Ich habe eine Information für Sie, die Sie möglicherweise überraschen wird: Google hat nur noch drei Jahre zu leben. 2017 ist Sense. Aus. Vorbei.
So vorhergesagt hat es im Jahr 2007 der Kölner Verleger Christian DuMont Schütte. In einem Interview mit der „FAZ“ sagte er damals:
„An meinem fünfzigsten Geburtstag im Frühjahr habe ich die These aufgestellt: In zehn Jahren ist Google tot. Ich habe in der Tat die Hoffnung, dass das, was sich jetzt im Markt befindet, übermorgen nicht mehr existiert. Die ersten Anzeichen dafür sehen Sie schon: die Ebay-Euphorie ist vorbei. Der Lebenszyklus der Internet-Ideen ist sowohl technisch wie inhaltlich ganz anders als bei herkömmlichen Unternehmen in der Old Economy. Dieser Nachteil hat den Vorteil, dass der Markt mit neuen Ideen immer wieder neu erobert werden kann.“
Weiter gestand er ein:
„Wir müssen erkennen, dass die Vertriebsform Print für die junge Zielgruppe nicht funktioniert. Sie geht nicht zum Kiosk und zahlt für Informationen.“
Sieben Jahre später hat sein Verlag eine desolate Bilanz für 2012 vorgelegt und seine Eigenkapitalquote auf magere 10,5 Prozent geschrumpft.
Es ist zu begüßen, dass DuMont trotzdem ein neues Projekt an den Start bringt. Doch es klingt wie eine Geschichte aus Stromberg, was da kommt. Nochmal zusammengefasst: Google dürfte bis 2017 nicht verschwinden, junge Zielgruppen sind über Print nicht zu erreichen.
Preisfrage: Was macht DuMont Schauberg?
Eine Tageszeitung für junge Leute.
Ne, das ist kein Scherz.
„Xtra“ heißt das Produkt und es handelt sich um eine Nachmittagszeitung. „Xtra‘ will junge Leser zwischen 19 und 39 Jahren ansprechen und sie mit Kölner Themen begeistern, die wirklich für sie relevant sind“, zitiert DWDL den zuständigen „Express“-Chefredakteur Carsten Fiedler. Die Dummy-Ausgabe zeigt so relevante Kölner Themen wie „Kleine Läden gegen Amazon“ oder „Jogi, wer knipst gleich gegen Irland?“.
Und natürlich soll die Ästhetik der digitalen Welt auch auf Papier stattfinden, gerade so, als sei das jemals von Erfolg gekrönt gewesen. Allein die grundsätzliche Idee macht schon Kopf schütteln: Schließlich ist die Ästhetik des Web maßgeblich beschränkt durch technische Limitationen, die Zeitungen nicht haben. Zeitungen könnten also das optisch leserfreundlichere Medium sein. Ein Print-Medium mit der Ästhetik des Web ist das Gegenstück zur „Online-Zeitung“, die nur einmal täglich aktualisiert wird.
Besonders bemerkenswert wird es , wenn die Werbung für „Xtra“ die Zielgruppe auch noch beschimpft. Der Slogan „Kölns erste Morgenzeitung für Studenten“ erinnert nicht nur an den Uralt-Witz von WDR-Moderator Claus-Dieter Haller „Guten Tag, liebe Hörer. Guten Morgen, liebe Studenten.“ Nein, angesichts der Unzufriedenheit vieler Studenten über ihre zugeballerten Stundenpläne zeugt diese Werbung vor allem von der großen Distanz zu denen, die erreicht werden soll.
Zurecht erinnert sich der Branchendienst Meedia daran, dass während der New Economy DuMont ein deckungsgleiches Projekt auflegte: „Köln Extra“, „Kölner Morgen“, damals eine Zeitung für die „Generation SMS“. Wenn also demnächst in Medien wieder von einer Blasenbildung wie zu Dotcom-Zeiten die Schreibe ist, dreht es sich vielleicht nicht um das Internet – sondern die Print-Branche.
„Köln Extra“ existierte übrigens 17 Monate. Heut in 17 Monaten ist das Frühjahr 2016. Und wir dürfen gespannt sein, ob DuMont Schauberg dann noch existiert.
Foto: DuMont Schauberg
Nachtrag vom 27. März 2015: Das ging ja noch schneller als gedacht – nach nur einem halben Jahr verabschiedet sich „Xtra“ wieder vom Markt.
