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Ich geb’s ja zu: Auch ich kann den Begriff „Google Streetview“ nicht mehr hören. Andere aber anscheinend schon. Der mediale Sommersturm entlädt sich über dem Dienst in einer Art und Weise, der Angst macht.

Es ist bedrückend, wie selbst Blätter, die noch irgendwo so etwas wie einen Qualitätsanspruch für sich behaupten, hyperventilierend alles groß aufmachen, was irgendwie mit Kameras zu tun hat, die auf Autos geschraubt werden.

Heutiges Beispiel: die „Rheinische Post“.

Ein Stück auf der Seite eins ist es der Düsseldorfer Lokalzeitung wert, dass erste deutsche Häuser bei Streetview zu sehen sind. Die Auflösung ist unaufregend: Die Bauten stehen direkt an der Grenze zu den Niederlanden, die Niederländer haben nichts gegen Streetview – und so sind die germanischen Backsteinhöhlen mit im Bild. Das könnte man unaufgeregt als Kuriosität und Beweis für ein zusammenwachsendes Europa werten. Oder man kann alarmistisch ausschlagzeilen:

Aber irgendwie wundert das auch nicht, wenn die „RP“ auf der Seite 3 zum investigativen Leserspiel aufruft: „RP-Aktion: süße Tierfotos gesucht“. Man darf das „absurd“ nennen – hat die „RP“ ja schließlich selbst schon mal.

Doch das ist ein anderes Thema. Weiter hinten geht die Panikmache fröhlich weiter. „Brisante Spuren im Internet“ schreit es auf Seite B3 (die „RP“ gehört zu den wenigen Zeitungen, die an der Nummerierung ihrer Seiten scheitert). Dort entdeckt Autor Reinhard Kowalewsky schreckliches – es gibt Satellitenfotos:

„Man braucht nur das Angebot Google-Earth anzuklicken und die Adresse eines Hauses eingeben, schon kann jeder Online-Nutzer der Welt Hinterhof, Garten und die Nähe zu seinen Nachbarhäusern sehen.“

Und die Düsseldorfer Anwältin Eva Dzepina fordert gleich mal ein Widerspruchsrecht. Für Satellitenfotos. Die seit Jahren zu kaufen sind – man muss nur Geld mitbringen. Dies aber lässt die „Rheinische Post“ lieber unerwähnt – es würde die Story kaputt machen. Jene Story, übrigens, die bisher nicht online erhältlich ist.

Längst ist klar, dass es den meisten medialen Institutionen in Deutschland nicht mehr um das Thema geht oder darum, den Bürgern eine Orientierung zu geben. Es geht allein darum, ihnen wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde einen Schrecken einzujagen – egal, ob sie dabei desinformiert werden, oder nicht. Denn wer sich erschrickt oder aufregt, der kauft vielleicht das entsprechende Magazin oder die jeweilige Zeitung.

Dieses Vorgehen ist nicht neu – es ist in der DNA des Boulevardjournalismus verankert. Und einen anderen Journalismus gibt es in Deutschland ja anscheinend auch nicht mehr.

Über dies und viele andere Themen rund um Google Streetview und Datenschutz wird es sich heute Abend zwischen 19 und 21 Uhr in der WDR2-Sendung „Arena“ drehen, bei der ich Gesprächsgast sein werde, gemeinsam mit dem NRW-Datenschutzbeauftragten Ulrich Lepper und dem kundigen wie höchst unterhaltsamen Medienrechtler Thomas Hoeren von der Uni Münster. Auf der Homepage der Sendung gibt es auch schon einen kleinen Anwärmer, für den ich heute morgen Gast im Studio war.

Wenn Sie, liebe Indiskretion-Leser, nicht nur zuhören wollen (einen Live-Stream gibt es auf der WDR-Homepage), sondern etwas sagen möchten – dann gibt es die kostenlose WDR-Hotline : 0800-5678-222 (von 18.30 Uhr an) und eine E-Mail: wdr2@wdr.de


Kommentare


Harald Link 19. August 2010 um 15:03

Bitte, bitte erklärt den Leuten endlich, dass Google nicht vor hat, die Fassaden der Häuser permanent live zu streamen.

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Till 19. August 2010 um 15:13

Arbeite zwar in Düsseldorf, wohne aber hier nicht. Aber ich muss mir die RP ab jetzt holen, die sind echt witzig 🙂

Hier ein Artikel der RP über Rentner die gegen StreetView sind.
Ein schönes Foto in deren Vorgarten 🙂

http://www.rp-online.de/duesseldorf/duesseldorf-stadt/nachrichten/Duesseldorfer-Street-View-Protest-geht-um-die-Welt_aid_893596.html

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Georg 19. August 2010 um 15:34

Thomas, du hast so Recht. Leider bilden viele Medien eine beängstigende Symbiose der Hysterie mit Politikern. Eine gefährliche Entwicklung: Medien schreiben hysterisch über die Themen, damit möglichst viele Leser zu Artikelkonsumenten werden, Politiker äußern sich hysterisch zu allen möglichen Themen, um in diesem Hysterienkreislauf zitiert zu werden.

