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Es ist erschreckend. Erschreckend, wie wenig es braucht, um die gesamte deutsche Medienjournaille in Erregung zu versetzen. Zum Beispiel einen verdienten, älteren Herren, der sich ob der Qualität der Aufzeichnung einer TV-Show öffentlich erregt – dies aber auf eine so merkwürdige Art tut, dass der Mantel des Schweigens über diesem Moment mehr zur Ehre des Kritikers gereichen würde, als das Wiederkäuen seines bizarr anmutenden Auftritts.

Das Affairchen „Marcel Reich-Ranicki lehnt den Deutschen Fernsehpreis ab“, verrät viel über den Zustand des Fernsehens – aber eher auf einer Meta-Ebene. Ganz ehrlich: Ich habe es nicht durchgestanden. Ich konnte sie nicht voll ertragen, die Aufzeichnung des Deutschen Fernsehpreises. Nach der ersten Laudatio einer sediert wirkenden Christiane Hörbiger war mein innerer Schmerz so groß, dass der digitale Videorekorder angeworfen wurde. Erst ab dem nun so heiß diskutierten Auftritt von Marcel Reich-Ranicki habe ich wieder zugeschaut.

Für jene, die das nicht getan haben – Youtube weiß natürlich Rat:

So Sie, lieber Leser, diese Szene noch nicht gesehen haben: Was geht in Ihnen vor?

Ich hatte natürlich auch am Sonntag schon von den Geschehnissen gelesen und entsprechend beobachtete ich Reich-Ranicki bei den Blenden auf sein Gesicht mit Vorwissen. Und irgendwie kam für mich dann sein Verhalten noch überraschender. Denn vorher war ja wenig zu sehen von seinem Unmut, Thomas Gottschalks Laudatio nahm er anscheinend mit Vergnügen zur Kenntnis.

Und dann tritt er auf die Bühne und spricht merkwürdige Sätze. Die könnten als Kritik am Fernsehen durchgehen, wenn er gegenüber der „FAZ“ nicht durchblicken ließe, dass er eigentlich nicht recht weiß, wovon er redet (ich weiß, so was darf man bei einem Reich-Ranicki eigentlich nicht schreiben). So sagt er:
„Wütend gemacht hat mich, dass fast alle preisgekrönten Darbietungen auf einem erbärmlichen Niveau waren.“

Auf der Bühne klang das noch anders. Er gehöre nicht in die Reihe der „vielleicht sehr zu recht Preisgekrönten“, hatte Reich-Ranicki gesagt. Sprich: Er behauptete gar nicht, die prämierten Beiträge beurteilen zu können.

Im „FAZ“-Interview sagte er weiter:
„Ich saß in der ersten Reihe und je länger die Sache dauerte, desto mehr war ich ermüdet. Ich fand es empörend, dass ich während dieses langen Abends die ganze Zeit auf einem harten Stuhl sitzen musste und man mich bis zum Schluss warten lassen wollte. Nachdem ich schon rund zwei Stunden ausgeharrt hatte, sagte mir der Intendant Schächter, es dauere noch fünfzehn Minuten, dann nochmal fünfzehn Minuten, dann sprach er von dreißig Minuten. Da wollte ich weg, ich wollte gehen. Ich konnt‘s nicht mehr aushalten.

Das ist das eine. Jetzt zum anderen, den erbärmlichen Darbietungen. Ich sage ja nicht, dass alles schlecht war, was da ausgezeichnet wurde, überhaupt nicht. Aber auch die guten, vielleicht sogar sehr guten Produktionen, die einen Preis erhielten, wurden auf eine Art und Weise präsentiert, die ihre Qualität überhaupt nicht erkennen ließen. Ein Beispiel: Eric Fiedler bekam einen Preis für seine Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“. Das soll ein guter, sehr beachtlicher Film sein. Aber man sah nur einen ganz kurzen Ausschnitt, der überhaupt nichts von dieser Qualität sichtbar machte.“

Da wird mit einem Mal ein Kritiker mit dem konfrontiert, was er all die Jahre getan hat: in kurzen Häppchen über ein Werk urteilen. Nun hatte das „Literarische Quartatt“ mehr Niveau als der Deutsche Fernsehpreis. Doch glauben wir der Laudatio von Thomas Gottschalk, so wurden dort in 77 Sendungen 385 Bücher vorgestellt – also 5,12 Werke pro Ausgabe. Die Sendung dauerte – so ich mich richtig entsinne – 45 Minuten. Macht rund 9 Minuten pro Buch und die bestanden aus Diskussion, nicht aus Vorlesen. Ob die Kritiker den Werken so gerecht wurden?

