verstorbenen Robert Basic ehrte Don Dahlmann mit einer emotionalen Rede und wir mit einem posthumen Ehren-Goldenen-Blogger, den Roberts ältester Sohn Maurice entgegen nahm.
Der skurrilste Moment: Die Kategorie „Bester Social Media-Auftritt einer Celebrity“ war eine Akademieentscheidung – und die verteilte ihre Stimmen gleichmäßig auf alle drei Nominierten Dieter Bohlen, Jan Josef Liefers und Barbara Schöneberger. Zuvor hatte Dieter Bohlen uns signalisiert, dass er auch kurzfristig ein Video produzieren würde, wenn er gewänne. Das Ergebnis:
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„Bloggt euch das Zeug raus“ – vielleicht drucken wir das im kommenden Jahr auf die Goodie Bags, die alle Nominierten erhielten.
Am Tag danach hielt dann auch Barbara Schöneberger den Goldenen Blogger in den Instagram-Feed:
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Übrigens: Tag24, das Boulevardangebot des Dresdner Zeitungsverlags DDV (u.a. „Sächsische Zeitung“) berichtet von einem „Eklat“, der zeigt, wie tief der Journalismus in einigen Redaktionen gesunken ist. Denn Bohlen stellte jenes Video vor der Verleihung online (was wir nicht wussten). Tag24 behauptet nun, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen.
Das ist Unfug. Hier handelte es sich um eine Akademie-Entscheidung und somit stand das Ergebnis seit Tagen fest. Somit war es dann auch möglich, den Goldenen Blogger nach Tötensen zu schicken.
Genau dies haben wir dem zuständige Mitarbeiter jenes Schwesterangebotes von „Sächsischer Zeitung“ und „Morgenpost Sachsen“ auch gesagt – was ihn nicht davon abgehalten hat, etwas anderes zu schreiben. Selbst einigermaßen renommierte Verlage beschäftigen also Schreiber, die sich ihre Knallergeschichte nicht von Sachen wie Fakten oder Realität kaputtmachen lassen wollen. Manchmal ist es doch erklärlich, warum gerade in Dresden „Lügenpresse“ gebrüllt wird.
Einer meiner Lieblingsmomente war die Kürung des Twitter-Accounts des Jahres. Da duellierten sich mit Autorin Sophie Passmann und „Welt“-Redakteur Robin Alexander zwei schlagfertige Rampensäue – und neben ihnen drohte Homöopathie-Gegnerin Natalie Grams unterzugehen, während gleichzeitig das Onlinevoting lief. Doch das ergab genau das gegenteilige Ergebnis: Grams siegte mit deutlichen Vorsprung.
Oder der „Artikel des Jahres“. Seit wir im Basecamp gastieren, verlesen wir eine Zusammenfassung jedes nominierten Artikels. Dies funktionierte bei zwei der Nominierten auch problemlos. „Raus aus meinem Uterus“ von Juramama, eine unterhaltsame und tiefe Erörterung des Abtreibungswerbeverbotsparagraphen 219a, erforderte in der ungekürzten Fassung rund 30 Minuten – wie das kürzen auf drei Minuten? Wir verlasen eine Eklärung des Textes und warum er nicht kürzbar war. Trotzdem gewann er, was zeigte, wie viele Menschen „Raus aus meinem Uterus“ nicht nur gelesen, sondern im Gedächtnis behalten haben.
Eine besondere Wendung: Während unserer Verleihung sickerte durch, dass jener Paragraph maßgeblich überarbeitet werden soll.
Auch das war ein Thema an der Hotelbar, wo vielleicht ein neues Netzwerk von Menschen entstanden ist, die tolle Dinge im Internet veranstalten. Erst um halb zwei am Morgen entschwanden die letzten Richtung Bett.
Und dann lesen wir, noch völlig übermüdet, am folgenden Tag die Tweets der Abreisenden und ihre Dankesmails und Messages, ihre Blog-Einträge. Und wir erröten ob solcher Worte wie denen von Bucketrides:
„Die “Goldenen Blogger” – und zwar Organisator*innen, Nominierte, Preisträger*innen, Akademiemitglieder und Zuschauer*innen – haben in dem, was sie in den vorgestellten Social Media Aktivitäten wertschätzen, eine – wenn nicht sogar: die – Essenz dessen begriffen, was bereichsübergreifendes Leben im digitalen Zeitalter aus-, möglich und lebenswert macht. Über alle Beiträge hinweg gibt es vier große und großartige Gemeinsamkeiten, die nichts weniger sind als Tugenden des digitalen Lebens:
- Keine*r ist oberflächlich.
- Jede*r ist engagiert.
- Alle lieben ihr Publikum
- Niemand verstellt sich.“
All das hat mal als Satire auf Preisverleihungen in Franzis Wohnzimmer im Jahr 2007 begonnen. Seit vier Jahren sind wir ernster geworden und seitdem steigt der Aufwand drastisch.
Warum wir es trotzdem machen?
Weil sich Menschen wirklich über diesen Abend freuen und wir eine Plattform geschaffen haben, der wundervollen Autoren und ImInternetSachenMachern Aufmerksamkeit und Anerkennung beschert.
Wer nochmal nachgucken möchte:
Nachtrag vom 31. Januar: Jan Josef Liefers hat jetzt auch seinen Goldenen Blogger.
Alle Preisträger im Überblick
Blogger*in des Jahres (Akademie- & Online-Voting)
Jasmin Schreiber / Sterben Üben
Newcomer*in des Jahres (Online-Voting)
Not Just Down
Bester Blogtext des Jahres (Online-Voting
Juramama: „Raus aus meinem Uterus. Der § 219a und seine Freunde.“
Blogger*in ohne Blog (Saal-Voting)
Milena Glimbovski
Blocker*in des Jahres (Saal-Voting)
Die Bundeswehr für ihren Auftritt vor den Toren der re:publica
Food- & Weinblog des Jahres (Akademie-Voting)
Ye Olde Kitchen
Tagebuchblog des Jahres (Akademie-Voting)
Russische Provinz und Frau Nessy: Draußen nur Kännchen
Sportblog des Jahres (Akademie-Voting)
120 Minuten
Nachhaltigkeitsblog des Jahres (Akademie-Voting)
Wasteland Rebel
Themen- & Nischenblog des Jahres (Akademie-Voting)
Augen geradeaus
Heimatblog des Jahres (Akademie-Voting)
Hofhuhn
Podcast des Jahres (Online-Voting)
Gästeliste Geisterbahn
Instagram-Account des Jahres (Online-Voting)
News-WG
Twitter-Account des Jahres (Online-Voting)
Natalie Grams
Hashtag des Jahres (Saal-Voting)
#wirsindmehr
Beste Social Media-Präsenz einer Celebrity (Akademie-Voting)
Barbaradio (Regiocast) und Jan-Josef Liefers und Dieter Bohlen
u>Markenbotschafter*in des Jahres (Online-Voting)
Vreni Frost
Sonderpreis für das Lebenswerk
Robert Basic
Kommentare
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[…] Thomas über Die Goldenen Blogger 2018: Bundeswehr und Uterus. […]