Lustige Jobtitel, das scheint ein Relikt der New Economy zu sein. Vor 10 Jahren waren sie hübsch und hip – aber heute?
Heute steht „Mighty Eagle“ als Position auf der Visitenkarte von Peter Vesterbacka. Sein Name ist noch nicht recht bekannt. Auch nicht der Name seines Unternehmens: Rovio. Aber es gibt da eben ein Produkt, das die Welt erobert hat wie nix gutes: Angry Birds.
Die absurde Tätigkeit, Comic-Vögel mit einer Comic-Fletsche auf grummelnd-grüne Comic-Schweine zu schießen ist Volkssport geworden. In den USA nähert sich die Angry-Birds-Nutzungszeit einem Prozent der TV-Nutzungszeit. Wahnsinn.
Die Begehrlichkeit, die Angry Birds wecken ist gewaltig. Auf der SXSW in Austin war die Lounge, in der man Echtleben-Angry-Birds spielen konnte, ständig überlaufen. Wo immer Stofffiguren der ärgerlichen Krähen zu haben sind, verkaufen sie sich. Das ist mit logischen Argumenten nicht erklärbar.
Im April gab es in der britischen „Wired“ eine tolle und lesenswerte Geschichte über die wechselvolle Geschichte Rovios. Heute nun war Gründer und Überadler Peter Vesterbacka auf der Konferenz Next11 in Berlin. Im Anschluss traf ich ihn für ein kleines Interview:
Sie wirken nicht wie der junge Geek, der die Nacht durchprogrammiert…
Nein. Wir haben mit Rovio ja schon einiges erlebt. Aber das hilft mir, etwas signifikantes und dauerhaftes aufzubauen. Ich war halt schon mal draußen in der Welt.
Konzentrieren Sie sich derzeit auf die Erweiterung von Angry Birds oder arbeiten Sie eher an komplett neuen Ideen?
Angry Birds. Definitiv Angry Birds. Wir orientieren uns da an einem anderen Unternehmen, das mal mit einem schwarz-weißen Zeichentrickfilm über eine Maus auf einem Boot begonnen hat. Wir bauen ein Unterhaltungsunternehmen der nächsten Generation. Deshalb beschäftigen wir uns so sehr mit Lizenzen und Merchandising.
Klingt groß. Aber für einen Entertainment-Konzern braucht man nicht nur hübsche Zeichnungen, sondern auch Stories…
Das entwickelt sich. Wir selbst haben ja eine Hintergrundgeschichte im Kopf. Und dann wird es in drei bis vier Jahren vielleicht einen Film geben. Und wenn nicht, dann ist das auch keine Katastrophe.
Um es simpel zu sagen, dreht sich unser Geschäft um zwei Dinge: die Fans und die Marke Im Kern bauen wir alles um die Frage, was unseren Fans gefällt. Die mögen simple Dinge. Und wir haben keine Probleme, simple Dinge umzusetzen. Dabei sind wir nicht religiös, was unser Geschäftsmodell betrifft. Das unterscheidet uns von vielen amerikanischen Unternehmen, die sich besessen auf ein bestimmtes Modell stützen.
Unterscheidet das generell europäische von US-Startups?
Wir kommen aus einem sehr diversifizierten Kontinent. Wir haben unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Währungen. Wir müssen uns an andere Märkte anpassen. Nicht, weil wir wollen – sondern weil es nicht anders geht. Ein Unternehmen, das nur in Finnland erfolgreich sein will, hat es schwer. Deshalb versuchen wir auch nicht, den chinesischen Markt zu verändern – wir würden das nicht schaffen. Wir wollen chinesischer sein als die chinesischen Unternehmen.
