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Heute, ZDF-Morgenmagazin. Ein Test von „Fitnessbändern“ wird angekündigt, also jenen Gerätschaften, die Schritte, Bewegungen und Sport messen. Interessantes Thema, nicht neu, definitiv aber Moma-tauglich.

Wulf Schmiese, der ruckelnde Moderationsroboter, kündigt den Test mit dem Versprechen an, es werde gezeigt, was die Bänder könnten – „und vor allem, was sie nicht können“. Der Beitrag schließt mit einem positiven Fazit der Testerin (natürlich handelte es sich nicht um einen Langzeittest, dafür haben öffentlich-rechtlich subventionierte Privatsender wie das ZDF längst keine Ressourcen mehr), aber dem Schlusswort, die Bänder seien ein Lifestyle-Produkt. Selbstverständlich wurde eingehend besprochen, dass theoretisch die Daten der Nutzer von Krankenversicherungen in der Zukunft für das Durchdrücken höherer Tarife genutzt werden könnten. Ob dies rechtlich erlaubt ist, blieb nicht besprochen.

Willkommen im täglichen Technik-Hass des deutschen Journalismus, für den Technik nie leicht und spielerisch, immer aber gefährlich ist.

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Diese Haltung tobt sich seit Jahren im Frühling aus, wenn die re:publica ansteht. Was einst als gemütliches Treffen in der Kalkscheuen begann, wird in diesem Jahr eine der größten Konferenzen egal welcher Art in Deutschland sein. Erwartete Teilnehmerzahl: 6.000.

rp14_banner_300x250_3Respekt für die Leistung, solch eine Veranstaltung auf die Füße zu bekommen und gleichzeitig die Ticket-Preise auf günstigem Niveau zu belassen, darf man von deutschen Journalisten nicht erwarten. Das Gros ihres Berufsstandes schaut mit Verachtung nach Berlin, auf das „Bloggerklassentreffen“ oder die Messe der „Netzgemeinde – und formuliert seit dem ersten Jahr des Bestehens erwartbar Absurdes. Würde so über Modelleisenbahner oder Briefmarkensammler, vielleicht gar Journalisten geschrieben, was wäre da los?

2011 wollte ich den Ex-Kollegen ein wenig Arbeit ersparen und schrieb eine Handreichung im Vorfeld der re:publica. Diese wurde anscheinend mit Begeisterung angenommen. Und da auch der SWR Nachberichte über Veranstaltungen schon vor deren Start publiziert, scheint ein Bedarf vorhanden für imaginierte Even-Reports.

Deshalb hier der Nachbericht der re:publica 2014 (zusammengestellt aus Originalartikeln klassischer Medien von 2007 – 2013):

Die Blogger-Elite in Berlin: So wird das nichts

Es gibt viele verschiedene Nerds: Schwäbische Nerds, Nerds mit Brillen, Nerds mit Kontaktlinsen, Nerds im Anzug und Nerds mit Nietengürteln. Alle treffen sie sich auf der re:publica- Bloggerkonferenz in Berlin. Um was es ihnen geht, ist für Außenstehende nicht leicht zu verstehen.

Aus dem einstigen Treff der deutschen Blogger ist eine große Konferenz geworden für Netz-Aktivisten, Netz-Schlauberger und Netz-Profiteure.

Noch immer ist die Szene gerne radikal und in ihren Forderungen absolut.

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Das alles wirkt gelegentlich besserwisserisch, ein wenig von oben herab. Noch immer konstruiert die Szene gerne ein Wir und ein Ihr. Die anderen, das sind konservative Politiker, Telekom-Vorstände, im Jargon der Konferenz-Besucher: Menschen, die sich E-Mails ausdrucken.

Doch die Internet-Gemeinde hat in den vergangenen Monaten einige politische Kämpfe verloren. Auf dem Blogger-Gipfel, der Konferenz „Republica“, sucht sie nach neuen Chancen für ihre alten Forderungen.

Auch wenn es so scheint, ist das Phänomen Internet noch längst keine öffentliche Sache. Vieles von dem, was auf der „republica“ Thema war und die „Netzgemeinde“ bewegt, ist in der Mitte der Gesellschaft nicht angekommen. Für die breite Masse der Nutzer bleibt das Internet ein unbekannter Kontinent.

