Skip to main content

In diesen Tagen der Chemieunfälle sind Bürger besonders sensibel, wenn es in ihrer Stadt müffelt. Das passiert derzeit häufiger. Und wie Lokalredaktionen damit umgehen, zeigt, wer seine Hausaufgaben gemacht hat – und wer nicht. Am 21. August um 21.19 Uhr meldet sich der erste Bürger: „Münster stinkt heute überall, warum????“, schreibt er. Er setzt diese Frage an einen Ort, wo sie eigentlich nicht hinpasst: In das Forum der Preußen-Münster-Anhänger bei Westline, dem Online-Auftritt des Verlags Lensing-Wolff, zum dem die „Münstersche Zeitung“ („MZ“) gehört. Wo soll er sie auch sonst reinschreiben? Und als Preußen-Fan kommuniziert er innerhalb des Forums und weiß: Dort sind immer Menschen präsent – ganz im Gegenteil zur Lokalredaktion seiner Zeitung. Und selbst wenn dort noch Menschen wären: Wie sollte er sie erreichen?

Bald bestätigen weitere Kommentatoren: Überall in der Stadt stinkt es – und das wohl seit dem Nachmittag. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Redaktion von Westline des Themas noch nicht angenommen. Bei der „MZ“ hat man vielleicht schon recherchiert – aber es nicht an den Online-Auftritt weitergeleitet.

Und so dürfen die Nutzer rätseln, was da los ist. Erst am folgenden Tag gegen Mittag gibt es eine Antwort:
„Der Grund war höchstwahrscheinlich eine „Kompostausbringung“ auf einer landwirtschaftlichen Fläche nordwestlich des Zoos. Da es gestern und heute Süd-Südwest-Winde gab, breitete sich der Geruch über die Stadt aus.
Vertreter des Umweltamtes waren vor Ort und haben die Verantwortlichen (die nichts Verbotenes getan haben) gebeten, den Kompost unterzupflügen. Dies wird nun getan und somit geht die Stadt davon aus, dass der unangenehme Geruch in Kürze verschwindet.“

Nun mag man solch einen Gestank als unwichtig empfinden. Nach den jüngsten Gas-Unfällen aber ist mancher Mitmensch eben sensibilisiert (wobei die Geschichte in Münster sich vor den Unglücken ereignete). Solch eine Situation ist ein Moment, da Online-Lokaljournalismus seine ganze stärke präsentieren könnte. Ein paar Anrufe können die Situation schnell klären, dann setzt man die Meldung ins Netz und verbreitet sie über verschiedene Kanäle. Der Aufwand ist überschaubar – der Dank der Leser groß.

Heute nun stinkt es in Düsseldorf. Auf der Seite der „Rheinischen Post“, immerhin noch die meistgeklickte Web-Seite einer Lokalzeitung in Deutschland, ist darüber nichts zu finden. Stattdessen erfahren wir, dass Madonna Düsseldorf ganz toll findet und so enttäuscht ist, dass sich die Tickets für ihr Konzert nicht verkaufen – zumindest „RP“-Redakteure scheinen dies auch noch zu glauben, das mit der D-Dorf-Liebe.

Trotzdem habe ich schon erfahren, was los ist: Antenne Düsseldorf hat sein einiger Zeit einen Twitter-Feed, der anscheinend automatisiert die Nachrichten von der Blog-artig wirkenden Lokalnachrichten-Rubrik verbreitet. Ergänzt wird er um von Hand eingegebene Meldungen. So wie jetzt gerade:
„Der Brandgeruch in Oberkassel und in der Altstadt ist ungefährlich. Im Neusser Hafen haben Gummireifen gebrannt – sagt die Feuerwehr.“

Sicher, Twitter ist nicht die Welt. Nun bräuchte es noch einen SMS- und E-Mail-Dienst. Doch beweist Antenne Düsseldorf mit erheblich geringerer Mannschaft, wie nutzwertiger Lokaljournalismus im Web funktionieren kann. RP-Online dagegen bastelt wohl noch an der Galerie mit Stadtbildern, mit Orten, an denen es gestunken hat.


Kommentare


XiongShui 27. August 2008 um 11:08

Naja, die RP twittert auch, heute zwar mehr über die Angebote der Kantine. Es scheint damit zusammenzuhängen, wer gerade \“Twitterer vom Dienst\“ ist…

Übrigens wenn Kompost stinkt, dann ist er nicht sauber. Gesunder Kompost riecht nach frischer Walderde und damit eher angenehm.

Antworten

Thomas Wanhoff 27. August 2008 um 13:34

Aeh, ich finde brennende Gummireifen sehr wohl gefährlich, genauer die daraus entstehenden Rußpartikel? Mal abgesehen davon, dass in Deutschland keine Sau Twitter benutzt und deshalb das eine typische Geekforderung ist, sollte man aber im Internetauftritt wenigstens eine Kurzmeldung erwarten. Da gebe ich Dir recht. Und wenn es ein \“Es stinkt. Wir schauen gerade warum\“ ist.

Antworten

Stefani 28. August 2008 um 8:57

Wenn wir schon mal in diesem ehrenwerten Blog über landwirtschaftliche Nebenprodukte sprechen: ich kenne den Gestank aus Ludwigsburg und Heidelberg. Nein, Kompost stinkt nicht. Aber es auch kein Kompost, sondern die allseits beliebte Gülle. Und dass die stinkt, daran geht kein Weg vorbei.

Uns wurde im letzten Jahr von der RNZ erklärt, dass die Bauern solche \“Feldersprengungen\“ vorher anmelden müssen, dass es normalerweise (nach dem Bauernkalender?) in den Tagen danach Regen gibt, und damit der Gestank verschwindet. Ob auch unsere Landwirte zum Pflügen beordert wurden, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Habe dann das Gebiet grossräumig umfahren.

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*