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Eigentlich sollte ich die Finger von Vorhersagen zum Start eines neuen Jahres lassen. Denn die aus dem vergangenen Jahr – Journalisten werden sich mit eigenen Projekten selbstständig machen – war ein Flop. Aber andere schert ja auch nicht, was sie vor 12 Monaten schrieben. Und deshalb ein neuer Versuch mit den Trends des Jahres 2008. In „Star Wars Episode IV“ wird irgendwann einmal der Begriff „Klon-Kriege“ eingeworfen. Vielleicht werden wird irgendwann, in ferner Zukunft von den „Feuilleton-Kriegen der Jahre 2007 und 2008“ sprechen, jenen Attacken von Journalisten gegenüber Weblog-Autoren. Seit einigen Wochen ist dieser merkwürdige Stellungskrieg ausgebrochen. Merkwürdig, weil die eine Seite, die Blogger nämlich, die Angriffe des Gegners inzwischen eher belustigt denn wütend zur Kenntnis nimmt.

Das können sie auch, denn der Sieg wird ihnen gehören. Artikel wie die des unsäglichen Bernd Graff sind langfristig gesehen die letzten Zuckungen einer journalistischen Berufsauffassung, die das lebenslange Lernen zwar propagiert, sich selbst aber davon nicht betroffen sieht.

Diese Berufsstandsbeamten, für die ich mich als Journalist schämen muss, werden leider auch im neuen Jahr nicht verstummen – im Gegenteil. Ihre Angriffe werden heftiger werden, sollte die Konjunktur kippen – und dafür spricht viel.

Geht es der Wirtschaft nach den vergangen recht guten zwei Jahren wieder mieser, werden die Werbeeinnahmen sinken. Und so könnte es schon Ende 2008, spätestens aber Mitte 2009 zur nächsten Entlassungswelle bei Print-Journalisten kommen. Einzelne Mitglieder der Redaktionen werden dies dem bösen, bösen Internet zuschreiben und ihren Qualitätsanspruch mit dem Niedermachen von privaten Web-Aktivitäten rechtfertigen.

Noch etwas wird sich in diesem Moment ändern. Online-Werbung wird ihren wahren Durchbruch in Deutschland erst erleben, wenn die Konjunktur kippt. Denn dann werden Investitionen jeder Art intensiver hinterfragt, so manches neue Produkt wird nicht erscheinen, so manche Kampagne nicht gestartet. Beide Entwicklungen bedeuten sinkende Werbeumsätze in den klassischen Medien. Online-Werbung dagegen kann genauer dosiert werden und mit kleineren Etats gefahren werden. Der wirtschaftliche Druck wird zusätzlich dafür sorgen, dass die Marketing-Abteilungen, vor allem aber die Media-Agenturen umdenken müssen.

Die Kürzungen in Redaktionen werden natürlich weiter auf die Qualität drücken, was die Qualitätsdifferenz zwischen privaten Angeboten und denen der klassischen Medien weiter verringert. Dieser Effekt wird sich aber wohl auch erst 2009 bemerkbar machen.

Ohnehin sind dieses und das kommende Jahr eng miteinander verknüpft. Zum Beispiel wird 2008 Handy-TV starten und 2009 zum Flop erklärt. Facebook wird 2008 eine deutsche Version starten und 2009 ein gewaltigen Problem für StudiVZ werden. Darauf würde ich zumindest eine Flasche Ketchup wetten.

Ich rechne außerdem damit, dass in diesem Jahr ein Wandel im Bereich der Startups einsetzen wird. Neugründungen werden sich weniger mit Endverbrauchern beschäftigen als vielmehr mit – im weitesten Sinne – Infrastruktur. Es werden mehr Startups wie das virtuelle Betriebssystem Ghost entstehen. Dieser Trend ist vergleichbar mit dem, was wir in den Jahren 1998 bis 2001 erlebten: erst B2C, dann B2B. Und das wieder ist ein Problem für Deutschland: Denn solche Gründungsideen erfordern weit höheres Know-how als die platte Kopie einer Community.

Auch politisch gibt es eine Verbindung zwischen 08 und 09. In diesem Jahr werden eine Reihe von Landtagswahlen den Weg bereiten für die Bundestagswahl. Es wird sich dann entscheiden, ob Deutschlands Politiker in der Lage sind, die Möglichkeiten des Internet zur Kommunikation zu erkennen, oder ob sie im Web nur einen Werbekanal sehen. Im zweiten Fall dürften sie sich bald fühlen wie in einem Tornado: Denn dann werden ihre Kommunikationsabteilungen nicht fähig sein, auf immer neue Kritik aus dem Netz, auf immer neue Videos mit ihren Faux pas zu reagieren.

Und noch eine Prognose wage ich: 2008 wird das Jahr der Coporate Blogs. In der zweiten Jahreshälfte werden viele neue Weblogs von Unternehmen starten. Ob sie erfolgreich sein werden? Da wage ich keinen Tipp. Mein Gefühl sagt aber: nie im Leben.

(Ansonsten ist hier übrigens urlaubsbedingt erstmal Stille bis zum 7. Januar. Vorher möchte ich mich aber bei Ihnen, liebe Leser bedanken. Dafür, dass Sie hier mitlesen und -korrigieren, vor allem dafür, dass sie kommentieren. Es steht ein spannendes Jahr bevor – bitte bleiben Sie der Indiskretion weiter gewogen.)