Und dann gibt es da noch ein Kompetenzproblem. Reich-Ranicki hat keinen Überblick über die aktuelle Qualität des deutschen Fernsehens insgesamt. Er hat das Gefühl, dass die Qualität sinkt, ein Gefühl, das viele teilen. Doch gibt es eben auch Inseln der guten Unterhaltung. Und es wurden junge Auslandskorrespondenten ausgezeichnet, die verdammt viel riskieren, um einen guten Job zu machen.

Doch bei Reich-Ranicki entspringt die Kritik nicht aus der Beobachtung, sondern aus der Teilnahme an einer Veranstaltung und der Verbitterung darüber, dass im TV weniger über Bücher geredet wird.

So mokiert er sich darüber, dass Köche die Bühne betraten. Abgesehen davon, dass Kochen auf jeden Fall schweres Handwerk, vielleicht sogar eine Kunst ist, mag er sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob mehr Kochsendungen nicht mittel- bis langfristig zu einer besseren Ernährung der Bevölkerung führen. Ich behaupte nicht, dass dies automatisch so ist. Aber ich glaube, dass diese Sendungen Einfluss haben.

Doch Köche sind keine Literaten und deshalb für einen Reich-Ranicki einfach mal schon nicht niveauvoll, so scheint es. Was hat er erwartet? Das volle Ausstrahlen der prämierten Beiträge? Dann hätte er Tage auf dem harten Stuhl verbringen müssen. So sind Preisverleihungen nun einmal und es gibt kaum eine Möglichkeit, sie vom Konzept her anders zu inszenieren.

Damit wären wir beim zweiten Teil der Geschichte. Der Umsetzung des Konzeptes.

Da sitzt also ein 88-jähriger Herr auf einem unbequemen Stuhl. Das sollte man ihm – und das meine ich ohne jede Ironie – nicht antun. Es gehört zu den Gastgeberpflichten zu erahnen, dass ein solch langer Abend für ihn so zu einer Qual werden könnte.

Doch als höflicher Gastgeber mochte sich das ZDF ja ohnehin nicht fühlen. Die Regie ergötzte sich daran, die im Saal Sitzenden bei Schnitten immer dann zu zeigen, wenn sie besonders blöd aus der Wäsche schauten. Gut vorstellbar, dass es im Regieraum High-Fives gab, wenn mal wieder ein Schauspieler oder Moderator so eingefangen wurde, als sei er das größte Arschloch oder die dümmste Nulpe der Republik. Seine Gäste so zu desavouieren ist eine Unverschämtheit.

Anderes wieder geriet so unerträglich schlecht, dass sogar das ZDF es rausschnitt, wie DWDL berichtet.

Somit hatte Elke Heidenreich eigentlich Recht, wenn sie absichtlich zu spät kam. Andererseits: Ist das höflich? Für die „FAZ“ hat sie ihre persönlichen Eindrücke aufgeschrieben – und sich damit keinen Gefallen getan. In nicht enden wollender Selbstverliebtheit ärgert sie sich darüber, dass Thomas Gottschalk – der es ihr selbstverständlich nicht Recht machen kann – Reich-Ranicki laudatieren darf und nicht sie, die gehörige Schülerin des großen Meisters.

Nebenbei: Ich fand Gottschalk erheblich unterhaltsamer und spitzzüngiger als bei „Wetten, dass…“ Und seine schnelle Reaktion bei Reich-Ranicki gehört in den Anschauungsunterricht für Moderatoren.