Sachlichkeit auf beiden Seiten. Ein frommer Wunsch, sicher nicht nur von mir.

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prüfer 19. August 2010 um 16:03

Natürlich ist die Berichterstattung über Streetview ein Armutszeugnis der Branche – ich vermute ja eher mal den Beißreflex gegen den ungeliebten Konkurrenten. In der Grundfrage bin ich allerdings mal bei unserem Innenminister; eine Regelung ist zwar überfällig, sollte aber nicht übers Knie gebrochen werden. Wobei die Frage, wo die Daten physisch gehostet werden, noch bedauerlich wenig diskutiert wird. Hat Google keine Außenstelle in Vanuatu?
Mir sind allerdings auch in der Netzcommunity die Fronten noch zu pauschal und undifferenziert.
Google gut, Elena schlecht?
Wikileaks toll, Facebook böse?
Und nächstes Jahr protestieren wir ganz doll gegen die Volkszählung.

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Bianca Keybach 19. August 2010 um 16:44

Während es vielerorts als opportun gilt, gegen Googles neuen Kartografiedienst „Street View“ zu argumentieren, würde man in einem kleinen Ort im Allgäu das Google-Team lieber heute als morgen sehen. Auf der Facebook-Seite von Oberstaufen haben Gastgeber schon eine Zuckerguss-Willkommenstorte gebacken und dem Google Street View Team den kostenfreien Aufenthalt im Allgäuer Heilbad versprochen. Mehr unter http://ht.ly/2rmdM

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Till 19. August 2010 um 16:53

@prüfer:
„Google gut, Elena schlecht?
Wikileaks toll, Facebook böse?
Und nächstes Jahr protestieren wir ganz doll gegen die Volkszählung.“

was hat denn jetzt das eine mit dem anderen zu tun?

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Oma Hans 19. August 2010 um 17:46

Mal abgesehen davon, dass das Thema „Street View“ keinen Aufreger wert ist, sollte man auch sehen, das es soetwas bereits seit etwa einem Jahr für ein paar Städte in Deutschland gibt – kostenlos: http://www.sightwalk.de/

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Gonzo 19. August 2010 um 20:28

Habe gerade die Sendung gesehen. War sehr interessant. Also dieser Datenschützer, der hatte ja den meisten Eifer von Euch allen 🙂

Das Problem dieser Leute ist, dass sie als typische Funktionäre nur ihr isoliertes Ziel „Datenschutz“ ausleben, sich aber nicht gleichzeitig für die „Meinungsfreiheit“ zuständig fühlen. Das führt dann zu einer sehr bedenklichen Betriebsblindheit, die sich sogar gegen legitime demokratische Interessen richten kann.

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piercyha 20. August 2010 um 8:17

Gibt es einen Audiomitschnitt der Sendung?
WDR 2 biete Arena leider nicht als Podcast an .(

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Google Streetview 20. August 2010 um 9:46

[…] der neue große Skandal, vergleichbar mit Watergate. Ich halte das für gefährlichen Quatsch. Wie Thomas Knüwer schreibt: Längst ist klar, dass es den meisten medialen Institutionen in Deutschland nicht mehr […]

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Gestern in der WDR2- 20. August 2010 um 14:21

[…] Angst ist nicht einmal unverständlich. Denn Medien und Politik befeuern diese ja in der Hoffnung auf Zeitungsverkäufe und Wählerstimmen. Beide aber […]

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prüfer 23. August 2010 um 9:13

@ Till
bei allen vieren werden Daten gesammelt und verwertet.
Ich gebe allerdings – mangels eigener Erfahrung – zu, dass ich nicht weiß, wieviele personenbezogene Daten bei Wikileaks gesammelt und online gestellt werden. Ganz ohne wird es allein bei der Zahl der Dokumente wohl nicht gehen.

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Ich empfehle diesen Kram… | Endgueltig 23. August 2010 um 13:40

[…] Die Streetview-Panik der deutschen Medien […]

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Google Streetview: eine Fallstudie für die Folgen der deutschen Technophobie 20. April 2015 um 19:16

[…] Die Redaktion der Düsseldorfer Lokalzeitung entdeckte damals auch Satellitenfotos bei Google und forderte ein Einspruchsrecht. In der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” schrieb Friederike Haupt “Hiermit […]

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