Auf der „republica“ blieben die Nerds weitgehend unter sich – in ihrer kirchentagsähnlichen Autosuggestion, in ihrer netzpolitischen Erfolglosigkeit, aber auch in ihrer Aufbruchstimmung, die Welt zum Guten zu verändern. Egal ob sich Modeblogger trafen, Wissenschaftler oder Web-Entrepreneure.

Sie fühlen sich unterhalten, wenn ein bärtiger untersetzter Promi-Blogger einen großen schlanken Promi-Blogger mit zu kurzem Sakko filmt und dabei wiederum von einem Blogger gefilmt wird, der außerhalb der Szene genauso unbekannt ist wie seine beiden Filmpartner.

Mit solch typischen Inhalten wird man nie eine größere Leserschaft von sich überzeugen können. Und so gibt es neben der Menge weitgehend unbekannter Blogs eine zweistellige Zahl prominenter A-Blogs. Diese drehen sich derart raumgreifend um sich selbst, dass für die anderen kein Vorbeikommen ist.

Erst, wenn eine Veränderung dräut, reibt sich die Weböffentlichkeit irritiert die Augen. Als der Internetfuturist Cory Doctorow auf der „republica“ 2009 vor dem Mehrklassenklassen-Internet warnte und Szenarien für den Verlust von Netzneutralität beschrieb, hielten ihn viele für einen Spinner. Und heute? Scheinbar wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam für viele die Ankündigung der Deutschen Telekom daher, Internet-Flatrates zu kappen. Die Chance der „Netzgemeinde“, das Thema früher in die politische Öffentlichkeit zu tragen, wurde verpasst.

Dem Vorurteil, Nerds seien prinzipiell asexuell, wirkt die diesjährige „re:publica“ dennoch entgegen. Das Kongress-Programm verspricht Sex. Virtuellen Sex natürlich. Aber bevor die Veranstaltung mit dem Titel „Porno 2.0“ beginnt, gibt es noch einen „Live-Podcast“: zwei Menschen, die sich auf einem Podium unterhalten. Weil das nicht so spannend ist, haben auch hier zwei Drittel des Publikums einen Laptop auf dem Schoß und schreiben vermutlich gerade einen „Thread“ in ihren Blog. Oder schicken SMS, die auf der Leinwand hinter dem Podium eingeblendet werden.

Einig sind sie sich nur in einem: Die „alten“ Medien sind doof und in fünf bis zehn Jahren tot. Die Blogger wollen nicht erwachsen werden.

Wer solche Utopien hat, der ist natürlich wirklich gegen jede Kritik immun.

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Doch auf der „Re:Publica“ wurde deutlich, dass der kleine hartgesottene Kern bekannter Blogger nach und nach aufbricht und an Bedeutung verliert. Jene selbstreferentiellen Blogger, die die Szene noch vergangenes Jahr dominierten, tauchten auf der „Re:Publica“ zwar auf, waren aber im Großen und Ganzen damit zufrieden, im Innenhof … kleine Gruppen ihrer Fans um sich zu versammeln. Auf den wichtigen und großen Podien saßen dagegen vor allem Profis, deren Interesse am Netz fachlicher Natur ist. Längst haben sich an den Rändern der Netz-Bewegung Spezialisten aus verschiedenen Fachrichtungen, mit unterschiedlichen Interessen und Handlungsweisen, etabliert. Dabei bedient sich die deutsche Szene, die trotz aller Entwicklung im Vergleich mit den USA oder Großbritannien einen provinziellen Charakter aufweist, klugerweise auch ausländischer Experten.

Im Großen und Ganzen aber scheinen selbst all jene, die sich lange für digitale Autochthone gehalten haben, für die Indianer des Internets gewissermaßen, begriffen zu haben, dass sich der Zugang zum „achten Kontinent“ (Peter Glaser) nicht so einfach regeln lässt wie zur „re:publica“, mit der Vergabe von All-inclusive-Bändchen also. Selbst in ihrem Weltbild unerschütterliche Netzmenschen wie der Berliner Felix Schwenzel, der in seiner Zotteligkeit dem Prototyp des Bloggers ziemlich nahekommt, kamen ins Zweifeln.

