Was heute durch die Schlagzeilen rollt, hätte mein journalistischer Lehr-Herr Ferdinand Simoneit wahrscheinlich kommentiert mit „Es muss ja nicht wahr sein, es muss nur schön sein“ – und das hätte er natürlich ironisch gemeint.
Doch scheint es, dieser Satz Simoneits ist bei zu vielen Medienhäusern heute ein Leit-Satz, der über jeden Türrahmen getackert wurde.
Zahlreiche Redaktionen melden, Portugals Fußball-Star Cristiano Ronaldo hätte die Aktie von Coca-Cola sinken lassen, Milliarden seien deshalb verloren. Das allein zeigt ja schon ein Unverständnis gegenüber der Funktionsweise der Börse, denn verloren wäre das Geld nur, hätten die Anteilseigner gestern alle ihre Aktien verkauft.
Grund für den Kursverfall: Ronaldo hatte in der Pressekonferenz nach dem EM-Spiel gegen Ungarn eine Coke-Flasche zu Gunsten von Wasser beiseite gestellt und empfohlen, Wasser zu trinken.
Tatsächlich ist der Kurs von Coke am gleichen Tag im tiefsten Moment laut der „FAZ“ um 44 Cent gesunken. Und schon dieses ja eigentlich wirtschaftstechnisch gut beleumundete Blatt versteckt sein Runterkochen des Themas im letzten Drittel des Artikels: „Der Wertverlust klingt nach sehr viel, ist aber ein übliches Volumen mit Blick auf die Aktie eines Großunternehmens wie Coca Cola.“
Warum dann diese Story überhaupt machen?
Und WENN redakteurIn sie dann macht, wäre doch ein Mindestmaß an Recherche eine hübsche Sache, oder?
Immerhin scheint das „Handelsblatt“ dazu in der Lage:
Denn tatsächlich hat der Aktienkurs gar nicht auf Ronaldo reagiert, oder bestenfalls minimalst. Jener Tag war nämlich auch der Ex-Div-Tag für Coca-Cola.
Das bedeutet: Es war der Tag, an dem die Dividende (in dem Fall die Quartalsdividende) ausgezahlt wurde. An solch einem Tag sinkt der Kurs für einen Tag um diesen Auszahlungsbetrag, denn das Unternehmen ist (simpel gesprochen) so viel weniger wert – es zahlt das Geld ja aus. Natürlich kommt das nicht genau hin, denn die Aktie wird ja weiter gehandelt und somit kann es Einflüsse geben.
Doch ist die Höhe jenes angeblich von Ronaldo verursachten Einbruchs im Vergleich zur Dividende einigermaßen aufschlussreich.
Die Aktie verlor im negativsten Moment 44 Cent.
Die Quartalsdividende betrug: 42 Cent.
Immerhin können wir uns einer Sache sicher sein: Auch dies wird bei deutschen Redaktionen nicht zu Entschuldigungen, Korrekturen oder ähnlichem führen.
Dazu ist die Geschichte zu schön. Und wahr, das muss sie ja nun echt nicht sein.
Nachtrag vom 17.6.: „Horizont“ hat sich korrigiert – gute Arbeit!
Nachtrag II: Auch „Meedia“ hat den Text verändert – zumindest in der Medienfachdienstbranche besteht also Hoffnung.
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