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Es ist ein wenig tragisch, was sich derzeit in deutschen Print-Redaktionen abspielt. Über Jahre hinweg war es den Angestellten gelungen, das Internet wegzuignorieren. Gelegentlich schrieb man sich dann noch den Frust von der Seele, wütete gegen Blogger, Killerspiele, Raubkopierer, die Piratenpartei, Raubkopierer oder was man sonst noch verbrecherisch finden wollte.

Nun aber ändert sich einiges. Das Internet wird – wider Erwarten manches Print-Redakteurs – doch nicht abgeschaltet. Mehr noch: Diese verdammten Onliner bekommen plötzlich Macht. Im Koalitionsvertrag finden sich lange Passagen, ein Internet-Halbministerium wird eingerichtet. Und an diesem Wochenende war zu vernehmen, dass mit Stefan Plöchinger der Online-Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ mit nur wenigen Jahren Verspätung Mitglied der Chefredaktion werden soll.

internet

Mit einem Mal muss sich also beschäftigt werden mit diesem Internet. Schließlich ist auch klar, dass Axel Springer – der Verlag, von dem alle sagen, ihm gehöre die Zukunft – keine Online-Phobiker übernehmen wird.

Die Berichterstattung über Digital-Themen steigt quantitativ seit dem Herbst deutlich an. Das Problem ist die Qualität. Vielen Artikeln ist anzulesen, dass die Autoren alles andere als firm sind, in ihrem Thema.

Heute liefert die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ gleich zwei Beispiele für diesen traurigen Trend. Das erste Beispiel zeigt schlicht, wie wenig Lust mancher Redakteur auf Recherche hat – das andere wie immens inkompetent (und sexistisch) selbst ein leitender Redakteur ist.

Bettina Weiguny schreibt über die Samwer-Brüder mit der Überschrift: „Die Zalando-Boys“. Es ist ein Artikel, wie ihn die drei Brüder nicht besser hätten kaufen können. Sie werden als die größte Gefahr für den stationären Handel geschildert . Das blendet einerseits Amazon aus, andererseits ignoriert die Autorin, dass die Samwers zwar durchaus viele E-Commerce-Beteiligungen besitzen – aber in einer sehr großen Zahl anderer Märkte unterwegs sind.

Vor allem aber: Keine Erwähnung über die Abneigung weiter Teile des Silicon Valley gegenüber den Copy-Katzen Samwer, keine Erwähnung über das, sagen wir, strenge Klima in deren Reich. Man ist verwundert.

Noch schlimmer treibt es Wirtschafts-Ressortleiter Rainer Hank. Er interviewte Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach und ich frage mich, ob Fehrenbach sich irgendwann veralbert fühlte.

Erste Frage:

„Herr Fehrenbach, was sind unsere Erfindungen, von Facebook, Twitter & Co. wert im Vergleich zur grandiosen Menschheitsidee des Autos vor über hundert Jahren?“

Fehrenbachs Antwort? Er umgeht die Frage:

„Wenn das Rad erfunden ist, kann man es nicht noch mal erfinden. Das muss man auch nicht. Aber man kann es ständig verbessern.“

Puh. Raus aus der kruden Nummer.

Denkste. Hank fragt erst nach fliegenden Autos – die es weiter nicht gibt – und dann:

„Sie leugnen aber nicht, dass die Erfindungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – Auto, Waschmaschine, Flugzeug – einschneidender sind für die Menschen als die heutigen Neuerungen?“

Ich verkürze noch mal zum besseren Verständnis, Verkürzungen sind für manche ja journalistisch:

Sie leugnen aber nicht, dass die Erfindung der Waschmaschine einschneidender war  für die Menschen als die heutigen Neuerungen?“

Weltweite Kommunikation, dramatischer Wandel in zahlreichen Branchen, ständige Verfügbarkeit von Informationen, Vernetzung der Welt, Steuerung von Maschinen, Demokratisierung der Medien – aber für Rainer Hank ist die Waschmaschine wichtiger.

