Am heutigen Tag ist den Medien, ja, auch uns beim gedruckten Handelsblatt, eine Meldung durchgegangen, die eine fette Schlagzeile wert gewesen wäre: Der Brockhaus stirbt. Vielleicht sollte ich eine neue Rubrik aufmachen: „Zeichen, dass das Ende nah ist“. Das Ende einzelner Bereiche klassischer Medien, meine ich.
Gestern gab es solch ein Zeichen und es wurde weitgehend übersehen von den Zeitungen: Der Brockhaus zieht sich aus dem Bereich der gedruckten Lexika zurück. Ein Verlagssprecher formuliert das so: „Die 21. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie war voraussichtlich die letzte – ab jetzt findet alles online statt.“
Verkauft wird dies als „Internet-Offensive“. Doch in Wahrheit ist es das Gegenteil: Es ist die letzte Zuckung eines großen Namens – wieder einmal hat ein Unternehmen der klassischen Medienbranche nicht erkannt, dass sich die Zeiten ändern.
Mit dem Erstarken von Wikipedia und der Möglichkeit, selbst vom Handy aus auf sie zuzugreifen, hätte sich Brockhaus täglich die Frage nach der eigenen Existenzberechtigung stellen müssen. Warum sollte ich 55 Euro für das dreibändige Lexikon zahlen, wenn ich es nicht überall hin mitnehmen kann und es sich nicht aktualisiert? Einst war ein 24-bändiges Lexikon im Regal wenigstens ein staubaufsaugendes Statussymbol, doch auch das hat sich erledigt.
Für die richtige Strategie habe ich auch keine Lösung, dazu bin ich nicht firm genug im Lexikongeschäft. Vielleicht hätte eine stärkere Präsenz des Markennamens – Brockhaus-Experte bei „Wer wird Millionär?“ – etwas bewirken können. Oder hochspezialisierter Inhalt gegen Geld im Netz.
In seinem derzeitigen Zustand jedenfalls liefert der Brockhaus keinen Grund, angesichts steigender Qualität kostenloser Inhalte im Web, für ihn Geld auszugeben.
Und nun? Soll eine werbefinanzierte Lexikon-Seite den Namen am Leben erhalten. Man darf darauf wetten, wie lang diese künstliche Beatmung durchhält. Denn es gibt auch weiterhin keinen Grund, diese Seite der Wikipedia vorzuziehen – es sei denn, man vertraut dem Lexikon 0.0 mehr als der Variante 2.0. Die Verbreitung von Wikipedia lässt aber darauf schließen, dass die Zahl derjenigen, die so denken, sinkt.
Brockhaus ist am Ende. Punkt. Einer der großen deutschen Markennamen sinkt darnieder als Mammut, das hinweggerafft wird von der Eiszeit. Und leider hat es niemand bemerkt.
Kommentare
stefano picco 12. Februar 2008 um 12:29
dazu fällt mir nur ein, haptik ade 🙁
Alex 12. Februar 2008 um 12:38
Wäre schade drum.
Mein Großvater hat noch ein Meyers Lexikon anno 1890 und schenkte mir vor einigen Jahren eine Brockhaus-Ausgabe. (Den ohne Chemnitu und ohne Karl-MArx-Stadt;-))
In seinem Meyers schaut er bis heute sehr gerne nach – es stellt einige Punkte detaillierter und viele mit einem ganz anderem Gesichtspunkt als heutige Lexika dar. Ich schmökere auch gerne im alten Meyers – so wie auch im Brockhaus.
Das Wissen wie auch die Sichtweise ändert sich – auch in Online-Medien wie Wikipedia. Nur lässt es sich hier wesentlich schlechter feststellen. Man kann zwar versuchen zu schauen, wie die Einstellung vor 100 Änderungen war – aber wird man das zukünftig auch 10 oder 50 Jahre zurückverfolgen können?
Hätte ich nicht einen recht aktuellen Brockhaus, wäre dieses ein guter Anlass, noch den letzten gedruckten großen Brockhaus zu kaufen.