Kommentare


Lukas 2. Januar 2008 um 17:55

Darf ich ein wenig mitprophezeien? Dann sage ich nämlich den Anfang vom Ende der Radiolandschaft, wie wir sie kennen, voraus. Vielleicht nicht zwangsläufig in diesem Jahr, aber in der nahen Zukunft.

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Wolfgang Lünenbürger 2. Januar 2008 um 20:05

manueller Trackback, denn zu deiner Corporate Blog Prognose habe ich eine latent abweichende Meinung, was aber wohl nicht überrascht, oder?
http://przweinull.de/eintrag.php?id=82

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Rainersacht 2. Januar 2008 um 21:33

Das mit den Corporate-Blogs vorher zu sagen, ist aber auch einfach: Die basteln ja alle schon seit Mitte 07 dran herum. Interessanter wäre die Prognose, wieviele der geschätzten elfundneunzig Projekte das Licht des Webs erblicken werden.

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Matthias Schrade 3. Januar 2008 um 11:13

>Darauf würde ich zumindest eine Flasche Ketchup >wetten.

ich setze eine Tube Senf dagegen 😉

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Aubertin 3. Januar 2008 um 16:19

Das Problem schwindender Arbeitsplätze auf dem Papierjournalistenmarkt ist sicherlich auch auf das Internet zurückzuführen. Aber hauptsächlich deshalb, da es sich hervorragend als Argument für Gehälter und Honorare zweiter Wahl eignet: Was nichts taugt, wird auch schlichter bezahlt. Der tatsächliche Grund für die Reduktion scheint jedoch vor allem in der Unverfrorenheit zu liegen, mit der Geschäftsführungen zugunsten der Gewinne die Qualität vernachlässigen: Redaktionen ausdünnen und den Freiberufler zur Opernpremiere oder zur Bilanzpressekonferenz schicken (wenn nicht ohnehin leicht umzudichtendes Agenturmaterial vorliegt), der es auch für ein Drittel der Gage macht. Und das wiederum führt dem Internet, zumindest teilweise, neue Autoren zu. So begrüßenswert letzteres sein mag, so beklagenswert ist aber auch das Defizit, das die Zeitungshäuser sich selbst geschaffen haben.

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Chat Atkins 3. Januar 2008 um 16:59

Ob das schon 2008 so weit sein wird, wage ich nicht zu prophezeien. Irgendwann aber genügt für alle Zeitungen eine einzige Redaktion, weil sowieso alle das Gleiche schreiben.

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Torsten 3. Januar 2008 um 17:08

Ähm – die meisten Startups kümmern sich heute schon um Infrastruktur. Dass die nicht auf Webmontagen damit hausieren gehen, bedeutet nicht, dass sie nicht existieren.

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Marcel 4. Januar 2008 um 10:11

Ich bin gespannt, ob du mit der Vorhersage zu den Coporate Blogs Recht behalten wirst. Wahrscheinlich wird sich 2008 herausstellen, welche Formen der Coporate Blogs erfolgreich sein können und welche nicht. Letztendlich wird der Inhalt DAS entscheidende Kriterium sein: weg von langweiligen Posts hin zu praktischen Videos, Kundenbindung mit Spaß für Zwischendurch.

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Web 2.0 Blog 4. Januar 2008 um 16:27

Gut geschriebener Artikel! Den Veränderungen in der Online Marketing Branche stimme ich ihnen zu. Ich bin allerdings gespannt ob das Gieskannenprinzip mit dem manche Firmen / Agenturen Online Marketing Etats ausgeben nicht ein schnelles Ende finden wird.

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Jimmy Lightning 6. Januar 2008 um 18:02

Meine Prognose:
2008 wird das Jahr der \“Online Magazine\“ werden – weg von einfachen Webseiten hin zu Magazinen. D.h. hier sind die Aufmachung und das Image bereits ein Grund dies zu lesen (analog zu z.b. Brand Eins in der Printwelt).

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Nils König 7. Januar 2008 um 16:07

Zur Prognose über Corporate Blogs:
Ich würde mich anschließen was die Wichtigkeit des Jahres für die Szene der CBs angeht. Allerdings wird es kein wirkliches Wendepunkt-Jahr werden sondern vielmehr ein Jahr, in dem sich gute Konzepte durchsetzen und schlechte bei den Usern durchfallen. Am Ende werden wir einen großen Schritt vorangekommen sein, was die Bewertung von Corporate Blogs und deren Position als Kommunikationsmedium für Firmen angeht. Das generelle Konzept CB wird nicht vom Tisch sein, aber wir werden besser wissen, wie man es umsetzt.
In diesem Sinne ein frohes neues Jahr!
Nils König, Daimler Blog

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Michael Scheuermann 8. Januar 2008 um 10:33

Der Unternehmenskultur und -kommunikation herausfordende Impetus der Corporate Blogs wird wohl nicht zur Ruhe kommen. Dazu sind die Companies viel zu sehr in Bewegung. Wer Change sagt, wird es sich wohl kaum leisten können, abseits zu stehen und munter dem Status quo zu frönen.
Michael Scheuermann, BASF

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x4m 12. Januar 2008 um 0:03

sehr gute Vorhersage – endlich mal jemandn, der weiß wovon er spricht und was Sache ist!

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