Fehrenbach will zurück auf bekanntes Terrain, das Auto. Aber er macht den Fehler zu behaupten, die nächste Revolution komme aus der Informationstechnologie. Spöttisch wirft Hank ein:

„Sagen Sie bloß!“

Ja, das kann ein Hank nicht glauben. Auch nicht, dass es 3D-Drucker geben könnte, die Ersatzteile für Oldtimer produzieren. Hank fragt knallhart nach:

„Aus Papier?“

Doch. Ehrlich. Für Rainer Hank sind Drucker, die aus Kunststoff oder Metallpulver Objekte formen unbekannt. Und deshalb folgt gleich die nächste knallharte Hammerfrage:

„Klingt alles nach der schönen, neuen Welt, die in Zeiten der überwachenden NSA verständlicherweise viele Leute schreckt und ängstigt.“

Weil die US-Behörden den Internetverkehr überwachen, haben viele Menschen Angst vor 3D-Druckern. Diese geistige Volte ist für mich selbst mit großer Fantasie nicht auflösbar – abgesehen davon, dass mir niemand bekannt ist, der sich vor 3D-Druckern ängstigt.

Doch immer, wenn man denkt: Es geht nicht mehr schlimmer, dann legt ein Hank nochmal nach. Fehrenbach ist besorgt um die Ausbildung in Deutschland, Bosch fördere Projekte in  Schulen und Kindergärten, um Kinder für Technik zu begeistern. Er sagt sehr zutreffend:

„Deutschland wird ohne Bildung in den MINT-Fächern kein Technologiestandort bleiben.“

MINT steht – das erklärt die „FAS“ nicht – für  Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. Egal. Denn was fragt Hank als nächstes? Pardon, er fragt nicht, er stellt fest:

„Die Mädchen werden Sie nie zur Technik bringen.“

Ehrlich.

Steht da so.

Nicht als Frage, oder als Distanzierung von der Aussage, zum Beispiel mit der Einleitung „Manche würden nun sagen, dass…“ Nein. Es ist Rainer Hanks Meinung, dass es nicht möglich sein wird „Mädchen zur Technik zu bringen“. Damit dürfte Hank als Pressesprecher von Jung von Matt immer sein Auskommen finden. 

So viel offener Sexismus ist doch eher selten. Die Mädchen, die können das nicht. Dass Studien zeigen, dass es beispielsweise die Prägung im Elternhaus ist, wegen derer Mädchen sich weniger für Technik interessieren – egal. Die Mädchen, die können das nicht.

Die „FAS“ wird übrigens regiert von fünf alten Männern im Rahmen des Herausgebertums. Sie zählt 12 Ressorts, von denen drei durch Frauen geführt werden: „Drinnen“, „Kunstmarkt“ sowie „Reise“. Keine der verantwortlichen Redakteurinnen in diesen drei Ressorts hat einen weiteren Mitarbeiter zur Verfügung, zumindest nicht nach Impressum.

Laut Rainer Hank können, die das also nicht, die Mädchen. Das mit der Technik. Angesichts seines Interviews dürfen wir aber auch sagen: Der alte Mann da – der kann das erst recht nicht.


Kommentare


m 15. Dezember 2013 um 21:56

Warum dieses ständige beschämen „alter Männer“? Geht’s Ihnen noch gut?

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creezy 15. Dezember 2013 um 23:02

Frauen und Technik? No way! Frauen und Computer? No fucking way! Oder wie die kaltmamsell heute so schön auf fb verlinkte:

http://www.youtube.com/watch?v=1-vcErOPofQ&feature=youtu.be

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JMK 15. Dezember 2013 um 23:41

Ich glaube, diese Frauen, das setzt sich nicht durch.

Ich finde Hank, wenn er sich auf bekanntem Terrain bewegt, durchaus lesenwert, aber das hier könnte auch von Matussek oder Seidl stammen.
Und die FAS ist ja schon die moderne Variante der FAZ

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Ulrich Bähr 15. Dezember 2013 um 23:45

Mir sind die beiden texte auch aufgefallen. Der über die Samwers, der sich selbst Relevanz bestätigt, in dem er behauptet, die Brüder seien den Menschen allerhöchstens durch Jamba bekannt, und was jetzt kommt, das ist neu! OK, und auf dem Niveau, so als Basisinfo, ist es dann ganz OK, was allerdings bei der Leserschaft der FAS etwas skurril ist. Der Bosch-Text aber ist wirklich ein Hammer. Die schöne Stelle mit dem Papier ist mir so garnicht aufgefallen, ich hatte das nur einfach nicht verstanden. Und das in dem Blatt, das sonst gern als Speerspitte des Mediendiskurses (Morozov!) auftritt. Bin irritiert. Vorweihnachtszeit?