Jochen Hoff 12. Februar 2008 um 12:40
Ich bin deutlich anderer Meinung und habe versucht das auch auszudrücken:
http://www.duckhome.de/tb/archives/1896-Falsche-Traenen-am-sehr-lebendigen-Leichnam.html
Robert 12. Februar 2008 um 13:00
grade im radio gehört:
brockhaus-online möchte sich dadurch auszeichnen, dass seine inhalte \“richtig und nicht manipulierbar\“ sind…
ich bin gespannt…
Weltenweiser 12. Februar 2008 um 13:25
Fairerweise sollte man darauf hinweisen, dass schon seit geraumer Zeit die Brockhaus-Version per USB-Stick mit allen 30 Bänden existiert und auch funktioniert, wenn keine Internetverbindung möglich ist.
Gerettet hat es den Brockhaus nicht und für die Zukunft sehe ich leider schwarz.
cut 12. Februar 2008 um 13:27
Puh, da muss man sich ja quasi die letzte Ausgabe zulegen. Schon aus rein sentimentalen Gründen. Ja, wäre Schade drum. Bemerkt habe ich den Niedergang allerdings auch nicht (gerade noch den Brockhaus in drei Bänden verschenkt).
dante 12. Februar 2008 um 14:12
Der Lösungen gibt es nur eine (wie bisher):
Brockhaus=Wissen gegen Geld. Auch im Internet!
Robert 12. Februar 2008 um 14:24
@dante:
dann ist brockhaus-online jetzt schon tot, denn:
wikipedia=wissen für lau!
dafür nimmt man dann ggf. auch ml die ein oder andere ungenauigkeit in kauf 😉
iztd 12. Februar 2008 um 14:28
Ich habe es erwartet und weiss nicht, ob ich einem \“altehrwürdigem Namen\“(o.ä.) überhaupt hinterhertrauern möchte. Warum sollte ich? Es ist toll, dass das Netz für eine wahnsinnige Erreichbarkeit von Wissen sorgt, Werke wie Brockhaus verkörpen in meinen Augen die Mentalität: Wissen ist Macht und nur für den, der Geld hat.
Es müssen nur noch die Wissenschaftsverlage auf breiter Basis umgangen werden, dann wird auch die allgemeine Erreichbarkeit von wissenschaftlich geprüftem Wissen kein Problem mehr darstellen.
Lukas 12. Februar 2008 um 15:02
Ich fänd\’s sehr schade, wenn es bald gar keine Print-Lexika mehr gäbe. So sehr ich die Wikipedia zur losen Recherche schätze: Es ist etwas völlig anderes, ob ich ständig aktualisierte Artikel abrufen kann oder in einem Buch blättere, dessen Inhalt einfach die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt porträtiert. Mit all diesen Überarbeitungen (auch in Form von Neu-Abmischungen von Schallplatten und überarbeiteten Film-Versionen) wird es irgendwann nur noch Gegenwart geben und keine Vergangenheit. Das fände ich schrecklich.
Prüfer 12. Februar 2008 um 15:17
@Lukas
keine Sorge, Platten gibts immer noch und Bücher werden auch noch ein paar hundert Jahre überstehen. Vielleicht kommt es sogar zu einer adversen Selektion: per Buch werden nur die \“guten\“, \“anspruchsvollen\“, \“auflagestarken\“ Titel veröffentlicht; die breite Masse geht ins Internet als \“IBook\“, weils weniger aufwendig ist. Aber vermutlich stochern die Marktforscher da auch noch im Nebel.
