Vielleicht lesen hier ein paar Menschen aus Berlin mit. Und vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen gestern den „Berliner Kurier“ gelesen. Dann muss ich etwas richtig stellen: Ich habe dem „Kurier“ kein Interview gegeben – auch, wenn er so tut, als hätte ich das. Meine Kollegin Astrid Dörner schickte mir eine schmunzelnde E-Mail: „Ein Handelsblatt-Redakteur wird vom Berliner Kurrier zu Germany’s next Topmodel interviewt…tsss tss ts.“
Ich war genauso überrascht. Denn ich soll derjenige gewesen sein. In einem Artikel über Heidi-Klums-Möchtegern-Model-Folter schreibt der „Berliner Kurier“ nämlich am Ende:
„So will Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer erfahren haben, dass Christina gewinnt. Die Quelle verrät er aber nicht: „Es würde jemand schädigen, der das nicht verdient hat …““
Klingt so, als hätte der nicht genannte Autor mit mir gesprochen, oder? Hat er aber nicht. Er hat einfach stumpf aus diesem Blog abgeschrieben, ohne dies als Quelle zu nennen. Der Satz stammt aus diesem Artikel hier (der übrigens nicht nur eine Flut von Kommentaren auslöst, sondern die Zugriffszahlen auf die Indiskretion derzeit munter verdoppelt).
Nun habe ich natürlich nichts dagegen, zitiert zu werden. Aber dann bitte doch sauber. Also mit Hinweis darauf, dass der „Kurier“ etwas abgeschrieben hat und sich nicht die Mühe gemacht hat, eine E-Mail zu verschicken oder einen Anruf zu tätigen. Da er zum Berliner Verlag gehört, gibt’s wahrscheinlich auch schon nicht mehr genügend Leute, um solche Zeit aufwändigen Tätigkeiten durchzuführen. Oder die Telefone wurden von Herrn Depenbrock wegrationalisiert.
Nun kann man natürlich sagen: Hey, es ist Boulevard-Journalismus! Oder: Hey, es ist der „Berliner Kurier“. Doch es sind eben solche Momente, in denen sich die Spreu vom Weizen trennt, der sauber arbeitende Redakteur vom Schlamper – und der gute Boulevard-Journalismus vom „Berliner Kurier“.
Nachtrag: So übrigens sehen derzeit die Suchtreffer aus, mit denen Leser auf dieses Blog kommen…
Kommentare
Weltenweiser 30. Mai 2008 um 14:54
Peinlich.
Daniela 30. Mai 2008 um 15:37
Uns passiert es des Öfteren, dass Journalisten Zitate von Lars Hinrichs aus Interviews \“klauen\“ und diese dann völlig zweckverfremdet und aus dem Kontext heraus in ihren eigenen Geschichten verwursten. Und nein, es sind nicht die Kollegen vom Boulevard, die das tun.
Aus meiner Sicht geht es hier nicht um die eben nicht gemachte Mühe, sondern ein grundethisches Problem im Journalismus – wie du ja ebenfalls erwähnst.
Kerstin Hoffmann 30. Mai 2008 um 16:26
Ganz abgesehen davon, dass ich die Vorgehensweise auch fragwürdig finde: Vielleicht hat der Schreiber tatsächlich gar kein Problembewusstsein diesbezüglich. Schließlich ist das Zitat ja von vornherein autorisiert, weil es im Blog steht.
Mit der Vielzahl von Blogs hat man ja jetzt mehr und mehr nahezu zu jedem beliebigen Thema sehr qualifizierten O-Ton von wirklichen Fachleuten ohne Ende – auch im Wissenschaftsbereich und anderen sehr spezialisierten Gebieten. Ohne dass man recherchieren, anrufen und hinterher vorsichtshalber auch noch autorisieren lassen zu müssen.
Mal wertfrei betrachtet: Das wäre ja mal interessant zu beobachten, ob sich da ein neuer Trend abzeichnet, der irgendwann so gang und gäbe ist, dass es niemandem auffällt. Und dann aber zu gucken, ob und wie sich das auf die Qualität auswirkt.
Kerstin Hoffmann 30. Mai 2008 um 16:27
(sorry: \“autorisieren lassen müsste\“.
weltherrscher 30. Mai 2008 um 16:36
aber bitte! es herrscht doch krieg zwischen dem guten journalismus und dem bösen blognalismus, da kann man doch nicht!
und ausserdem und überhaupt!
blogger sind alle böse, auch wenn sie journalisten sind.
obwohl ja eine bekannte bloggerin meint, dass journalisten keine blogger sein könnten.
