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The Daily ist Geschichte. Und das kann nur verwundern, wer niemals einen Blick auf jene iPad-App aus dem Hause Rupert Murdoch geworfen hat.

Im Februar 2011 war das Projekt angetreten um Murdochs Traum vom Paid Content wahr werden zu lassen: eine einmal täglich aktualisierte „Zeitung“ für das iPad (und später für das iPhone und Android-Geräte). Insgesamt 30 Millionen Dollar hat News Corp alles in allem wohl investiert – verdammt viel Holz für verdammt wenig Innovation.

Vom ersten Tag war die Frage legitim, warum irgendein Leser für The Daily zahlen sollte? Oder warum überhaupt jemand grünes Licht gegeben hatte für eine App die dermaßen fehlerbehaftet war. Es ruckelte und zappelte, es wackelte und zippelte – in den besseren Momenten. In den schlimmeren stürzte die App ab. Und es gab sehr, sehr viele schlimmere Momente in den ersten Monaten. Selbst im Vorführvideo deuten sich leichte Ruckler an:

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Nicht nur die technische Seite konnte nur mit einem Kopfschütteln quittiert werden. Auch inhaltlich lieferte The Daily keine Gründe für ein Abo. Exklusivmeldungen blieben die Ausnahme, stattdessen gab es Standard-Boulevardjournalismus. Chefredakteur Jesse Angelo erklärte in dem Moment, da die Welt fürchtete, in Ägypten könnte der Regimesturz zu einer Militärdiktatur führen, seiner Redaktion per E-Mail: 

Folks, Egypt is over – time for us to get focused on covering America.“

Und:

„Find me an amazing human story at a trial the rest of the media is missing. Find me a school district where the battle over reform is being fought and tell the human tales. Find a town that is going to be unincorporated because it’s broke. Find me a story of corruption and malfeasance in a state capitol that no one has found. Find me something new, different, exclusive and awesome.“

Das wäre ja noch nett gewesen, wenn er nicht ergänzt hätte, was er darunter versteht:

„Find me the oldest dog in America, or the richest man in South Dakota.“

Zum letzten Mal schaute ich mir The Daily irgendwann im Sommer an. Das Layout war inzwischen aufgeräumter, doch auch weiterhin gab es keinen Grund, das iPad-Magazin häufiger aufzurufen.

Wenn es nun heißt, The Daily sei ein Beweis dafür, wie schwer das Geld verdienen im Internet sei, kann man nur kontern: „Erstens ist es nicht das Internet, zweitens muss es in der Printwelt verdammt leicht sein, Geld zu verdienen, wenn es schwer sein soll, solch einen Beliebigkeitsjournalismus zu erzeugen.“

Doch gibt es durchaus einige Lehren, die Medienhäuser aus The Daily ziehen können:

Die Idee der Zeitung ist tot

Die Idee einer Zeitung taugt nicht mehr für diese Welt. Wenn ich jederzeit überall den Stand der Nachrichtenlage erhalten kann erzeugen in kurzen Abständen erneuerte Periodika keinen Mehrwert mehr. Wochenmagazine oder in noch längeren Abständen erscheinende Publikationen sind etwas anderes: Sie erlauben tatsächlich eine zurückgelehnte Sicht der Dinge und filtern die Nachrichtenlage. Und ein tägliches Wochenmagazin? Denkbar. Doch dafür bräuchte es erheblich größere Redaktionsressourcen – denn diese Art von Journalismus braucht Tiefe. Und der Leser müsste sich von einer zumindest in Print bekannten Denkart lösen: Er glaubt, Geld zu verschwenden, wenn er etwas gekauftes und geliefertes aus Zeitgründen nicht liest.

Aktuelle Nachrichten taugen nicht für Paid Content

The Daily vermittelte den Eindruck einer Tageszeitung. Und somit galt wieder einmal: Menschen zahlen nicht für Nachrichten, denn sie wissen erst am Ende der Lektüre eines Artikels oder einer Zeitung, ob dies Geld wert war – doch sie wissen genauso, dass sie dies Art von Inhalten exakt einmal konsumieren werden.