Franktireur 12. Februar 2008 um 16:27
Ich sehe das zwiegespalten – natürlich sind Lexika schnell veraltet heutzutage – bei bestimmten Themen, wo sich viel tut in kurzer zeit. Andererseits habe ich lexikalische werke und Nachschlagewerke aus den 50ern, 60ern und 70ern in den Regalen stehen (meist thematische), und da fällt mir immer häufiger auf, daß diese viel tiefgründiger sind als moderne Nachschlagewerke ab den 90ern. Mir gibt das zu denken. Ich sehe also weniger das Problem, daß keine Lexika mehr gedruckt werden, sondern eher das problem einer Verflachung des Wissens, ob gedruckt oder online ist dabei völlig irrelevant.
flokru 12. Februar 2008 um 16:51
Ist doch ideal. Online sind die Inhalte wenigstens für Copy & Paste einfach verfügbar. Da könnten sich für den Brockhaus-Verlag und seine Rechtsabteilung ganz neue Geschäftsfelder auftun.
sammy 12. Februar 2008 um 17:05
Es gibt noch einen Grund, die Klassischen Lexika WIkipedia vorzuziehen… leider…
Und zwar bei bsp. wissenschaftlichen Arbeiten an der Universität. Beispielsweise Bei BachelorArbeit oder Diplom-Arbeit oder ähnlichen Arbeiten… Internetquellen sind an den meisten Universitäten immernoch untersagt… Sogar im Informatik-Studium (ist bei mir der Fall).
xy 12. Februar 2008 um 17:41
Brockhaus stirbt nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern. Vor 5 Jahren war doch alles absehbar. Da haben die wohl geschaut was sie haben (einen Namen, Texte, eine teuere Redaktion) und haben einfach weitergemacht ohne sich ein neues Standbein zu schaffen (da es um die Rechtschreibreform ruhig geworden ist, sind die fetten Jahre beim Duden auch vorbei).
@sammy
Wer bei einer wissenschaftlichen Arbeit eine (allgemeine) Enzyklopädie zitiert hat den Schein nicht verdient.
Dr. Dean 12. Februar 2008 um 18:12
Ich glaube, ich werde mir irgendwann demnächst eine alte, historische Ausgabe des Brockhaus zulegen. Damit ich meinen Kindern einmal zeigen kann: Sowas hat es in meiner Jugend noch gegeben!
Nunja, und so richtig schlecht ist so ein Brockhaus ja eigentlich nicht. Jedenfalls, wenn man genügend Platz dafür hat. Manche Wikipedia-Artikel, besonders in umstrittenen Bereichen, sind enorm grenzwertig, und die gegenwärtige Wikipedia-Mode alles und jedes durch Zitate belegen zu wollen, macht auch Wikipedia schwerfällig und zu Insider-Veanstaltung mit abnehmender Attraktivität.
Es gibt viele Bereiche, wo sich Wikipedia als ausreichend zuverlässig erweist, aber mich gruselt es vor der Vorstellung, dass Wikipedia in Zukunft die zentrale lexikopädische Instanz darstellen soll. Was dann noch mehr \“Think Tanks\“, PR-Agenturen und Fanatiker auf den Plan rufen wird, welche große Teile von Wikipedia schon heute verunstalten.
Brockhaus tot? Wir haben ein Problem.
Michael 12. Februar 2008 um 18:27
Hm, also wenn ihr Angst habt, dass uns die Grundversorgung an lexikalischen Inhalten abhanden kommt, dann kenne ich da eine Lösung, die sich im Rundfunk bis vor einigen Jahren gut bewährt hat. 🙂
bssss 12. Februar 2008 um 18:55
spätestens jetzt lohnt es sich, die Sonderausgaben des Brockhaus als reine Wertanlage zu erwerben;)
Andreas Kunze 12. Februar 2008 um 21:22
In Österreich hat er wenigstens einen schönen Nachruf bekommen, http://diepresse.com/home/kultur/literatur/362560/index.do
pizzafrau 12. Februar 2008 um 22:55
Gerade dass es nicht wirklich bemerkt wird, heisst vermutlich, dass es auch niemanden interessiert und für niemanden mehr von Belang ist… Und für die Online-Ausgabe ist das auch schonmal kein gutes Zeichen, möchte ich meinen…
Christian 13. Februar 2008 um 0:03
Der Brockhaus ist schon mal Anfang der 90er mit dem Erscheinen der CD-Rom totgesagt worden, danach mit dem Erscheinen der DVD und dann noch mal vor gefühlten drei Jahren, als die mobilen Speichermedien den letzten Schub auf die 1+ Gigabyte-Ebene bekommen haben.
