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Es war ein aufschlussreiches Wochenende im Verhältnis deutscher Journalisten zum Internet. Beteiligte: „FAS“, „SZ“ und Umberto Eco. Einfach so steht es da: „Liest man den Artikel der Internet-Enzyklopädie Wikipedia über PC, wie „politisch korrekt“ inzwischen auch bei uns abgekürzt wird…“

Und später:
„Im Internet habe ich eine lange Diskussion über die Frage gefunden, wie der Satz „Der Feuerwehrmann hat eine Leiter an den Baum gelehnt, ist hinaufgestiegen und hat die Katze heruntergeholt“ ins PC übersetzt werden kann.“

Wenn das der Herr Graff sieht. Sie wissen schon, jener Sueddeutsche.de-Vize, der sich am Samstag im gedruckten Blatt ausgelassen hat über die neuen Idiotae da im Internet. Da lässt sich doch einen Tag später ein Autor in der „Frankfurter Allgemeinen am Sonntag“ aus über politische Korrektheit – und wählt als Definitionsgrundlage Wikipedia. Ein Skandal! Und dann zitiert er auch noch eine Diskussion dieser Idiotae. Na gut, wird Herr Graff vielleicht denken, die „FAS“ ist ja für viele „FAZ“-Leser so eine Art „Bild“ mit Anspruch, der Kotau des Verlages vor dem Massengeschmack.

Und ohnehin kann doch jener Artikel, genaugenommen ist es ein Essay, mit der Überschrift „Funktionär der Rinderkontrolle“ nur durchgerutscht sein. Sind ja derzeit viele Anzeigen im Blatt, das pumpt den Umfang auf, da muss der Blattmacher nehmen, was er kriegen kann.

Auf der Medienseite wird das Bild zurecht gerückt. Dort gab es gestern einen Artikel über die sechsstündige Phase, in der Susanne Fröhlich laut Wikipedia „Emma“-Chefin war. Vielleicht waren es die Nachtstunden, aber das ahne ich nur, der Autor verrät es uns auch nicht. Und eigentlich hätte er auch ein schönes Stück schreiben können, sein letzter Absatz nämlich handelt von einer Wikipedia, die nicht die Realität einsammelt – sondern unsere Wünsche. Eine schöne Idee, der die „FAS“ keine Raum gab. Stattdessen wird elendig lang erzählt, wie es zu diesem Fehler kommen konnte. Böse grinsend wird eingeschoben: „Tags zuvor erst hatte der „Stern“ die Online-Enzyklopädie mit einer Titelstory geadelt und ihr bescheinigt, sie lasse den Brockhaus „alt aussehen“.“

Danach heißt es: „Nun also waren die Nachrichtenagenturen dran, die von der Personalie noch nichts wussten. Längst wird ja Wikipedia auch als Nachrichtenquelle genutzt: Den Tod Karlheinz Stockhausens meldete die erste Agentur am Freitag um 18.18 Uhr. Schon um 18 Uhr hatte Wikipedia den Stockhausen-Eintrag um den Tod des Komponisten ergänzt. Zum zweiten Mal an diesem Tag triumphierten die flinken Wiki-Wiesel über die Lohnschreiber.“

Etwas konfus, erscheint mir. Denn zunächst einmal finde ich keine Nachrichtenagentur, die jene Fröhlich-Meldung übernommen hätte. Und in Sachen Stockhausen stellt sich die Frage, ob ausländische Agenturen nicht schneller waren. Die Änderung an Wikipedia zumindest kam aus Belgien, was aber auch sehr nah an Stockhausens Wohnort liegt.

Aber egal. Wichtig ist nur: Eine eigentlich schöne Artikelidee wurde aufgegeben zu Gunsten des immer gleichen „Im Netz steht nur Falsches“-Lamento. Und damit wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, wo die Redaktion der „FAS“ steht, die wahren, aufrechten Journalisten. Denn jenes Stück über politische Korrektheit, das so unbefangen mit Quellen aus dem Netz umgeht, das stammmt nicht von einem Journalisten, sondern von einem Wissenschaftler. Sein Name ist Umberto Eco. Wie können ihn manchenur für einen der klügsten Menschen unserer Zeit halten? Die „FAS“ offenbarte, was er wirklich ist: ein Idiot!