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teekay 16. Dezember 2013 um 6:56

Danke fuer den Hinweis auch weiterhin keine gedruckten ‚Qualitätszeitungen‘ zu kaufen! Was ich so ‚lustig‘ finde ist, dass fast alle emazipatorischen Erfolgsleistungen von Auto, Flugzeug oder Waschmaschine in gewisser Weise auch auf digitale Kommunikation inklu Internet zutreffen. Anstatt wenigstens ein bisschen die Kehrseite von Auto etc. anzusprechen und etwas Positives zum Digitalen zu sagen, muss es duemmste schwarz-weiss Malerei sein, wie sie eben nur von alten Männern in quasi verbeamteter Redaktionsposition vorgetragen werden kann. Aber druck‘ du nur weiter Deine Zeitung auf Papier, Rainer Hank!

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Klingebeil 16. Dezember 2013 um 9:01

Ist es nicht ironisch, dass gerade der technologisch unbewannte Hank eine solche Aussage trifft?

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Thomas_More 16. Dezember 2013 um 14:54

Zunächst mal: Hank ist ein trauriges Thema – auch und gerade für die FAZ. Ein studierter Theologe als Wirtschafts-Chef der Sonntagszeitung, der sein in Crashkursen nachgeholtes „Wirtschaftswissen“ in der Form ausbreitet, dass er den entfesselten Finanzkapitalismus mit Adam-Smith-Sinnsprüchen zu erklären versucht. Peinlich, keine Frage, seine Meinung zu Mädchen und Technik“ passt ins Bild.
.
Ansonsten aber: Vorsicht. Es gibt seit langem schon kein überregionales Printmedium, in dem die Digitalisierung qualifizierter und kenntnisreicher (kritisch) begleitet wird, als die FAZ. Dort publizieren neben Schirrmacher regelmäßig Leute wie Morozov, Kurz und Rieger. Und sicher kein Zufall, dass der internationale Schriftstellerappell gg. NSA & Co. in der FAZ publiziert wurde. Dass das alles vorrangig im Feuilleton passiert – und kaum im Wirtschaftsteil: tja, s.o.
.
A propos Dummerchen: Nur weil man sich via Facebook und Twitter bestens vernetzt fühlt, sollte man sich über Technikgeschichte nicht restlos erhaben fühlen. Der Begriff „Waschmaschine“ meint natürlich nicht das Ding, mit dem sich unsere Hightech-Nerds von Mama die Socken waschen lassen. Sondern steht pars pro toto für die Technisierung der Hausarbeit – eine Umwälzung, die erst die technische Grundlage hergab für einen Megatrend: die Emanzipation der Frau.

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Olaf Storbeck 16. Dezember 2013 um 17:09

Ich habe diese Artikel ehrlich gesagt nicht gelesen, mich aber dafür über das super-wohlwollende Porträt zu AfD-Chef Lucke geärgert. Auch das kann man für Geld kaum besser kaufen.

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Moon 17. Dezember 2013 um 16:14

abgesehen davon, dass mir niemand bekannt ist, der sich vor 3D-Druckern ängstigt.

Keine Sorge, die kommen schon aus ihren Löchern, sobald die Dinger richtig abgehen. Dann wird wieder so lange gejammert, bis die ahnungslosen Politiker das Urheberrecht noch weiter verschärfen. Und/oder es gibt Kopierabgaben auf 3D-Drucker analog zu den Abgaben auf Speichermedien, die der Niggi so toll findet.

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katharinakort 17. Dezember 2013 um 16:17

Lieber Herr Hank, kein Wunder, dass die Frauen Ihnen als Leser immer mehr wegbleiben. Die informieren sich nämlich immer stärker im Internet und beschäftigen sich nicht den ganzen Tag mit ihrer revolutionären Waschmschine. Ups, jetzt habe ich sogar einen Online-Kommentar geschrieben und mich dafür mit Twitter eingeloggt. Und das als Mädchen !

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Links #60 18. Dezember 2013 um 8:25

[…] Rainer Hank meint: Mädchen können keine Technik – Thomas Knüwer über Journalisten, die wie Blinde über das Sehen schreiben. […]

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Olaf Storbeck 18. Dezember 2013 um 16:06

Mich erreicht das Feedback, mit dem Satz „das kann man für Geld kaum besser kaufen“ würde ich den Kollegen von der FAZ indirekt Käuflichkeit unterstellen. Mir fällt es nicht ganz leicht, diesen Einwand nachzuvollziehen, aber wie auch immer: Das ist so natürlich nicht gemeint.