Wenngleich ich selbst nicht bereit bin, 3.000 Euro für einen Staubfänger auszugeben war das doch eine der wenigen Meldungen der letzten Tage, die mich richtig traurig und wehmütig gemacht haben. Hier steht der Duft von alten Büchern in Bibliotheken gegen die von mir als enorm aggressiv und besserwisserisch empfundende Atmosphäre auf Plattformen wie Wikipedia.
Jörg Friedrich 13. Februar 2008 um 8:49
Soweit ich den Artikel in der heutigen FAZ richtig in Erinnerung habe (online nur gegen Geld verfügbar) hat Brockhaus auch sehr erfolgreiche Produkte – es gibt ja nicht nur die Enzyklopädie.
Die Frage ist doch, ob die Wissensgesellschaft auch ein konservatives, langsames aber auch dauerhaftes Element braucht, wie es das gedruckte Buch nun einmal ist, und wie es die FAZ ja letztens auch für die Tageszeitung reklamiert hat. Aber auch soetwas ist natürlich online realisierbar.
tiefkultur 13. Februar 2008 um 10:43
Jammern hilft da wohl genau so wenig wie hämisch \’die Zeichen der Zeit nicht erkannt\‘ skandieren. Gerade bricht ein ganzer Zweig des ehemals klassischen Broterwerbs weg, nämlich der schreibende. Ich denke, da ist auch die Politik gefragt. Hier ein Anstoß:
http://tiefkultur.de/2008-02-13/internet-und-grundeinkommen-zusammengedacht/
BlauerEisbergimSonnenlicht 13. Februar 2008 um 11:39
Natürlich geht mit dem Wegfall der Druckausgabe eine Ära zu Ende und natürlich entfällt damit die Möglichkeit, einfach nur mal so in einem Nachschlagewerk zu stöbern. Aber, machen wir uns nichts vor: die Schülerinnen und Schüler recherchieren heute nur noch im Internet.
Wichtig ist für mich, dass der Brockhaus als Informationsmedium erhalten bleibt, denn im Gegensatz zu Wikipedia sind seine Beiträge namentlich gekennzeichnet, man kann damit die Profession des Autors nachvollziehen und sie sind in wissenschaftlichen Arbeiten zitierbar.
crucible 13. Februar 2008 um 12:02
Bin auch gespannt was da kommt.
Verlagsberater 13. Februar 2008 um 12:31
Die wissenschaftliche Zitierbarkeit eines Brockhaus ist genauso zweifelhaft wie die von gängigen Online-Lexika. Wikipedia ist von seinem Grundsatz her ein schönes Projekt. Die Wirklichkeit hat den Willen nach einer Weltenzyklopädie jedoch rasch eingeholt. Die Qualität der Beiträge ist großteils einfach schlecht. Das Problem der renommierten Lexikonverlage ist schlicht ihre Größe und die mangelnde Flexibilität. Es ist heutzutage aus Sicht der Verlage leider möglich aus dem Nichts eine werbefinanzierte Lexikon- oder Wörterbuch-Plattform zu kreieren. Auf diese Herausforderung konnten und wollten die Verlage nicht reagieren. Es wäre auch schlicht Unsinn gewesen mit Wikipedia oder leo im selben Segment konkurrieren zu wollen. Der Einfallsreichtum für ein Geschäftsmodell, das den Content auch digital/ elektronisch verwertbar machte, ist nicht nur bei Lexikon-/ Wörterbuch-Verlagen sehr gering. Kaum eine Branche dieses Planeten ist so konservativ, so um sich selbst kreisend und so wenig offen für äußere Einflüsse wie die Buchverlagsbranche. Bei den Verlegern und vielmehr den Geschäftsführern schimmert in den Strategieplanungen nicht im Entferntesten der Wille nach Beratung durch. Ich musste das als Berater in diesem Segment resignierend zur Kenntnis nehmen.