Allen Ernstes aber schreibt Heidenreich: „Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde.“

Rausschmeißen? Womöglich noch mit Abfindung? Warum geht sie nicht einfach? Macht ihr eigenes Ding im Internet oder bei einem anderen Sender? Sie hat einen Namen der zieht und wenn ihr Produkt gut ist, wird sie eine Gefolgschaft haben.

So verrät dieser Abend sehr viel über den Zustand des Fernsehens. Ein von Rückenschmerzen geplagter, grantelnder Herr mit Meriten schafft es mit seiner Tirade gegen eine schlecht gemachte Zeremonie, dass die versammelte Branche sich selbst peitscht – und das mit Lust. Es ist zu wünschen, dass jene Runde der Intendanten mit Marcel Reich-Ranicki nie zustande kommt. Ihre leicht vorherzusagende Plattheit wäre kaum zu ertragen.

Das Geld für diese Sendung – sowie jene Mittel, die bei Abschaffung des Fernsehpreises frei würden – ließen sich sinnvoller in ein Medienmagazin stecken, das mit einer gut ausgerüsteten und kompetenten Redaktion vielleicht in der Lage wäre endlich eine qualitativ ansprechende Medienkritik in Deutschland zu etablieren.


Kommentare


alphager 13. Oktober 2008 um 11:31

Reich-Ranicki passt definitiv nicht in eine Reihe von Preisträgern, unter denen \“Deutschland sucht den Superstar\“ zu finden ist.

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Gristnotz 13. Oktober 2008 um 11:54

Der beste und differezierteste Beitrag, den ich bisher zum Thema gelesen habe.

@alphager: Eben doch! Siehe die obige Beschreibung, wie das \“Literarische Quartett\“ funktionierte. Reich-Ranicki ist für manche ein Literaturkritiker. Für die meisten ist er aber ein Fernsehgesicht wie Salesch, Bohlen, Kerner. Zu Recht!

Reich-Ranicki hat kein anderes oder besseres Fernsehen gemacht, er hat einfach nur mitgemacht. Zum Beispiel war sein Unterhaltungswert dafür wichtiger als seine Sach- oder Fachkenntnis. Wer´s nicht glaubt, bitte eine Folge \“Literarisches Quartett\“ ansehen oder einen der vielen Talkshow-Auftritte.

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Gristnotz 13. Oktober 2008 um 11:56

Ergänzung: \“Literaturkritiker\“ und \“Fernsehgesicht\“ schließen sich gegenseitig natürlich nicht aus.

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griesgram999 13. Oktober 2008 um 12:31

Endlich mal ein guter Beitrag über diese Nichtigkeit.

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Sanníe 13. Oktober 2008 um 12:36

Was Ihre Minutenrechnerei da oben soll, weiß ich nicht; wollen Sie im Ernst behaupten, MRR würde seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht?
Das Literarische Quartett füllte jedenfalls 75 Minuten.

Ich fand es erbärmlich, daß das Publikum die Ernsthaftigkeit seines Anliegens ganz offenbar nicht verstanden hat. Der alte Mann muß sich wie im Irrenhaus vorgekommen sein: Fast verzweifelt stößt er seine Worte hervor und diese Leute lachen. Lachen!

Die kennen alle nur noch witzig, ich hab mich furchtbar geschämt für diese Flachheit.

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Arnulf 13. Oktober 2008 um 13:15

Es wurden keine Köche ausgezeichnet, und Herr Reich-Ranicki hat das im FAZ-Interview auch nicht behauptet (er bezog sich nur auf die Laudatoren). Wenn Sie, Herr Knüwer, sich schon über die \“Medienjournaille\“ auslassen, würde es nicht schaden, selbst etwas besser zu recherchieren.

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Verbraucher 13. Oktober 2008 um 13:16

Ich find auch dass eher die Reaktion interessant ist als die ursprüngliche Aktion, hinter der wie Herr Knüwer schreibt, eigentlich nicht viel Substanz steckt.
Also eben das Publikum das zwischen Lachen und entsetzen schwankte, Tageszeitungen und Blogs die zu dem Thema fundierte Kommentare geben können und gewisse deutsche Komiker die ihr Verhältniss zu ihrem Arbeitgeber klarstellen.

