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Warum, fragt sich mancher, brauchen Amerikaner eine Probe für ihre Hochzeit? Hochzeitsmarsch, Gang runterschreiten, Ja-Sagen – fertig. So schwer ist das doch nicht.

Seit dem 19. Juli weiß die Welt, warum zumindest Jill Peterson und Kevin Heinz solch eine Probezeremonie nötig hatten. Seitdem ist auf Youtube das Video ihres Kircheneinmarschs zu sehen. Oder besser ihres Kircheneintanzens. Und wer es immer noch nicht gesehen hat, der tue dies nun oder schweige für immer:

Großartig, nicht wahr? Das denken viele. Sehr viele. Aktuell wurde das Filmchen rund 13 Millionen Mal abgerufen, selbst Ashton Kutcher wünschte per Twitter alles Gute, nachdem er es gesehen hatte.

Eine hübsche Geschichte – mit handfesten wirtschaftlichen Auswirkungen. Jill Peterson und Kevin Heinz – diese Namen werden nun eingehen in die Marketing-Lehrbücher. Nicht, weil sie einfach ein tolles Video produziert haben – sondern weil Youtube es mit Anzeigen versehen hat. Die warben für den Kauf des Songs, zu dem die Hochzeitsgesellschaft tanzt: „Forever“ von Chris Brown.

Ergebnis: Platz vier der Verkaufscharts bei Itunes, Platz drei beim Musikverkauf von Amazon, wie das Google-Firmenblog berichtet.

Dort gibt es noch ein paar Einblicke mehr: Die Werbung im Video sei doppelt so oft geklickt worden wie im Durchschnitt. Gleichzeitig rasten die Abrufzahlen für das von der Plattenfirma produzierte Musikvideo nach oben, dort stieg die Zahl der Klicks auf eingeblendete Werbung um das 2,5-fache.

Hier beginnt die Sache lehrbuchhaft zu werden. Denn: Das Video von Chris Brown kann von Deutschland aus nicht gesehen werden. Noch immer gibt es kein Abkommen zwischen dem Musikrechteverwalter Gema und Youtube. So entsteht eine absurde Situation: Die Gema behindert die wirtschaftlichen Interessen jener, die sie schützen will.

In die gleiche Kategorie fällt eine Geschichte, die sichzeitgleich zutrug. Jochen Distelmeyer war der Kopf der deutschen Band Blumfeld. Nun ist er auf Solopfaden, ein Album wird bald erscheinen, zuvor spielte er einige Konzerte. Von denen tauchten auf Youtube Videos auf, verwackelt und mit mittelmäßigem Sound. Nach einigen Tagen waren die Filmchen weg – gelöscht auf Anweisung von Distelmeyers Management.

Das erklärte gegenüber dem Blog Coffee and TV, man wolle „nicht zu früh n den Wettbewerb ,Wer stellt das wackeligste Video ins Netz?’ einsteigen“ – eine merkwürdige Haltung. Denn es geht auch anders. Die deutsche Band Tomte spielte ebenfalls vor Erscheinen ihres jüngsten Albums Konzerte. Sänger Thees Uhlmann fragte ins Publikum, wer eine Videokamera dabei habe. Der Besitzer einer solchen wurde nach vorn gebeten, Bedingung: „Film das und stell das online!“ Ergebnis: Vorfreude auf das Album – und satte Verkaufszahlen.

Musik ist eben etwas Emotionales. Es braucht oft das richtige Umfeld, um sie zünden zu lassen. Das kann die Kombination eines Tanz-Songs mit einer Hochzeit sein oder die Atmosphäre eines Live-Konzerts. Und deshalb ist Musik auf einer Videoplattform kein Rechteklau, sondern Werbung. Kostenlose. Wenn die Plattenfirmen sie zulassen.


Kommentare


jupp 31. Juli 2009 um 17:30

\“Die Gema behindert die wirtschaftlichen Interessen jener, die sie schützen will\“ – nicht ganz zutreffend: Die GEMA Vertritt nicht die Interessen der Verwerter sondern der Künstler. Und die verdienen am Verkauf der Tonträger fast nix, jedenfalls weit weniger als an den GEMA-Ausschüttungen . Aus der inneren Logik der GEMA heraus verhält sie sich also durchaus rational.