Aber vielleicht wird 2014 ja auch alles ganz anders. Bemerkenswert fand ich im vergangenen Jahr ein Treffen am Rand des Comdirect Finanzblog-Awards (dessen Juryvorsitzender ich bin). Da tauchten eine ganze Reihe frisch abzubauender Autoren der Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien auf, die zum ersten Mal die re:publica besuchten. Der ökonomische Druck also brachte sie auf die Idee, sich mal mit diesem Internet zu beschäftigen. Ob sie 2014 wieder da sind?

Denn genau das möchte ich jedem Journalisten raten. Einfach mal hinfahren zu dieser re:publica. Nicht, um darüber zu schreiben, sondern um zuzuhören und Menschen zu treffen. Vielleicht geht es manchem dann so wie 2013 Oliver Horst, dem Geschäftsführer von RP Digital, der Netz-Tochter der Rheinischen Post:

Wir sehen uns also hoffentlich ab Dienstag in Berlin. Zum Beispiel bei der Verleihung der Finanzblog-Awards (Dienstag, 15:30) oder bei der Live-Show des Digitalen Quartett am gleichen Tag um 20 Uhr.


Kommentare


re:publica14: Langsam wird es Zeit… Update 02.05.14 | BildungsWertes 2. Mai 2014 um 13:03

[…] Update: So wird die re:publica 2014 gewesen sein – Handreichung für Journalisten […]

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Mein Plan für die re:publica 2014 – Hier kannst Du mich finden… | Kotzendes Einhorn 3. Mai 2014 um 10:02

[…] Und Thomas Knüwer hat schonmal geschrieben was viele über die re:publica 2014 schreiben werden&#82… Achja und so sehe ich bei den Vorbereitungen dieses Jahr aus. […]

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Re:Publica kleine Sessionplanung und ein paar Tips zur #rp14 › comspace-Blog 3. Mai 2014 um 11:58

[…] sich, wie es dieses Jahr um sein Sitznerv-Kostüm bestellt sein wird ;). Thomas Knüwer gibt einen Vorabnachbericht aus der Zukunft und Daniel Fiene hat für seine Sendung auf DRadio-Wissen heute noch nach Tips […]

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Julia Seeliger 5. Mai 2014 um 11:14

Schulterzuck. Jede Generation kriegt die Journalisten, die sie verdient. Die Generation / das Milleu re-publica eben glattgebügelte unkritische iPhone-Benutzer, die kein Problem mit Microsoft, F-Secure und Bertelsmann haben. Was sollte da kritisches rauskommen? Dann ist doch ok, dass immer derselbe Brei wiedergekäut wird.

Bei der Gründung der Digiges war ich auch die einzige, die mal offen nachgefragt hat, Hätte ja auch mal jemand anderes machen könne, ne, ich musste da vor allen Leuten fragen. Nein, es hat mir keinen Spaß gemacht.

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Auftakt zur Republica 2014: Das verflixte achte Jahr | Fiete Stegers | Journalist 5. Mai 2014 um 23:22

[…] Knüwer regt sich (natürlich) wieder über die lieben Kollegen auf und zaubert einen trockenen Text über die kommende re:publica-Berichterstattung – “zusammengestellt aus Originalartikeln klassischer Medien von 2007 – 2013″. […]

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Jakob 7. Mai 2014 um 9:47

„Der ökonomische Druck also brachte sie auf die Idee, sich mal mit diesem Internet zu beschäftigen. Ob sie 2014 wieder da sind?“ – Da kommen sie dann schon endlich mal (wie du forderst) und dann ist es auch wieder falsch. Das Schwarzweiß-Denken herrscht also nicht nur bei den Journalisten.

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Recap zur re:publica 2014 | Projecter GmbH 9. Mai 2014 um 15:14

[…] https://www.indiskretionehrensache.de/2014/05/republica-2014/ […]

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republica ist, was man draus macht 14. Mai 2015 um 14:49

[…] Die Berichterstattung klassischer Medien. Gut, sie ist nicht mehr so gehässig wie früher, aber die Handreichung für Journalisten aus dem vergangenen Jahr war weitestgehend auch 2015 z […]

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