Und ich muss auch eins fragen: Wenn Reich-Ranicki nicht der Richtige ist den Fernseh-Zirkus in seiner eigenen Arena zu verurteilen, wer ist es dann?

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Thomas Knüwer 13. Oktober 2008 um 14:38

@Arnulf: Das war eine kleine Ungenauigkeit. Ich meinte natürlich die Moderation von Lafer und Lichter (die dann rausgeschnitten wurde). Das ändert aber nichts an der Aussage.

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Ein Blog-Leser 13. Oktober 2008 um 16:40

Von einer Erregung der gesamten deutschen Medienjournaille habe ich nichts mitbekommen. Selbst, dass Herr Reich-Ranicki (völlig zu Recht) eine Auszeichnung ablehnt, wusste ich bis eben nicht. Würden Sie sich nicht über diese Thema aufregen, hätte ich davon auch weiterhin wohl nichts erfahren. Ich finde es traurig, dass Sie sich hier über das Wiederkäuen dieses Themas beschweren und es dann selbst noch einmal tun.

Der Vergleich zwischen der Veranstaltung \“deutscher Fernsehpreis\“ und dem literarischen Quartett hinkt. Meiner Meinung nach ging es im Quartett nie darum, ein Buch zu rezensieren, sondern es zu kritisieren. Zudem ging es auch nicht darum, dass sich dort Autoren selbst beweihräuchern.
Von einer Veranstaltung, die ihr eigenes tolles Programm auch noch auszeichnen muss, finde ich es aber durchaus angebracht, eine gute und ausführliche Begründung zu liefern.

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mariana mayer 13. Oktober 2008 um 16:52

Grundsätzlich ist zu diskutieren, ob und welchen Nutzen Preisverleihungen und die modernen Auswüchse derselbigen überhaupt haben.

Eine Klassifizierung der Preisverleihungen in
Marketingzweck, Verkaufsförderung, Nachwuchsförderung oder Nobelpreisen, erst nach dem Tode oder im hohem Alter verliehen, ist sichtlich unterscheidbar.

Reich-Ranicki hat sich in kein Klassifikationsschema pressen lassen, sondern ein neues beigefügt.

Die kein Preis Klassifikation.

Ist ein Leben ohne Preisverleihungen möglich?

Sicher ist es möglich, aber was treibt die Menschen, gibt es gar Kulturen ganz ohne Preisverleihungen? Funktioniert das?

Ein Antwort habe ich bereits gefunden, ohne Rituale ist das Leben schwierig oder human unerträglich,
Beispiel : Würden wir ohne anständige Beerdigung human leben können?

Auch die Preisverleihung scheint eins derselbigen Rituale zu sein. Also doch wichtig.

Mariana Mayer

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Miller 13. Oktober 2008 um 16:53

Keiner kann aus der Quoten-Paranoia aussteigen. Auch der Chef-Kritiker ist “log in”, es gibt in dieser Matrix keinen Ausstieg. Selbst der Aussteiger wird noch medial wieder ins Bild gesetzt. Der große Alte zeigte Kante, das ist man von ihm gewohnt, nur das ändert nichts am System und den immanenten Spielregeln. Die einzige Chance der großen Besinnung könnte in der großen Verweigerung bestehen. Als Test: einen Tag den Stecker ziehen, alles schwarz; kein Bild, kein Ton, keine Interviews, keine Reportagen, einfach mediales Nirgendwo!

Wie wäre es mit dem 11.11., dem Beginn des Narrenspiels?!
Schulen haben selbstverständlich auch frei – auch pädagogisch gesteuerte Kommunikation braucht eine echte Auszeit.

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jap 13. Oktober 2008 um 17:18

Tippfehler erster Satz \“wie wenig ist (ES) braucht\“

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vivalaliteratura 13. Oktober 2008 um 17:24

Als Spanierin die 17 Jahre in Deutschland lebt finde ich lustig, dass ein \“Ausländer\“ hat den Mut klartext zu reden über das was viele deutsche schon lange denken.
Was macht diese schreckliche Thomas Gottschalk noch als Moderator in einem Stastlichen Sender?