Bootstrap

Mit „Bootstrapping“ bezeichnet die Startup-Welt einen schon fast manischen Blick auf die Kosten. The Daily war das Gegenteil. Angeblich betrugen die wöchentlichen (!) Kosten eine halbe Million Dollar. Für dieses Geld hätte qualitativ eine journalistische Institution entstehen müssen. Was die Redaktion mit dem Geld angestellt hat ist mir ein Rätsel

Autos nicht vom Pferd ziehen lassen

Wer sich in die Ökosphäre von Tablets begibt, hat harte Konkurrenz. Immer noch begegnen einem faszinierende, neue, spektakuläre Apps. Entsprechend altbacken und langweilig wirkt schon Durchschnittliches. The Daily nutzte die Möglichkeiten der Plattformen selten aus. Das ist ungefähr so, als wenn sich einst jemand das beste Auto der Welt gekauft hätte, um es von einem Pferd antreiben zu lassen – hätte komisch gewirkt und wäre dem Fortkommen hinderlich gewesen.

Leser sind keine Beta-Tester

Wer Geld für eine Leistung verlangt, muss Leistung bringen. Wer dagegen ein unfertiges Produkt auf den Markt bringt wird die mit hoher Erwartungshaltung heranrauschenden Kunden enttäuschen – und mutmaßlich nie mehr zurückholen. Da hilft dann auch keine verlängerte Gratis-Phase mehr.

Leser kaufen ist teuer – und ohne Social Media sehr teuer

Selbst mit der massiven Unterstützung der Murdoch-Medien in den USA ist es nicht gelungen, The Daily in den Markt zu drücken. Dies dürfte sicher auch am Mediensprung liegen: Wer im TV eine App sieht, muss direkt nach ihr suchen – oder er hat sie vergessen. Dabei hilft es nicht, dass Paid Content in den meisten Fällen Social Media ausschließt. Artikel können nicht direkt verlinkt werden, sondern nur die App insgesamt. Das mag aber niemand seinen Freunden empfehlen.

Es ginge auch anders. Dann aber müssten die Inhalte auch noch im Web vorrätig gehalten werden – und natürlich werbefinanziert. Darauf lassen sich die meisten nicht ein. Allerdings bitte ich um eine Gedächtnisstütze: Ich meine, bei The Daily sei dies teilweise möglich gewesen. Kann das noch jemand sagen?

Journalismus ist schwer

Klingt doof? Ist es aber nicht. Wer neu auf dem Markt ist, muss besonders kreativ, besonders überraschend, besonders gehaltvoll sein. The Daily war all dies nicht, auch nicht im Ansatz. Die Kreativität der Redaktion bewegte sich auf dem Niveau des „Stern“, der in dieser Woche die 23.236 Depressions-Geschichte auf dem Titel hat, oder der des „Focus“, die den xten IQ-Test offeriert.

The Daily ist deshalb für mich kein Beweis für die Schwernisse digital Geld zu verdienen (und dabei sage ich nicht, dass es leicht wäre). Vielmehr zeigt es, dass sich diese Bitsbyteswelt in manchen Dingen nicht so sehr von der analogen unterscheident. Denn in beiden gilt: Wer unterdurchschnittliche Leistung erbringt wird es nur ganz, ganz selten schaffen, damit Geld zu machen.