Kommentare
Die Tageszeitung und ihre letzte Chance | JakBlog 20. Oktober 2014 um 21:16
[…] Ungewollt hat übrigens Dumont in Köln den Beleg dafür angetreten, dass die Branche das inzwischen Begriffen hat: Auf die Ankündigung, demnächst eine Nachmittagszeitung zu machen, die sich irgendwie an der Ästhetik des Netzes orientiert, hat es bisher bestenfalls milden Spott gegeben. […]
Stefan Winterbauer 20. Oktober 2014 um 21:31
Hinweis: Köln extra kam nicht von Dumont, sondern von Springer. Das Dumont Blättchen im sog. Zeitungskrieg von Köln gegen Schibsteds 20 Minuten war Kölner Morgen. Eigentl. So steht es auch korrekt bei Meedia.
Thomas Knüwer 20. Oktober 2014 um 22:49
Danke für den Hinweis – ist korrigiert!
Matthias Morr 20. Oktober 2014 um 22:32
Der Claus-Dieter war in diesem Fall ein Klaus Jürgen… http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Jürgen_Haller
Tim 21. Oktober 2014 um 7:33
Ich frage mich, wie so etwas passieren kann. Verlagsmanager sitzen in Meetings zusammen und kommen dann ernsthaft auf diese Idee?
Peter Haas 21. Oktober 2014 um 8:29
„Köln Extra“ steht auch im letzten Absatz noch drin… Und das jähe Ende der kostenlosen Morgenzeitungen, die auf den Straßen- und U-Bahnsteigen verteilt wurden, lag nicht an deren Misserfolg, sondern am erfolgreichen Abwehrkampf von Dumont und Springer gegen Schibsted. Man wollte gar keine Kostenlos-Zeitungen, deshalb hat man den Markt damit zugeschüttet, bis der Angreifer aus Norwegen aufgab. Aber zum aktuellen Umgang mit Print und Online: Wie wenig stringent die MDS-Strategie ist, zeigt, dass man dieser Tage wieder errichtet, was vor 12 Jahren schonmal abgewickelt wurde: die Betreuung der Zeitungs-Websites in einer eigenen Tochtergesellschaft. Damals verfügte Patriarch Alfred Neven Dumont, die redaktionelle Produktion von ksta.de und express.de möge durch die „Hüter der Marken“, also die Print-Redaktionen (!), erfolgen. Nun dreht man alles zurück.
Klaus 21. Oktober 2014 um 11:57
Die Aussage zu ebay hat mich neugierig darauf gemacht, wie sich denn dort die Zahlen ab 2007 entwickelt haben. Konstante Gewinne, von 2008 bis 2013 so um die zwei bis drei Milliarden Euro.
http://www.finanzen.net/bilanz_guv/eBay
Twipsy 21. Oktober 2014 um 22:58
Kleine Randnotiz: Ich habe noch nie so viel Werbung für Zeitungen im Kino gesehen wie momentan. Focus, Welt, TVSpielfilm, Cosmopolitan allein heute. Die Bild auch fast immer. Ob das so clever ist? Oder ein Missverständnis, wie diese XTra? Die Lokalzeitung wirbt dagegen seit einiger Zeit nicht mehr im Kino.
Philipp 23. Oktober 2014 um 22:22
Ich wäre nicht so schnell mit dem Urteil, dass der Titel schon bald wieder eingeht. Gedruckter Lokaljournalismus ist noch nicht tot – es gibt genügend Beispiele aus anderen Ländern (z. B. Norwegen), die zeigen, dass Lokalzeitungen am Markt gut funktionieren können, wenn man journalistisch experimentierfreudig ist. Also ein magaziniges Erscheinungsbild hat und/oder sich vom üblichen Veröffentlichungsturnus einer Tageszeitung verabschiedet. Oder so ähnlich. Warum sollte das in einer Stadt wie Köln, in der die anderen Lokalitel eher behäbig daherkommen, nicht funktionieren? Lieber mal abwarten, wie sich das Blatt entwickelt, als schon Giftpfeile abzuschießen, bevor man die erste offizielle Ausgabe in den Händen gehalten hat.
Matzes Blog » Wenn Medien jung sein wollen, dann geht das meist nach hinten los 29. Oktober 2015 um 21:31
[…] Man startet eine eigene Seite, die sich an die Jugend richtet. Oder gleich eine ganze Zeitung, deren Werbeslogan schon eine Beleidigung der Zielgruppe ist, und die nach kürzester Zeit wieder eingestampft […]