Achja, der Name Brockhaus wird nicht sterben. Seit längerem betreibt man dort Grundlagenforschung im Bereich von Spracherkennung und -verarbeitung. Vielleicht schafft man es sich in diesem Bereich profitabel zu etablieren, um eines Tages doch noch durch die Hintertür wieder ins Geschäft zu kommen. Möglichkeiten dafür gäbe es noch…
Orlando 13. Februar 2008 um 12:32
Und das alles ausgerechnet mit einer ehemaligen Redaktionsleiterin von Brigitte.de und YoungMiss.de als neue Chefredakteurin an der Spitze. Oh Brockhaus, wie tief bist Du gesunken!?
Kommentar schreiben
Körnerbrötchen 13. Februar 2008 um 12:59
Hmmm…
Wikipedia ist keineswegs werbefinanziert … sondern finanziert sich durch Spenden und ehrenamtliche Tätigkeiten.
Noch lebt der Brockhaus. Noch ist er nicht tot. Und vielleicht bekommt Wikipedia ja neue Konkurrenz? Dem Brockhaus stehen auf jeden Fall nicht solche Hindernisse wie die GFDL im Wege wenn es darum geht neue Möglichkeiten und Features in ihr Lexikon einzubinden.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 13:17
Ich glaube, dass Wikipedia werbefinanziert ist, hat niemand behauptet, oder?
bittner 13. Februar 2008 um 14:33
Knüwer schrieb: \“Am heutigen Tag ist den Medien, ja, auch uns beim gedruckten Handelsblatt, eine Meldung durchgegangen, die eine fette Schlagzeile wert gewesen wäre: Der Brockhaus stirbt.\“
Na ja, muß ja auch nicht immer gleich kurzatmige Schlagzeilerei sein. Noch ist die Blogging-Hektik ja nicht überall. Ich nehme an, Sie haben einen Blick auf die heutige FTD geworfen. Und auf das Stück \“Wissen war Macht\“ in der FTD-Agenda.
Also, einfach mal gelassen bleiben.
Robert 13. Februar 2008 um 15:09
@bittner:
ich wette, die ftd hat hier mitgelesen 😉
C 13. Februar 2008 um 16:29
Nun, einerseits ist das Ende des Brockhauses als Festmeter Regalpapier ein Verlust – Er funktioniert ohne Strom, enthält komprimiertes Wissen in handhabberer Form – allerdings ist die Beschränkung auf das Medium \“Buch\“ ein gewaltiger Klotz am Bein – ein Artikel im Brockhaus ist extrem knapp, verkürzt und verleiht einem gerade einmal einen Überblick über ein Thema – Ausführliche Artikel wie http://de.wikipedia.org/wiki/Apollo_8 sind in diesem Korsett nicht möglich – mein Brockhaus in 15 Bänden enthällt gerade einmal einen 3 Absätze langen Artikel zu allen Mondmissionen. Hoffen wir das die Redaktion das neue Medium als Chance begreift, in dieser Hinsicht ist Wikipedia meilenweit vorraus.
deejay 13. Februar 2008 um 19:58
Auch ich habe den Abgesang auf den schon sterbend geglaubten Brockhaus mit Erschrecken zur Kenntnis genommen. Zwar besitze ich selbst keines der genannten Brockhauswerke, sondern nutze viel mehr öffentlich zugängliche gedruckte Werke in Bibliotheken oder verlässliche Internetquellen, wozu ich Wikipedia trotz oder gerade wegen des basisdemokratischen Grundgedankens (\“Jeder darf mitmachen\“) nicht zähle und daher selten nutze. Es gibt genügend andere gedruckte und digitale Quellen, die genau so verlässlich oder im digitalen Falle besser weiter zu verarbeiten sind und mehr oder weniger sinnvoll multimedial (Der Mensch lebt nicht vom Buchstaben allein!). Die Mischung macht\’s!
Die von einem Vorredner beschriebene Schwerfälligkeit des Brockhausdampfers, der zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, gibt mir zu denken.
Michael 13. Februar 2008 um 20:36
Wurde die Nature-Studie eigentlich mal widerlegt, oder weshalb scheint es Common Sense zu sein, dass die Wikipedia schlechter ist als herkömmliche Lexika?