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Ich 31. Juli 2009 um 17:58

Ich habe mir heute ein paar Videos zu Warhammer angeguckt, unter anderem dieses: http://www.youtube.com/watch?v=Sa6zafw0x8c Zum Glück stand der Bandname in den Tags und jetzt haben sie ein Album mehr verkauft.

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Sven 31. Juli 2009 um 19:09

Das video kann auf youtube nicht gezeigt werden? Wie stulle ist das denn? Auf mtv kann man es sehen. Da der song aber ein schnell produzierter song aus einem kaugummi-werbespot ist, bin ich mir unsicher, ob man dieses langweilige video überhaupt sehen will.

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Detlef Borchers 31. Juli 2009 um 20:48

Ziemlicher Quatsch das alles. Nicht Youtube hat das Video mit Anzeigen versehen. Die Overlays kommen von Sony, dem Rechteinhaber an \“Forever\“. Sony hat dazu den Song nach eigenen Angaben 13 Millionen mal verkauft und ist inzwischen Sponsor der Truppe, wie hier zu sehen:

http://www.youtube.com/watch?v=eLvXpxJ0-m4

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Ich 1. August 2009 um 6:22

Ups. Mußte feststellen, daß die Band, dessen Album ich gekauft habe, gar nicht die Band in dem Warhammer Video ist. lol

Egal. Das Beispiel sollte ja nur den Tenor des Beitrages untermauern, daß Youtube eine riesige kostenlose Werbeplattform für Bands ist und daß es dumm ist, Videos wegen einem Urheberrecht zu entfernen.

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Malte Landwehr 1. August 2009 um 11:14

Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man YouTube monetarisieren könnte wenn die Plattenlabels und Vereine wie die GEMA im 21. Jahrhundert ankommen würden.

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Thomas Knüwer 1. August 2009 um 12:00

@Detlef Borchers: Wir reden über das Gleiche, aber vielleicht war mein Text missverständlich: Natürlich hat Youtube für die Anzeigen gesorgt, dort nämlich werden sie gebucht – und dann eben im Auftrag von Sony, Amazon, Itunes oder wer immer dort geschaltet hat.

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Avantgarde 1. August 2009 um 15:21

\“Und deshalb ist Musik auf einer Videoplattform kein Rechteklau, sondern Werbung. Kostenlose.\“

Hmmja. Nur \“Werbung\“ ist im Prinzip jede Musikaufführung. Nur kann das Café um die Ecke nicht der GEMA erzählen, dass man keine Gebühren zahlen will, weil das Spielen von Musik doch Werbung für die Künstler ist.

Und glaubt ihr, MTV zahlt keine GEMA? Wo\’s doch Werbung ist?

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rebusch 1. August 2009 um 19:05

Und was, wenn es gar keine Hochzeit gab und der eitle Herr D. vielleicht einfach nur keine Nerds mag, die ständig alles und jeden ungefragt mit ihrer digitalen fotografischen Flinte abschießen?!? Davon ab, virales (Video)Marketing hat doch so langsam nur noch den Charme von Spaß-FAXen in den Neunzigern.

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Wittkewitz 3. August 2009 um 9:58

DAs Orginal dieses Texts erschien im Open. Salon. com auch am 31.072009, leider darf ich hier keine URLs reinstellen. Schade, dass die Quelle hier nicht verlinkt ist…Bizarr, das Ding mit dem Qualitätsjournalismus…

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Martin 3. August 2009 um 11:12

Mit Ihrer Argumentation stellen Sie die Gema-Situation leider auf den Kopf. Das Problem ist nicht Chris Brown, sondern die 90% Youtube Filme, die mit Musik diverser Autoren unterlegt sind, ohne dass diese Autoren Tantiemen erhalten. Aus diesem Grund befindet sich Youtube im Clinch mit Urheberrechtsgesellschaften weltweit.

Mit der Marketing-Keule zu argumentieren, trifft nicht den Punkt.