Manches Web-Unternehmen aber glaubt, ohne den Sitz im Silicon Valley könne es nicht erfolgreich sein…
Es ist doch sehr schwer, geeignetes Personal im Silicon Valley anzuheuern. Außerdem ist der Weg dorthin sehr weit. Für uns ist der chinesische Markt zum Beispiel sehr wichtig. Von Helsinki aus bin ich in acht Stunden in Peking. Und in sechs Stunden in Indien. Es gibt nicht das Zentrum der Welt, wo ein Unternehmen unbedingt sein müsste – es gibt eine Reihe Hotspots. Wo wir unseren Sitz haben ist deshalb nicht wichtig.
Wie beurteilen Sie die europäische Startup-Szene denn insgesamt?
Wir haben ein Einstellungs- und ein Ambitionsproblem. Die Europäer sind noch immer geprägt vom Gedanken des Wohlfahrtsstaates. Sie haben das Gefühl, gewisse Dinge stünden ihnen zu. Das ist eine böse Illusion. Wir brauchen mehr ambitionierte Gründer. Es ist toll, etwas zu bauen, was in Deutschland Marktführer ist. Aber ehrlich gesagt: Den Rest der Welt kümmert das nicht. Es fehlt das Verlangen, die Nummer eins weltweit zu werden. Wir haben so viel Kreativität gerade durch unsere Unterschiedlichkeit. Dass wir keinen einheitlichen Markt haben, ist eine Schwäche – aber die müssen wir nutzen, um sie zu einer Stärke zu machen.
Reden wir über Spiele. Auf der einen Seite gibt es Casual Games mit einer gewaltigen Verbreitung, andererseits Hardcore Gamer. Werden das dauerhaft zwei getrennte Welten bleiben?
Was wir sehen ist eine Expansion von Spielen in der Gesellschaft. So wie Nintendos Wii viele Menschen, auf einem mengenmäßig niedrigeren Niveau, zum spielen gebracht hat, so tut dies auch Angry Birds.
Aber dabei geht es eigentlich nicht um Spiele an sich, sondern um Unterhaltung. Was machen Menschen, wenn sie einen freien Moment haben? Wir möchten, dass sie Angry Birds spielen. Unsere Konkurrenz sind dabei Bücher, Filme, das Fernsehen. Als Rupert Murdoch seine Ipad-App The Daily startete sagte er, Angry Birds sei eine wichtiger Gegner.
Das hat mir gefallen.
Kommentare
Android, E-Plus, wahwah.fm. — mobilbranche.de 18. Mai 2011 um 11:46
[…] Rovio-Chef Peter Vesterbacka sieht das recht simple Konzept seiner „Angry Birds“ als den Schlüssel zum Erfolg. indiskretionehrensache.de […]
No Bird 18. Mai 2011 um 13:22
Woanders muss man wohl nicht hundertausende Euros zurücklegen (und erst mal verdienen) für Klagen bis zum Verfassungsgericht und 90% seiner Finanzierung mit den Inkubatoren ihren Aufsichtsräten, Juristen, Gründerzentrum usw. teilen, also verkappt zurückfliessen lassen.
Moorhuhn war auch so ein Phänomen. Schlaghosen kommen auch zurück… SCNR.
Heise vom 30.6.2004 beschreibt auch unerwartete Zielgruppen: Sekretärinnen mit z.b. Solitaire unter Windows. Casual-Games gabs also schon mitgeliefert seit Windows95 bzw. vielleicht schon Windows3 (3.10) oder 3.11WfW.
Interessant wäre vielleicht noch eine Bewertung der Vertriebswege gewesen.
Und Disney hat wohl (ohne Gewähr) im Gegensatz zum „japanischen Disney“ nie selber gezeichnet sondern wohl nur vermarktet. Ob das mal ein Vorbild sein sollte… . Alva(?) Edison ist ja auch keines.
Schön ist auch, das er die Lokal-Orientierung erwähnt. Das machen aber auch US-Firmen und werfen alles in die Schubladen EMEA bzw. Asien+Australien und behandeln einen als Rest-Market der 1$=1Euro-Umrechnung und Produkte (wie Kindle vor ein paar Wochen) erst kriegt, wenn es einem in den USA schlecht geht.