Michael 13. Februar 2008 um 20:37
*grmpf* keine HTML-Codes erlaubt… Also hier ein paar Worte zur Studie: http://www.golem.de/0512/42221.html (kennt aber eigentlich jeder, denke ich)
HaeB 14. Februar 2008 um 0:36
Michael: Warum das eine verbreitete Meinung ist? Ich vermute, weil sich nur sehr wenige die Mühe machen, systematisch zu vergleichen. Stattdessen wird das uralte Argument \“Das KANN doch gar nicht funktionieren\“, das die Wikipedia schon seit ihrer Gründung begleitet, immer weiter wiederholt, ohne es seriös zu begründen.
Schon die Anzahl derjenigen, die direkten Zugang zur aktuellen Auflage haben (gedruckt oder digital), ist nur ein Bruchteil der Zahl der Wikipedia-Nutzer; und wie viele der stolzen Brockhaus-Besitzer haben die Zeit und die Sachkenntnisse, eine umfassende, unvereingenommene Bewertung durchzuführen? Ersteres wird sich ja nun zum Glück ändern.
Hinzu kommt, dass die meisten diese Meinungen sich an Einzelbeispielen aufhängen. Der schlechteste Wikipedia-Artikel wird immer schlechter als der schlechteste Brockhaus-Artikel sein. Aber der durchschnittliche Wikipedia-Artikel ist jetzt bereits deutlich besser als sein Brockhaus-Pendant – sofern dieses überhaupt existiert, was oft nicht der Fall ist.
Oben noch gar nicht erwähnt ist der Vergleichstest, den ein Forschungsinstitut im Auftrag des STERN erstellte, und der Wikipedia als zuverlässiger, aktueller und vollständiger als die Online-Ausgabe des 15bändigen Brockhaus erachtete. (Nur bei der Laienverständlichkeit lag Brockhaus vorne.)
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wikipedistik/Vergleiche/Stern_2007
Man kann durchaus spekulieren, ob der Schock dieses Tests bei der Entscheidung eine Rolle spielte. Vgl.
http://isbn.mathias-schindler.de/?p=29
Frühere systematische Vergleichstest der ZEIT und der Computerzeitschrift c\’t waren ebenfalls recht vorteilhaft für Wikipedia ausgefallen, wenn auch noch nicht so eindeutig.
Einen umfassenden Überblick über Einzelmeinungen und fundiertere Vergleichstests gibt
http://en.wikipedia.org/wiki/Reliability_of_Wikipedia
Orlando 14. Februar 2008 um 1:12
Habt ihr eigentlich schon mitbekommen, dass Wikipedia seit gestern in das neue Spiegel-Portal spiegel.wissen.de eingebunden ist?
Spiegel Online will mit Lexika offenbar möglichst viel Traffic generieren, um an Werbekunden zu kommen. Aber abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, wie sich ein Privatunternehmen ein Open-Source-Produkt aneignen kann: Wenn die Wikipedia für kommerzielle Zwecke genützt wird, müssten doch eigentlich auch die Wiki-Autoren nach meinem Dafürhalten nachträglich eine Vegütung erhalten. Oder sehe ich das falsch?
iztd 14. Februar 2008 um 2:18
@Dr. Dean
@Christian
Es ist nicht das Ende von Bibliotheken und es ist nicht das Ende von Fachbüchern.
Es ist auch nicht so, als ob der Inhalt des Brockhaus jetzt verloren wäre, oder niemand mehr da wäre, der das Wissen aufschriebe und zugänglich mache. Es nur das Ende einer großen Sammlung von Kurzinfos.
DocTotte 14. Februar 2008 um 8:10
\“Einer der großen deutschen Markennamen sinkt darnieder als Mammut, das hinweggerafft wird von der Eiszeit.\“
Die Mamuts sind kaum von der Eiszeit hinweggerafft worden, eher im Gegenteil. Da gibt es also gleich einen Grund, warum Du einen Blick in ein Lexikon werfen solltest, egal ob gedruckt oder online. Ich persönlich bevorzuge beide Varianten je nach Situation. Ein Buch braucht eben keinen Strom und ist insofern oft unabhängiger.