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Bernd 3. August 2009 um 11:42

@Wittkewitz: Leute, die nix anderes zu tun haben als rumzustänkern, statt sich mit dem thema zu befassen. Bizarr, das mit den Qualitätskommentaren.

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Bernd 3. August 2009 um 11:45

@Martin:
Musiker bedanken sich dafür, das ihr Urheberrecht auf youtube verletzt wurde. Musiker sind nämlich erstaunlich aufgeschlossen gegenüber der Remix-Kultur.

http://www.youtube.com/watch?v=Xqlpa3EWsok&eurl=http%3A%2F%2Ftorrentfreak.com%2Fpirated-youtube-clip-boosts-bands-album-sales-090727%2F&feature=player_embedded

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Bernd 3. August 2009 um 11:46

@Wittkewitz: Soviel zum Thema URLs.

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Lukas 3. August 2009 um 12:17

\“Musiker bedanken sich dafür, das ihr Urheberrecht auf youtube verletzt wurde.\“

Man kann natürlich jede Aussage so weit verallgemeinern, bis auch ihr exaktes Gegenteil zutrifft.

Fakt ist doch: Es gibt Musiker, die sehen es locker, was mit ihrem Werk passiert, und solche, die sehen es eben nicht so locker.

Solange es sich wirklich um Entscheidungen der Künstler handelt und nicht um solche der Plattenfirmen oder irgendwelcher Verwertungsgesellschaften, finde ich es schön, wenn sich die Konsumenten ein wenig am Wunsch des Künstlers orientieren. (Solange es sich bei dem Künstler nicht gerade um Prince handelt, dessen Realitätssinn irgendwann in den Achtzigern ausgefallen sein muss.)

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Martin 3. August 2009 um 18:31

@Bernd

Mashups haben jetzt aber gar nichts mit dem von mir geschilderten Problem zu tun. Die Rolle der Gema ist lediglich, treuhänderisch für Autoren und Verlage Urheberrechte wahrzunehmen. Die Gema hat mit der Entscheidung, was man mit einem Werk anstellen darf und was nicht überhaupt nichts zu tun.

Diese Entscheidungen treffen die Urheber. Wer Mashups gerne möchte, kann seine Werke mit einer entsprechenden creative commons licence veröffentlichen. Was ich persönlich nicht ok finde ist, wenn der Eindruck entseht, als wisse das Publikum besser, was gut für die Urheber ist, als die Urheber selbst ;-).

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Marcel Klotz 4. August 2009 um 11:22

Ich halte das ganze für eine gelungene Platzierung einer Marketingaktion, einschliesslich der Seite für\’s Spenden. Für mich ist das keine private Hochzeit, sondern von Anfang bis Ende das Ergebnis einer Werbeaktion. Hier wäre investigativer Journalismus gefragt, das mal zu verifizieren.

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Sascha Pallenberg 5. August 2009 um 6:10

Bin ich Kuenstler oder/und Geschaeftsmann/frau?
Ich denke das waere die eigentliche Frage…
Denn sollte ersteres zutreffen sorge ich dafuer, dass meine Werke vertrieben werden und zwar ueber saemtliche zur Verfuegung stehenden Kanaele. Kommt meine Kunst an, werde ich so monetarisieren koennen.
Wer das dann nicht kann, sollte sich auf keinen Fall die Frage stellen ob man denn Geschaeftsmann/frau oder nicht ist…

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Thomas Knüwer 5. August 2009 um 10:25

@Marcel Klotz: Nur zu. Ich habe mir die Sache lange angesehen, bis ich das hier geschrieben habe. Zumindest ein Teil des Hochzeitspaares ist Profi-Tänzer. Aber ansonsten? Nichts Verdächtiges zu finden.

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mark muster 5. August 2009 um 13:48

toller clip – doch warum dürfen die denn den song nutzen? da müsste die olle gema doch auch HALT schreien – GEMA ist doch nicht nur für die Videos zuständig… dem paar alles Gute!!!

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Stefan 11. August 2009 um 16:27

Das ist der Zeit entsprechend mal was neues und dazu noch geniales. einfach top, eine Hochzeit die in allen Köpfen positiv als erinnerung bleibt

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