Kommentare


Egghat 4. Dezember 2012 um 8:10

Sharing ging. Geshared wurde ein Bild (quasi die Bitmap) des Artikels …

http://www.niemanlab.org/2011/04/decline-plateau-decline-new-data-on-the-daily-suggests-a-social-media-decline-and-a-tough-road-ahead/

Weil sonst würden die Leser ja den Content stehlen, die Schweine! Und das gilt es zu verhindern! Jaja, so denken die Verlage …

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The Daily wird eingestellt « stohl.de 4. Dezember 2012 um 9:04

[…] Daily wird eingestellt Rupert Murdoch „The Daily“ sollte die Zeitung der Zukunft werden: Was wird aus dem Ende von “The Daily” lernen können. Der erste Versuch ging schief, wer wagt den […]

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Aus für “The Daily” – UNIVERSALCODE 4. Dezember 2012 um 11:37

[…] Angeblich hatte Murdoch rund 30 Millionen an Entwicklungskosten in das Projekt gesteckt. Kritiker wie der Blogger Thomas Knüwer monieren allerdings, dass der Journalismus, der dann herauskam, allenfalls “Boulevard-Standard” gewesen und das Scheitern des Projekts nicht erstaunlich sei. […]

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YOC, Google, Klarmobil. — mobilbranche.de 4. Dezember 2012 um 13:04

[…] Für Thomas Knüwer kommt das Ende von “The Daily” nicht sonderlich überraschend. indiskretionehrensache.de […]

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auseinanderhalten 5. Dezember 2012 um 15:36

Nenn mal IT-Projekte die funktionieren.
Wie viele Apps sind armselig ?

Mal mal eine Map der Player und Relationen auf. Dann siehst Du mehrere Bruchstellen woran es scheitert.
Der Mallorca-Rentner wäre mit digitalen Versionen seiner Yellow-Press oder Zeitung zufrieden. Aber er stellt keinen Werbekunden weil er in Mallorca einen anderen Vermarkter bräuchte der ihm Mallorca-Werbung neben die Artikel platziert.
Usw.

Man muss nichts neues machen. Ein E-Auto, Solar-Glider oder Magneto-Bahn bringt Dich auch von A nach B wie vorher aber etwas anders. Man ersetzt Pferde durch Autos. Man ersetzt Festnetz-Telefone durch Handies. Mainframes durch PCs durch Desktops durch Laptops durch NetBooks durch Pads/Tabletts/All-In-OnTouchDisplay-PCs/Smartphones/SmarTVs usw.
Man stillt die Bedürfnisse der Masse aber halt auf einem leicht anderen Weg. So what.
Die Leute wollen Yellow-Press und sind verkappte Royalisten ? Na gut. Sollen sie doch kriegen was sie wollen. Auf ihren Iphones, Android-Phones und SmarTVs.
Du solltest also klar die vielen News-Arten und Zielgruppen auseinanderhalten.

Das Print-Berichte nur eine verkürzte Version für platzbeschränkte Papier-Zeitungen sind, ist in der Theorie des Journalismus vielleicht noch nicht realisiert worden.
Die online-Berichte sind das komplette Menü wo viele weggelassenen Dinge auch drinstehen während Print oder Short-News wie bisher sehr kompaktieren. Das macht bisher aber keiner und betrifft auch nur Sach-Journalismus auch wenn man es natürlich auch mit Yellow-Press-Meldungen („Alle bisherigen Liebhaber von x“, „Alle Roten-Teppich-Bilder von Y“) verknüpfen und z.b. als Bilderklickstrecken organisieren kann und auch tut. Teilweise sind andere Branchen technologisch weiter als die seriösen News.

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Die Lebenslügen der Digitalen Avantgarde und der Verlage « Online-Journalismus-Blog 13. Dezember 2012 um 13:41

[…] nichts wissen. Allein die Anfangsinvestitionen der inzwischen eingestellten Murdoch-Zeitung “The Daily” sollen 30 Millionen Dollar betragen haben. Die Zeitung wird sang- und klanglos verschwinden, […]

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Die Lebenslügen der Digitalen Avantgarde und der Verlage — Carta 14. Dezember 2012 um 20:31

[…] finden werden. Allein die Anfangsinvestitionen der inzwischen eingestellten Murdoch-Zeitung “The Daily” sollen 30 Millionen Dollar betragen haben. Die Zeitung wird sang- und klanglos verschwinden, […]

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