Thomas Knüwer 14. Februar 2008 um 9:35
@bittner: Die \“FTD\“ hat uns in der Tat alle überrascht mit dieser Geschichte. Denn sie anderthalb Tage, nachdem sie öffentlich wurde, zum Zeitungsaufmacher zu machen – so was bringt sonst nur die \“FAZ\“ fertig…
Uli 14. Februar 2008 um 12:15
Es ging schon vor vielen Jahren bergab, als \“Meyers Enzyklopädie\“ von Brockhaus geschluckt wurde. Meyers Enzyklopädie hatte zumindest noch 100 Beiträge von Nobelpreisträgern (und ähnlich kompetenten Leuten).
Und Brockhaus blieb beim A-Z stehen.
So liebe ich nach wie vor die Encyclopaedia Britannica. Drei verschiedene Lexika in einem, oder
besser: Von einem einführenden Überblicksbuch bis hin zu Monographien die man für ein Diplom oder einen Master brauchen kann.
Die jährliche Neuauflage halte ich für etwas übertrieben; aber die \“On-line Offensive\“ in Form von CD- und DVD- Ausgaben und \“Internet Anschluß\“ gibt es dort schon lange – übrigens zu WESENTLICH günstigeren Konditionen als bei Brockhaus (elektronischer Brockhaus 3.000 Euro, EB unter 100!)
Oder erinnert sich noch jemand an das \“Fischer Lexikon\“? Es waren zwar nur Taschenbücher schlechter Papierqualität, aber viele der ca. dreißig Themenbände habe ich noch heute, und lese(!)
in ihnen auch heute noch gerne.
Apropos Fischer Lexikon: \“Internet\“ ist wirklich keine Idee mehr; aber die GEO Themenlexika!
Und wie wäre es, ein neues gutes \“großes\“ Lexikon
heraus zu bringen, und zeitgleich eine (große) Taschenbuchauflage? Von der EB gibt es auch immer zwei Versionen (wenn auch leider kein paperback).
Kurz: Hoffentlich verschwindet der ebenso einfallslose wie völlig überteuerte Brockhaus tatsächlich in der Versenkung (Druck & On-line);
so schade wie um den \“Meyer\“ ist es keinesfalls.
Haigol 14. Februar 2008 um 13:05
Als ich vor zwei Jahren an einem Buch über die Entwicklung von Schreiben und Lesen von den ersten Anfängen bis in die Gegenwart arbeitete, lief es mir mehr als einmal eiskalt den Rücken herunter: Bei meiner Material-Recherche kam ich gar nicht umhin, zu googeln – und das immer öfter. Man kommt gar nicht um die Frage herum: Wie wird das mit dem Buchhandel in gar nicht langer Zeit aussehen? Dabei leben wir (immer noch) so vor uns hin, als sei noch gar nichts, oder wengstens nicht besonders viel passiert. Die Wirklichkeit ist: Es ist viel mehr längst passiert, ohne dass wir uns dessen bewusst geworden sind. Schneller, billiger, vielseitiger, das ist die Wirklichkeit des Web! Und die Zeiten der großen Lexika – sie sind vorbei, längst bevor wir uns dessen bewusst geworden sind.
Vielleicht wäre dies ja auch kein so großer Verlust, denn für Nachschub und Ersatz ist ja reichlich gesorgt. Scheinbar. Denn für die Auskünfte, die uns NUR ein Nachschlagewerk früherer Generationen bietet und die ein jeweils unvergleichbares Zeitbild darstellen, gibt es – bislang jedenfalls – keinen Ersatz. Ich habe sie mir im Laufe der Jahre nach und nach alle zugelegt, wie sie – Generation auf Generation – ein unvergleichliches Bild des Wissens von früher darstellen. Und das, fürchte ich, wird es dann nicht mehr geben. Wer wird in 50 oder 100 Jahren nachlesen können, wie die Welt mit den Augen der Menschen des Jahres 2008 ausgesehen hat.