Ach, und übrigens: Das Essay von Eco entstammt seinem Buch „Im Krebsgang voran“. Deshalb steht unter dem Abdruck auch das Copyright des Hanser Verlags. Das hindert die „FAS“ nicht dran, den Artikel für zwei Euro weiterzuverkaufen. Aber ich bin mir sicher, das geschieht in Absprache mit Hanser:


Kommentare


mju 10. Dezember 2007 um 11:24

Die Quellen für 5min + 6h Susanne Fröhlich als Emma-Chefin in der Wikipedia finden sich … in der Wikipedia, als Reaktion auf den FAZ.NET Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Emma_%28Zeitschrift%29#FAZ.net_Artikel_.C3.BCber_diesen_Artikel

Oder anders gesagt: Im Emma-Artikel hat die Änderung nur 5 Minuten überlebt, im Artikel über Susanne Fröhlich 6 Stunden, von 10:08 bis 16:18.

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martin 10. Dezember 2007 um 19:19

nun, auf meinen eco (der ja auch linguist ist, und von daher den feuerwehrmann-satz interessant finden muss) lass ich nix kommen. ich finde die bezeichnung \“idiot\“ ein wenig harsch für jemanden seiner qualität, aber geschmäcker sind ja verschieden. den erwähnten artikel will ich nicht lesen – sehe nicht ein, 2 euro zu zahlen für den artikel einer zeitung, der bereits veröffentlicht wurde.

zum thema lamento \“im netz steht nur falsches\“: das gegenteil ist aber auch nicht richtig. und warum sollte im netz \“richtigeres\“ stehen, wo doch selbst die journaille weder im netz noch außerhalb des netzes es schafft, stets richtiges zu schreiben/machen?

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check 11. Dezember 2007 um 0:16

Die Formulierung der Idiot geht auch in meinen Augen etwas zu weit…

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Björn Eichstädt – Storyblogger 11. Dezember 2007 um 8:38

Die Bezeichnung \“Idiot\“ war glaube ich \“ironisch\“. Denn Eco hat ja positiv über das Internet geschrieben…

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Thomas Knüwer 11. Dezember 2007 um 10:37

Oh Gott, hat wirklich jemand ernsthaft geglaubt, ich würde Eco beleidigen? Langsam glaube ich, unser ehemaliger Chefredakteur Rainer Nahrendorf hat doch Recht: \“Ironie versteht der Leser nicht.\“

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Ecki 11. Dezember 2007 um 11:52

Bezog sich Ecco denn auf die englisch-, deutsch- oder die italienischsprachige Wikipedia?

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martin 11. Dezember 2007 um 17:44

\“Ironie versteht der Leser nicht.\“

nun, ich will ja niemandem zu nahe treten, aber wenn es in einem dialog (oder auch einem artikel) einen gibt, der den anderen nicht versteht, ist entweder der eine zu doof, oder der andere.

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Rebecca F 11. Dezember 2007 um 18:42

Erst mal lernen, \“dass\“ und \“das\“ richtig zu setzen, bevor man jemanden einen Idioten nennt. Ganz egal, ob das ironisch oder nicht ironisch gemeint ist. Herr Knüwer.

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The Stig 11. Dezember 2007 um 20:27

Ich lese hier in letzter Zeit häufig Kommentare, die sich mit der Form der Einträge anstelle des Inhalts auseinandersetzen. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass den Lesern zum Inhalt nichts einfällt. Mir zumindest war nicht bewusst, dass man die deutsche Orthografie, Grammatik und Interpunktion 100%ig beherrschen muss, um seine Meinung äußern zu dürfen. Wenn dem so wäre, würde auch ein großere Teil der Kommentare hinfällig.

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Yetused 11. Dezember 2007 um 20:53

Hihihi. Bei den Kommentatoren hier schlägt wahrscheinlich die obens erwähnte PC zu.

Ansonsten würde man den Graff-Bezug bei \“Idiot\“ erkennen…

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Thomas Knüwer 12. Dezember 2007 um 0:37

Vielleicht wird das hier jetzt das Streiklokal der Sueddeutsche.de-Leser?
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/leserstreik-bei-sueddeutschede/

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Nahr Ibert 19. April 2010 um 9:39

Als ich anfing, die Kommentare zu lesen, hatte ich kurz die Befürchtung, ich hätte den Artikel falsch verstanden.
Der Absatz macht eigtl. schon recht deutlich, dass der Autor den Wissenschaftler nicht unbedingt für einen Iditionen hält. Immerhin hat es die FAS ja rechtzeitig erkannt…(Das war übrigens Ironie, nur so zur Sicherheit)

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Re-publica bei FAS und SZ 20. April 2010 um 9:22

[…] Wenn zum Beispiel jemand ein Technik-Blog aufmacht und damit seinen Lebensunterhalt verdient, dann ist er kein Blogger. Das sagt die „Süddeutsche Zeitung“, die Postille der „Neuen Idiotae“: […]

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