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Boogie 13. Oktober 2008 um 17:34

\“Ich fand Gottschalk erheblich unterhaltsamer und spitzzüngiger als bei \“Wetten, dass…\“ Und seine schnelle Reaktion bei Reich-Ranicki gehört in den Anschauungsunterricht für Moderatoren.\“

Tatsächlich? Wenn jemand wie Gottschalk in den Anschauungsuntericht für Moderatoren gehört, dann möchte ich im Fernsehen niemals wieder eine moderierte Sendung sehen. Diese Abmoderation, Minute 1:33 auf YouTube http://www.youtube.com/watch?v=EAm0FAWI2Z8 gehört nur an einen einzigen Ort und den betritt der Kaiser allein.

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satyasingh 13. Oktober 2008 um 17:42

Warum sieht man nicht mehr fern, wenn man des Mediums überdrüssig? Schafft sein Empfangsgerät ab. Und immer dann, bei externen Gelegenheiten (Hotel, Freunde ect) holt man sich die Bestätigung für die Abschaffung des Fernsehen im eigenen Leben.

So geschehen bei mir vor 6 Jahren. Das hat mein Leben unheimlich bereichert.

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Thomas Knüwer 13. Oktober 2008 um 17:45

@jap: Danke für den Hinweis – ist korrigiert.

@Boogie: Bitte genau hinlesen. Ich habe geschrieben, dass es um seine Reaktion ging, nicht um alles, was Gottschalk sagt. Bewusste Szene aber war definitiv ironisch gemeint – kommt aber eben bei einem wie Gottschalk nicht über. Bei Jon Stewart hätte das anders geklungen.

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Ugugu 13. Oktober 2008 um 18:11

Der Auftritt von Marcel Reich-Ranicki war schlichtweg grandios. Als ARD-Intendant würde ich ihn glatt als Moderator für ein neues, bissiges Medienmagazin einsetzen. Mit Gottschalk als Co-Moderator. Die geistige Flexibilität und Präsenz ist nach wie vor uneingeschränkt vorhanden. Um den Technik-Kram müssten sich vielleicht ein paar andere kümmern. 😉

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MaxiBoss 13. Oktober 2008 um 18:21

So so, wer hätte es gedacht …
vielleicht sollte der noble Herr Ranicki einen Preis für seine Tätigkeit als Hauptmann der stalinistischen Geheimpolizei in Schlesien im 50-Jahren bekommen. Den eben wäre zu Ihm besser passen.

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Merzmensch 13. Oktober 2008 um 19:03

Marcel Reich-Ranicki hat wahrlich geglänzt an diesem Abend (was an sich nicht schwer fallen kann bei all den Grausamkeiten, die dort herrschten).

Und – da bin ich einverstanden – bezog sich seine Kritik nicht auf seine Beobachtungen, sondern auf das ganze Medium (mit wenigen Ausnahmen), was an sich etwas klischeehaft erschien. Er kritisierte nicht das Gesehene, sondern das Simulakrum des Sichtbaren (denn ich bin mir ganz sicher, die meisten, wenn nicht alle ausgezeichneten TV-Projekte, waren kaum jemals Objekt seiner Rezeption). Das ist etwas einseitig, denn so verdorben und vergraust ist die Fernsehlandschaft doch nicht – es gibt noch meiner Meinung nach Oasen, und nicht nur bei arte und 3sat (diese Vorstellung passt jedoch nicht in die buchverfechterische und videoklastische Weltkonstruktion des Literatur-Maitres)

Aber nach alledem möchte ich sagen, dieser kurze Beitrag in die Kulturlandschaft Deutschlands war wahrlich bedeutender als sein \“Literarischer Kanon\“. Das sage ich mal jetzt ohne jegliche Ironie. Hut ab.

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Germanist 13. Oktober 2008 um 22:10

@MaxiBoss

solche Aussagen treffen diejenigen, die die Nachkriegsgeschichte geleckt und nicht geschlugt haben!!! Man sollte bedenken, dass zu damaligen Zeiten studentische Bewegungen stark unter dem Druck der Regierung standen, dem man kaum entkommen konnte!!!

