Ich fühle mich so amerikanisch gerade. Nicht nur, weil ich derzeit in Amerika bin, sondern weil der Grund, warum ich hier bin nun endlich so amerikanisch-kitschig werden könnte, wie ich das schon im vergangenen Jahr erwartet hatte. Worüber ich rede? Das größte eintägige Sportereignis der Welt, den Super Bowl. Dies ist der aktuelle Anblick aus meinem Hotelfenster:
Die Sonne kriecht langsam über die Berge, gerade steigt der erste Werbezeppelin auf über Phoenix. Ab heute wird es hektisch hier, ist die Vorhersage, denn es ist Super-Bowl-Zeit. Und wie im vergangenen Jahr werde ich für das Handelsblatt berichten.
Daniel Killy, ein frei schaffender Kollege, sagte mir schon im vergangenen Jahr, dass ein Super Bowl in einer Stadt, in der nicht ohnehin ständig was los ist, ganz anders ist als das, was im vergangenen Jahr in Miami ablief.
Ach so, muss ich noch erklären, was der Super Bowl ist? Kurz: Endspiel der American-Football-Liga NFL, jedes Jahr an einem anderen Ort, Spiel ist am Sonntag, ARD überträgt live, ganz Amerika liegt still, dieses Jahr spielt Favorit New England Patriots (Boston, sozusagen) gegen die New York Giants, Giselle Bündchen ist die Freundin des Patriots-Spielmachers, Jessica Simpson die des New Yorker Gegenstücks.
Schon bei der Ankunft gestern war etwas anders. Und damit meine ich nicht, dass United Airlines offizielle Anschlussflüge zu knapp kalkuliert, so dass mein Koffer erst in der Nacht nachkam (was zuvor auch schon anderen Kollegen passiert war).
Nein, mein persönliches Gefühl ist amerikanischer als beim letzten Mal. Eher so, wie ich mir das auch schon in Miami vorgestellt hatte. Vielleicht liegt es am langen Flug bei gutem Wetter. Erst über das weiße Kanada zum Zwischenstopp ins verschneite Chicago bei minus fünf Grad. Dann weiter, unter uns Felder des Mittleren Westen, die in Kansas abgelöst werden durch kleine Bergketten und viel Schnee. Ein sanft abfallende Hügelgruppe beendet das Weiß zu Gunsten der Wild-West-Landschaft New Mexikos, die übergeht in die Wüsten Arizonas, wo Städte wie mit dem Tortenmesser aus dem Sand geschnitten scheinen. In solchen Momenten wird einem wieder klar: Das hier ist zwar nur ein Land – aber eben auch ein ganzer Kontinent.
Und der wird am Sonntag Sport gucken mit den witzigsten Werbespots des Jahres als Unterbrechung – oder umgekehrt, je nach Interessenlage. Denn der Super Bowl ist eben auch eine Leistungsschau der Werbeindustrie geworden. Allein in den USA werden 94 Millionen Menschen zuschauen, so mancher träumt gar angesichts des Schnees, der die Ostküste und den Mittleren Westen lähmt, von einem geringen Besuch der Bowl-Partis – und somit einer TV-Reichweite von 100 Millionen.
Im Flugzeug sitzen mindestens 20 erkennbare Patriots- und ein Giants-Fan. Der Kapitän verabschiedet sich mit „I’m afrait to say this, but: Go Giants!“ und erntet empörtes Buhen. Ja, so macht das doch mehr Spaß als in Miami, wo der Bowl fast nebenher lief und relativ wenige Fans aus Chicago und Indianapols angereist waren.
Am kleinen Flughafen mit dem überkandidelten Titel „Sky Harbour“ kommt auch eine Maschine aus New York an, gefüllt mit Dutzenden Trägern dunkelblauer Jacken und Trikots – die Giants-Anhänger sind da. Viel mehr ist hier los als in Miami, auch das Sportradio von ESPN meldet, im Gegensatz zum Vorjahr, würden die Fans gen Phoenix strömen. 100.000 erwarten die Stadtvertreter, vielleicht werden es noch mehr. Die meisten von ihnen haben keine Karte, aber Lust auf Party, die hier auf abgesperrten Straßen stattfindet.