Es hat auch nichts genützt, dass Ernst Jünger einst seine ZEITMAUER schrieb. Es ist unheimlicher als der unheimlichste Thriller sich auszudenken vermag, mit welcher Rasanz die Weiterentwicklung ihre Veränderungen in rasendem Tempo uns längst überholt hat – und nur manchmal merkt man, dass längst nahezu alles sich verändert (hat). Aber das Unheimlichste daran ist, dass der Mensch selbst unverändert geblieben ist – mit seinen köperlichen und seelischen Funktionen genau genommen noch immer irgendwie steinzeitlich.
Fragt sich nur, was mit uns geschieht, wenn wir das alles, zunächst vermutlich stückweise, zu begreifen beginnen. Der Brockhaus stirbt… wie nennt man diese Krankheit, ist sie ansteckend? Heilbar? Hat sie auch uns selbst längst erfasst? Kann man, soll man sie behandeln? Aber wie?
Auch in vielerlei anderer Hinsicht ergreift uns dunkel das unbeschreibbare Gefühl, dass vieles, vielleicht sogar alles längst krank ist… Ob man daran stirbt wie der Brockhaus?
Der Brockhaus stirbt und was alles noch?
PS. Inwischen weiß ich, dass das Buch, wovon ich letztes Jahr überzeugt war, ich sei nun fertig damit, an sehr vielen Stellen nochmals umgeschrieben werden muss. Ob es jemals fertig wird?
Brockhaus-Fan 19. Februar 2008 um 22:28
Der Vorteil geben über Wikipedia sind ja auch die geprüften Inhalte. Bei Wikipedia kann ja eigentlich jeder schreiben.
Die Brockhaus-Bücher waren auch einfach zu unaktuell. Im Internet kann man die immer gleich updaten. Ein riesen Vorteil.
Trotzdem ist es schon etwas traurig, dass die Bücher ganz eingestellt werden. Eine kleine exklusive Auflage sollte man vielleicht aufrechterhalten..
Lisa B. 17. März 2008 um 14:20
Auch mein Großvater hat die komplette Auflage des Brockhaus in seinem Arbeitszimmer stehen. Ich muss sagen: Es sieht sehr beeindruckend aus. Ich mag diese Bücher. Ich bin zwar erst 15 Jahre alt, doch finde ich, dass man in Büchern oft bessere Infromationen findet, als im Internet. Oft ist es auch so, dass die Internetverbindung nicht das tut, was man will oder der ganze Computer hängt. Warum nicht aufstehen und im Lexikon schauen? Auf em Weg zum gesuchten Wort stolpert man über alles Mögliche und bildet sich doch irgendwie auch weiter oder nicht?
Natürlich ist Wikipedia nützlich, aber in der Schule wird auch ausdrücklich gesagt, dass man mehr in büchern nachschauen soll, da Wikipedia nicht immer die gewünschten Informationen liefert.
Meiner Meinung nach ist das Lexikon, also der Brockhaus, weitaus informativer. Ich finde es schade, dass er bald aussterben soll…
Alexander P. 3. Februar 2009 um 14:33
Ich bin 15 und habe einen 3er-Brockhaus zu Hause.
Ich muss zugeben, meistens schaue ich zu Erst in Wikipedia rein. Doch da sind die Artikel doch oft viel zu lang, – und Fachbegriffe werden verwendet, das glaubt man nicht… . Und die äußere Aufmachung von Wikipedia ist ebenfalls nicht sehr ansprechend. Wenn ich dann einen Brockhaus in den Händen halte, sehe ich einfach die Qualität der Artikel. Im Brockhaus findet man zwar nicht alles, aber das was man finden muss. Das Internet ist eine Bereicherung für alle, allerdings nicht nur die einzige Möglichkeit an Informationen zu kommen!
avettagsweatt 15. Juli 2009 um 16:46
Billiards, pool
Croatia Service
Netzwert Reloaded (III): Der Bär im Mann 14. September 2010 um 14:43
[…] Vier Monate später, am 15. Januar 2001, startete Wikipedia. Am 11. Februar 2008 kündigt Brockhaus an, sein gedrucktes Lexikon nicht mehr zu aktualisieren. […]