Bei einigen deutschen Persönlichkeiten könnte man sich dermaßen verfehlte Behautpungen sparen, Herr Marcel Reich Ranicki gehört definitiv dazu.

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Iris 13. Oktober 2008 um 23:55

Zitat: \“Er gehöre nicht in die Reihe der \“vielleicht sehr zu recht Preisgekrönten\“, hatte Reich-Ranicki gesagt. Sprich: Er behauptete gar nicht, die prämierten Beiträge beurteilen zu können.\“

Das ist m.E. nicht das, was MRR mit diesem Satz gemeint hat. Diese Formulierung ist doppeldeutig und kann imo durchaus _auch_ (und ich unterstelle dem Wortakrobaten MRR, dass genau dies auch beabsichtigt war) als subtile Beleidigung verstanden werden.

Ich habe ihn so verstanden, dass er zu viele der Bedachten schlicht für unwürdig eines Preises hält, der eine Ehrung darstellen soll und wenige andere, vielleicht sogar ehrenwerte Preisträger für dilettantisch präsentiert.

btw ich fand übrigens Gottschalks Vorschlag, \“Ich finde, wir sollten uns rächen\“, relativ geistreich. Hätte ich ihm ehrlich gesagt gar nicht zugetraut.

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Boogie 14. Oktober 2008 um 2:09

@ Thomas Knüwer: Keine Sorge, ich kann schon genau lesen. Selbst in Bezug auf die \“Leistung\“ von Gottschalk, als Reaktion auf den Auftritt von Marcel Reich-Ranicki war imho kein Anschauungsunterricht in Sachen Moderation. Das war sein Job als Moderator und, sorry, exakt das kann ein Moderator. Mir würde in seiner Preisklasse in D-Land auch niemand einfallen der das nicht auch gekonnt hätte. Besonders scharfzüngig war MRR ja auch nicht mehr, zudem ziemlich gebrechlich. Den Job hat Profi Gottschalk ohne Glanz aber okay bewältigt.

Und was das besagte Ausreisser Zitat angeht: Klar sollte das ironisch rüberkommen. Und bei Jon Stewart hätte das sicher anders geklungen. Und das heisst? Gottschalk ist nun mal Gummibärchen Gottschalk und nicht Kinky Friedman. Bei dem hätte warscheinlich auch ein Judenwitz über Reich-Ranitzki lustig geklungen. So ist es ein erbärmlich peinlich Griff, ganz ganz tief nach unten. Und ich fand es beschämend und peinlich, das niemand der vorher Ausgezeichneten aufgestanden ist und Gottschalk seinen Preis gepflegt um die Ohren gehauen hat.

Und was die \“selbstverliebte\“ Elke Heidenreich angeht: klar ist die Frau stutenbissig. Und? Sie hat Recht. Bei Jon Stewart hätte das natürlich anders geklungen.

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Boogie 14. Oktober 2008 um 2:12

Ranicki heisst der Mann. Tippen und gleichzeitig Ärgern kann die Elke besser als ich.

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Thomas Knüwer 14. Oktober 2008 um 7:54

Die wurde bestimmt auch nochmal redigiert 😉

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Rainersacht 14. Oktober 2008 um 10:41

Wenn man schon literarische Erbsen zählen will (wie billig!), dann sollte man erwähnen, dass in jeder Sendung des LQ zwar im Schnitt 5,213 Bücher vorgestellt wurden, davon aber jeweils drei oder vier ausführlich – mit Diskussion.

Wenn jetzt aber der sprachbehinderte Lafer daherkommt und erklärt, \“die Leute\“ wollten nicht immer nur Hochgeistiges, dann entlarvt er sich, die ganze TV-Kockk****e (mit einem Lichter, der überhaupt nicht kochen kann), die Fernsehunterhaltung und das ganze marode TV-System.

Nicht die prämierten Menschen und Sendungen waren der Skandal, über den MRR sich erregt hat, sondern die \“Gala\“ an sich mit ihren Zwischenmoderationen, die teils deutlich unter Mario-Barth-Niveau lagen. Das zog sich ja – zu Zwecken der Aufzeichnung – bis zum \“Eklat\“ über fast drei Stunden hin. Das war die Zumutung – insbesondere die Auftritte der \“Comedians\“ Lück, Schröder und Schmitz.