Auch im Pressezentrum ist die Atmosphäre etwas anders. Herzlicher, scheint mir. Schon im vergangenen Jahr gab sich die Delegation aus Phoenix viel Mühe, die Stadt hofft auf Tourismus-Werbung durch den Bowl.
Es könnte also viel heimeliger und interessanter werden als in Miami. Und wo ich gerade in so amerikanischer Stimmung war, habe ich auch ein amerikanisches Dinner gewäht: 560 Gramm Fleisch:
Aber vielleicht ist das ja auch alles kein Amerika-Gefühl, sondern einfach der Jetlag.
Kommentare
M.B. 1. Februar 2008 um 16:13
Na dann wünsche ich viel Spass bei guter Atmosphäre, der Herr 🙂
PS: Manchmal könnte man dich ja richtig beneiden, aber nur manchmal 😉
dogfood 1. Februar 2008 um 17:43
Am Rande: Jessica Simpson ist die Freundin des \“Dallas\‘ Gegenstück\“. Eli ist auf einer \“Womanizer-Skala\“ irgendwo zwischen Toastbrot und Drucker-Nachfülltinte angesiedelt.
notmuch$$$ 1. Februar 2008 um 19:12
@dogfood
Eli Manning?
Ist nicht Tony Romo mit der Simpson zusammen?
Ist auch egal, sehen nämlich beide gleich gut aus und eigentlich völlig normal, aber du unterschätzt da einen wichtigen Einflußfaktor der Womanizer-Skala: Der Typ hat $$$!
dogfood 1. Februar 2008 um 19:50
@notmuch$$$:
Ad 1: Bitte Blogeintrag und Kommentar nochmal lesen und verstehen auf was ich mich beziehe.
Ad 2: Warum sollte ausgerechnet Frau Simpson ihre Lover nach Geld aussuchen?
Ad 3: Eli gut aussehen? Eli mit $$$? Ich glaube die Werbekampagnen sprechen eine deutliche Sprache für Romo statt Manning 2.
Thomas Knüwer 1. Februar 2008 um 21:47
Stimmt. Bei Frau Simpson bin ich auf eine ganz blöde konstruierte Geschichte der \“Daily Mail\“ reingefallen…
Longhorn 1. Februar 2008 um 23:41
Immerhin ist Ms. Simpson dafür verantwortlich, dass Mannings Bruder überhaupt erst im Super Bowl steht. Aber war sicherlich schön in Mexiko…
notmuch$$$ 2. Februar 2008 um 12:11
@dogfood:
Ad 1: Bitte um Erklärung, ich hänge in der Materie nicht drin (deswegen als Fragen formuliert). Sagen sie, dass Eli der Spielemacher wäre und nicht der Tony?
Ad 2: Seitenhieb meinerseits auf Frauen allgemein, Muskeln und Bekanntheitsgrad hatte ich vergessen zu erwähnen. Sexistisch? Ja, immer doch! :-p
Ad 3: Ich nahm an, dass quasi alle Spieler in den Teams Geld haben.
Michael Finkenthei 2. Februar 2008 um 18:26
Köstlich. Der Blick aus dem Hotelzimmer, den hatte ich so ähnlich mal in Stralsund. Plattenau nannte man das da. Aber auch sehr hübsch, mit Sonne und so. Und Ostsee statt der Berge. 🙂
Ansonsten, lieber Herr Knüwer, fühlen Sie sich angemessen beneidet auch von mir (obwohl mir die andere Hälfte von dem halben Kontinent, auf dem Sie da sind, glatt noch interessanter vorkommt, aber das ist Geschmacksache)!
Könnten Sie gelegentlich mal mehr über den Steakanbau dort berichten?