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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Es gibt Unternehmen, die sind genau auf der richtigen Spur – und verfahren sich dann doch. Microsoft ist so ein Beispiel. Steve Ballmer eröffnete die Cebit 2002 ohne Gehüpfe und Gestampfe, fast langweilig war seine Rede. Und doch war Microsoft der Gewinner der Messe in jenem Jahr. Denn was er ankündigte klang logisch, spannend – und doch machbar:

„Jede irgendwo gespeicherte Datei soll jeder Nutzer von überall her abrufen können… Dadurch sollen alle Programme miteinander kommunizieren. Beispiel: Hat der Flug eines Managers Verspätung, erfährt dies sein digitaler Kalender von der Homepage des Flughafens und vereinbart ohne weiteres Zutun mit dem Online-Kalender des Geschäftspartners einen neuen Termin.“

Dotnet hieß die Strategie und sie dominierte die Tage von Hannover. Hätte Microsoft dies umsetzen können – die Welt sähe heute anders aus. Doch so übernahmen im Lauf der Jahre andere Anbieter diese Ideen, es entstanden Dienste wie Dropbox.

Jene Cebit 2002 war auch die vielleicht richtige Party-Cebit. Netzwert machte sich bei der Messeleitung mit einer Reportage über die Feierei keine Freunde. Wir wussten nicht, wie egal uns das sein konnte – weil es die letzte Cebit für unsere Beilage sein würde. So aber gab es einen aufgeschriebenen Spaziergang durch Hannoveraner Nächte, zum Beispiel zur Nokia-Party. Sie war einst der Place to be, über mehrere Stockwerke zeigten Finnen, dass ihr Ruf in Sachen Alkohol berechtigt war. So sagenumwoben war der Abend, dass sogar Eintrittskarten gefälscht wurden, 2002 waren es deshalb Plastikkarten mit Barcode, Siemens dagegen setzte fälschungssichere Hologramme ein. In jenem Jahr feierte auch noch AOL – obwohl der Zugangsanbieter gar nicht auf der Cebit vertreten war. Doch wurden Mitarbeiter sowie B- bis C-Prominente nach Hannover gekarrt, man tanzte zwischen Naddel, Gina Wild, Negerkalle und Jürgen Drews – ein denkwürdiger und skurriler Abend.

Das Gros der Feiern aber waren die Standpartys. Die durften nicht vor 18 Uhr beginnen und endeten um 21.30. Kein billiges Vergnügen, eine Standparty kostete damals schon mal 15.000 Euro. Wer überzog zahlte  in der ersten Stunde Überziehung 10 Euro je Quadratmeter Standfläche, in der zweiten 25 Euro, für die dritte 30 Euro. Die Strafen hatten ihre Gründe:

„Die Party eines internationalen Telekom-Konzerns geriet vor einigen Jahren derart außer Kontrolle, dass die Messe mit Cebit-Verbot für die Folgejahre drohte. Erst ein Bußgang nach Hannover beruhigte die Gemüter: Das Unternehmen ist wieder da – größere Partys spart sich der Aussteller allerdings inzwischen.“


Wer günstiger feiern wollte, wählte die Münchener Halle. 60 Köche und 162 Kellner betreuten hier jeden Abend bis zu 1000 Gäste unter der Leitung der legendären Wirtin Herta Reiss. Die damals 67-Jährige verließ während der Messe das Gelände gar nicht erst: Ihr Quartier lag eine Trittleiter entfernt über ihrem Büro in der Halle.

Ach ja, Wahlkampf war auch in der Netzwert-Ausgabe vom 18. März 2002: Das Duell hieß Schröder vs. Stoiber. Doch was über den digitalen Wahlkampf zu lesen war, das unterscheidet sich enttäuschenderweise gar nicht groß von dem, was heute so passiert. Das Internet sei wichtig, hieß es. „Die Parteien folgen dem Strukturwandel der Öffentlichkeit“, steuerte der Düsseldorfer Politologe Stefan Marschall bei. Politiker bekamen eigene Homepages, es gab Chats und E-Mail-Newsletter, E-Cards und Foren, die Grünen forderten ihre Unterstützer dazu auf, eine FDP-Online-Umfrage zu manipulieren. Fast scheint es, die vergangenen 10 Jahre hätte zu Rückschritten geführt: Denn 2002 errichteten sowohl CDU wie die SPD eine Rapid Response: Aktuelle Aussagen des Gegners wurden so schnell wie möglich unter die Lupe genommen um Fehler oder leere Versprechungen öffentlich zu machen.

Eines aber hatte ich ganz vergessen. Die FDP hatte sich in jenem Jahr umbenannt, sozusagen. Denn traditionell schrieb sie sich eigentlich F.D.P. Nun entfielen die Pünktchen – weil sie in Internet-Adressen merkwürdig gewirkt hätten.


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