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tigerfood 19. Dezember 2013 um 9:38

Es ist doch nicht dasselbe zu sagen: ‚Es konnte mich keiner dazu bringen‘ und ‚Ich kann das nicht‘. Im einen Fall geht es um Motivation und Interesse, im anderen um Fähigkeiten. Rainer Hank mag kein Meister der subtilen Sprachverwendung sein, aber bei ihm kann ich diese Gleichsetzung nicht erkennen, sondern erst bei Ihnen. Von weiblicher Unterrepräsentation auf weibliche Unfähigkeit zu schließen, ist eine unbelegte Verkürzung. Auch dann, wenn sie wie hier als Strohmann-Vorwurf eingesetzt wird.

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Somaroomaro 20. Dezember 2013 um 15:11

@tigerfood

Wenn sie schon mit Subtilität argumentieren, dann argumentieren sie bitte komplett:

Entweder meinte Hank „Mädchen wollen das nicht“ oder er meinte „Mädchen können das nicht“. Mr Knüwer hat sich für zweitere Version entschieden.
Man könnte auch erste Version interpretieren, dann müsste im Text vielleicht zwei, drei Worte umgestellt werden.

Nebenbei macht die Interpretation von „Mädchen können das nicht“ aufgrund der vorherigen Aussagen von Mr Hank mehr Sinn als die andere Option.

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Generation Hartei bei der FAZ 22. Dezember 2013 um 12:20

[…] nachhaltig hinterfragt gehört, nachdem sein Kollege – und gelegentlicher Co-Autor – Rainer Hank in der vergangenen Woche feststellte: “Die Mädchen werden Sie nie zur Technik […]

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Hey, 13. August 2014 um 18:28

[…] Nur versucht Schnibben wenigstens, zu experimentieren. Die Geschichte über die Nazi-Vergangenheit seiner Eltern wurde – wenn auch recht ruckelig – multimedial umgesetzt. Das ist keine Revolution, aber weit mehr als Hank und von Petersdorff zu bieten haben, die sich anscheinend nicht mal Twitter öffnen mögen (Bernau schon). Es gibt kein Blog als Einladung zur Diskussion, keine neuen Ideen. Dabei müssten doch wenigstens die drei Jungs Technik können, wenn Mädchen nach Meinung von Hank in diesem Feld anscheinend nicht kompetent sind. […]

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Medley 22. August 2014 um 3:50

Zitat von Rainer Hank: „Die Mädchen werden Sie nie zur Technik bringen.”
Schlussfolgerung von Autor Thomas Knuwer: „Die Mädchen, die können das nicht.“

Fazit der Textinterpretation von Herrn Knuwer: Vollkommen daneben. Setzen. Sechs(6).

Was bedeutet denn die Aussage: „…werden sie nie zu xyz bringen.“? Doch wohl vorallem, dass man „die Mädchen“ nicht zur Naturwissenschaft und Technik führen kann, weil sie einfach andere Wege gehen wollen, sprich, weil sie -nach Überzeugung von Herrn Hank- als Frauen kein INTERESSE an diesen MINT-Fächern haben. INTERESSE!!! Mitnichten aber, weil sie aufgrund ihres Mädchenseins irgendwie in diesen Fachgebieten geistig oder sonstwie überfordert wären(„Können das nicht“). Und zumindest in dem Hinblick hat der Herr Hank doch absolut, vollkommen Recht!!!!!!!!! In fast allen Industrieländern der Welt machen Frauen in diesen MINT-Fächen nur rund 10% bis maximal 20% aller Studenten aus. Und das wohl gewiss nicht, weil es eine globale Verschwörung von Milliarden erziehungunfähigen, frauenemanzipationsfeindlichen, gendermainstreamphoben Eltern gibt, die partout ihre Töchter mit rosa gekleideten Barbie-Puppen oder sonstigen plüschigen Indoktrinationsgehirnwaschinstrumentalien dahingehend prägen wollen, damit diese um Gotteswillen später mal bloß nicht MINT-Fächer studieren wollen! Also wirklich!

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Thomas Knüwer 22. August 2014 um 9:14

Herr Wessner, schon Ihre Zahlen stimmen so nicht, wenn ich das richtig im Kopf habe. In technischen Studienfächern liegt die Frauenquote bei 22% in Deutschland.

Dieser Artikel von PBS liefert aber einen schönen Einblick in die Realität des technischen Studiums. Zitat einer Engineering-Professorin:

“Frequently, you see women relegated to very traditional roles – I’ll build the robot, and you can be secretary for the group,” she said. “Unless you’re very assertive, men can take over the group.”

Es ist genau diese Haltung, die auch Herr Hank widerspiegelt.

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