Highlight des Abends war der Preis für \“Switch Reloaded\“, dem einzigen Format der Verblödungsmaschine, das man sich anschauen sollte, denn dann weiß man, was so versendet wird. Ich kann jedenfalls Peter Klöppel in echt nicht mehr sehen, ohne an die Parodie von Michael Kessler zu denken.

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Iris 14. Oktober 2008 um 13:30

Randbemerkung:
Dieser Blog-Artikel ist m.E. ein Paradebeispiel für folgende Blogger-Regel: Wenn eine Sau nur lange genug durch Klein-Bloggersdorf getrieben wird, beschweren sich irgendwann Blogger über die Übertreibung des Sautreibens und jagen so die Sau in eine andere Richtung weiter ;o).

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meistermochi 14. Oktober 2008 um 21:20

\“Die Regie ergötzte sich daran, die im Saal Sitzenden bei Schnitten immer dann zu zeigen, wenn sie besonders blöd aus der Wäsche schauten.\“

dazu muss man sagen: tom cruise ist da absoluter vollprofi. der lacht, strahlt und lächelt immer. von dem kann man ja halten was man will. vielleicht ist cruise total durch und am ende. aber er ist keiner dieser entertainer-amateure. cruise kann man immer zeigen. den erwischt man nie beim popeln, dumm gucken oder genervter gesichtsdisco.

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furioso 15. Oktober 2008 um 8:49

Das Fernsehen wird immer langweiliger.
Der Werbung wegen muss es berechenbar sein.
In einer Talkshow darf es keine Überraschungen geben, denn dann könnten ja viele umschalten und wie soll dann die Werbung abgerechnet werden.
richtiger Sex darf auch nicht, den dann würden die beworbenen Produkte damit ja in Zusammenhang gebracht.

Keinem Potentiellen Käufer darf vor den Kopf gestossen werden.
By rhe way.. Schwarze kommen vor, aber Ehepaare, wo einer schwarz und der andere weiss ist, kommen selten vor. Auch in US-Serien.

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michael kausch 15. Oktober 2008 um 16:39

ich fand mrr durchaus anregend. der mann ist ein spätes echo aus einer zeit, in der man noch ungestraft von der erzeihungs- und aufklärungsfunktion moderner massenmedien träumen durfte.
spannender aber noch war die reaktion des publikums vor ort. diese versammlung von b-picture-humoristen und show-gören sitzt mit weit geöffneten mündern und großen augen und zur hälfte mit ebenso geöffneten und grossen dekolletés da und klatscht beifall ohne ende. man sieht: da klatscht eine branche applaus, die ihre eigenen produkte nur mit grossem zynismus zu stande bringt. ganz im geiste des formaligen rtl-erfinders helmut thoma, der einst die programmqualität seines programms mit den ebenso unsterblichen wie unverschämten worten erklärte: \“der fisch muss dem wurm schmecken, nicht dem angler\“.

gerade der beifall des publikums für seinen scharfrichter war ein lehrstück zum thema mediendemokratie.

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mariana mayer 18. Oktober 2008 um 12:02

Die nachfolgende am Freitag (gestern) ausgestrahlte Sendung mit Thomas Gottschalk zeigte:

Thomas Gottschalk hat den gleichen Choreographen besucht wie Michel Friedman oder er hat ihn einfach kopiert.

Ständig versuchte er gestenreich zu erklären, dass es im Fernsehen Wahlfreiheit zwischen den Programmen gäbe und qualitativ hochwertige/Anspruchsvolle Sendungen nicht den gewünschten Erfolg im Bezug auf die Einschaltquoten haben. Jeder kann sich also frei entscheiden, was er sehen möchte.

Vielleicht wird die Sendung ja noch mal wiederholt, dann können Sie sich anschauen was Reich-Ranicki treffend geantwortet hat.

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Kreuz47 20. Oktober 2008 um 10:12

Es ist wie es immer war.
Der Mann nimmt sich furchtbar wichtig.
Ätzend!

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