Marc B. 30. Mai 2008 um 22:29
Wo ist das Problem? Warum soll er das Zitat verifizieren, authentischer als aus deinem eigenen Blog geht es doch nicht mehr.
Und die Autorisierung von Zitaten ist Kuscheljournalismus, das Gegenteil von Verantwortungsbewusstsein. Du hast dich mit der Aussage aus dem Fenster gelehnt, der Kurier berichtet darüber. So soll es sein.
Markus 31. Mai 2008 um 12:34
Da mich Germanys Next Topmodel nur wenig interessiert, habe ich ihren Beitrag über die vorher feststehende Siegerin zwar zur Kenntnis genommen, aber ihm keine sonderliche Beachtung geschenkt – offenbar tun dies jedoch dafür eine ganze Menge anderer Leute. Gratulation zu diesem Scoop !
Wenn Sie mit ihrer Prognose Recht behalten (und spätestens dann ist ihnen die mediale Aufmerksamkeit auch der etwas renommierteren Blätter als die des Berliner Kuriers sicher) dürfen Sie davon ausgehen, dass sie entscheidend dazu beigetragen haben, wenn das bisherige Konzept der Castingshow wohl bis zur nächsten Staffel überarbeitet werden muss.
Und falls Sie Unrecht haben sollten..tja…dann fragen sie am Besten mal bei der Zeitung mit den vier großen Buchstaben im Titel nach, wie man am Geschicktesten überspielt, dass man Unsinn verbreitet hat – die haben da schon gewisse Erfahrung.
Thomas Knüwer 31. Mai 2008 um 14:07
@Marc B.: Bitte mal genau lesen. Ich habe nichts dagegen, aus meinem Blog zitiert zu werden. Aber dann gehört es zu sauberem Journalismus, das Blog als Quelle des Zitats zu nennen. Durch seine Formulierung täuscht der \“Kurier\“ eine Rechercheleistung – nämlich das Gespräch mit mir – vor, die er nicht erbracht hat. Man sollte auch nicht aus Aufsätzen zitieren, ohne dies kenntlich zu machen und nicht aus Interviews anderer Medien, ohne auf diese zu verweisen.
Matthias Schrade 3. Juni 2008 um 10:52
Ich finde das ehrlich gesagt nicht sooo tragisch – werde selber von Medien auch immer wieder mal auf Basis vorhandener Veröffentlichungen zitiert, ohne dass man mich extra anruft (übrigens auch vom HB, soweit ich mich erinnere).
Solange das Zitat korrekt und nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist, finde ich das ok; die exakte Verquellung (\“schrieb im Nebenwerte Insider\“ / \“….unter www.gsc-research.de\“ / \“im Interview mit XYZ\“) halte ich für weniger wichtig.
Allerdings empfände ich es ein Zeichen der Höflichkeit, wenigstens Hinweis auf den Artikel mit dem Zitat zugeschickt zu bekommen, quasi als \“Belegexemplar\“ (damit man als *Zitierter* nicht von dritter Seite auf etwas angesprochen wird, von dem man gar nichts weiß). Und das macht ja nun wirklich kaum Mühe, in Zeiten des Internet.
Matthias Schrade 3. Juni 2008 um 10:55
P.S.: kleine Einschränkung – ein \“geklautes\“ Zitat sollte natürlich nicht bewusst suggerieren, man habe mit demjenigen gesprochen. Also nicht wie z.B. \“Wie uns X verriet, hat er xxxx\“ so wie es ein gewisses Medium mit vier Buchstaben gerne mal macht, auch wenn die Äußerung aus einer PK oder gar von anderen Medien stammte.
Das ist beim diskutierten Zitat des Kurier aber m.E. nicht der Fall, und mir auch noch nicht passiert (soweit ich weiß ;-))
Manager 8. Juni 2008 um 20:24
Tja, Christina hat aber nicht gewonnen 😉
Leider dummes Zeug erzählt :)))))))))))))))))))))
Thomas Knüwer 8. Juni 2008 um 21:37
Tja, das ist ja der Punkt: Erzählt hab ich nix. Das Verb setzt eine mündliche Tätigkeit voraus.