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Eine Nachricht, die einen erstarren lässt: Ein englisches Startup hat von seinen Kapitalgebern 100 Millionen Dollar erhalten. 100 Millionen Dollar! So hat es Spiegel Online behauptet. Dumm nur: Das ist Unsinn aus der Feder der Spiegel-Online-Autorin. „Mutter drehte Kind durch Fleischwolf – ,Bild‘ sprach als erster mit der Frikadelle.“

So witzelte man in den 60ern über die Sensationsgeilheit der „Bild“. Heute gibt es auch andere, die so arbeiten. Spiegel Online in seinen schlechtesten Momenten, zum Beispiel. Nehmen wir nur den Artikel über das britische Startup Miomi. Über dem steht:
„100 Millionen Dollar erhielten drei Studenten als Starthilfe für ihr Projekt miomi, eine Community, in der Nutzer ihre Erlebnisse entlang einer Zeitleiste aufschreiben.“

Und natürlich muss betont werden:
„SPIEGEL ONLINE sprach mit den Gründern.“

Was dabei herauskam?
„Anfang des Jahres gewann das Team mit der Präsentation des Konzeptes einen Entrepreneur-Wettbewerb an der University of Oxford. Die Jury-Mitglieder waren so begeistert, dass sie dem Start-up Zugriff auf 100 Millionen Dollar zur Verwirklichung des Projektes gewährten.“

Nun war ich kürzlich auch bei Miomi. Und habe nachgefragt, wie es sich denn verhält mit den 100 Millionen Dollar. Denn mit so viel Geld, sollte das Projekt doch eher lauten: Wir basteln mal ein neues Google. Nur ein paar Prozent der Summe dürften doch reichen, um ein Modell wie Miomi zu entwerfen.

Thomas Whitfield, der Mitgründer, ärgert sich noch immer über dieses Gerücht. Die Geschichte nämlich geht ganz anders:
In der Tat gewann Miomi diesen Wettbewerb. In der Tat ist ein Kapitalgeber eingestiegen. Und als symbolischen Akt der Partnerschaft bekam Miomi einen gerahmten Scheck ohne Geldsumme. Stattdessen steht dort: „Whatever it takes“. Ein eher typisch amerikanisches Gebahren. Weil aber dieser Venture-Capital-Fonds 100 Millionen Dollar schwer ist, hat Spiegel-Online-Autorin Karolin Schaps daraus gleich das 100-Millionen-Startup Miomi gemacht. Sollte es bei ihr für Spiegel Online irgendwann nicht mehr reichen – die „Bild“ wird sie wohl mit offenen Armen aufnehmen.


Kommentare


Marc | Wissenswerkstatt 9. November 2007 um 14:42

Puh! Wie kann man eine Nachricht nur so verzerren. Danke für den spannenden Hinweis, der doch wieder genug Anlaß zum Kopfschütteln bietet.
Im Bezug auf die BILD-Exklusivitäts-Großsprecherei: bei uns hieß es früher immer \“Haus flog in die Luft, BILD flog mit…\“ – das also die Entsprechung zum Frikadelleninterview.

Bei der Gelegenheit – kurze Zwischenfrage: Hast Du, Thomas, inzwischen von der PR-Tanja-Anja erfahren, wieviele Personen bei der Web2.0-Studie von PBS befragt wurden?

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Björn 9. November 2007 um 14:53

über SpOn kann man sich eigentlich jeden Tag aufregen seit Sie ihre Ausrichtung auf das Generieren von Page Impressions zwecks Bannerabverkauf verlagert haben. Anders kann man sich die sensationsheischenden Teasertexte auf der Startseite nicht erklären…

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Nichdiekaroabbatrotzdem 9. November 2007 um 16:14

Hm, sicher ein böser Lapsus. Aber lieber Herr Knüwer, die Grundfrage, nämlich wieviel denn \“whatever it takes\“ ist, haben Sie anscheinend auch nicht beantworten können – zumindest nicht geschrieben. Sollte das irgendwo stehen, ziehe ich meine Kritik hieran zurück, aber falls nicht: Als Journalist sollte doch die Richtigstellung von Fakten vielleicht vor die Kollegenschelte gehen. Dieses \“Haha, falsch!\“ scheint mir eine Krankheit in vielen Medienblogs zu sein.

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Thomas Knüwer 9. November 2007 um 16:29

Natürlich gibt es überhaupt keinen festen Betrag. Das ganze ist schlicht eine symbolische Geste. Diese so aufzublasen ist höchst unseriös – und somit nach meiner Meinung aller Kritik wert.

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lupe 9. November 2007 um 19:45

Hallo Nichdie…
\“Als Journalist sollte doch die Richtigstellung von Fakten vielleicht vor die Kollegenschelte gehen. Dieses \“Haha, falsch!\“ scheint mir eine Krankheit in vielen Medienblogs zu sein.\“

Falsch, das ist keine Krankheit in Medienblogs (oder besser der Medien b l o g g e r). Warum sollten Medienblogger, die keinen Heller mit ihrer Bloggerei verdienen, jenen, die ein recht ordentliches Monatsgehalt haben, die Arbeit abnehmen?

Auf den Unsinn hinweisen, den manche Redakteure verzapfen, werden Blogger auch weiterhin, damit die Bezahlten die Gelegenheit erhalten, aus Fehlern, die sie und ihre Kollegen nicht erkennen oder nicht erkennen wollen, Zusatzgewinn zu ziehen, nämlich den, es das nächste Mal besser zu machen (,damit ihnen nicht irgendwann einmal das Gehalt gekürzt wird). Diese kostenlose Hilfestellung von Bloggern kann doch niemand als Krankheit bezeichnen.

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Fischer 9. November 2007 um 21:25

Dem kann man nur zustimmen, zumal der aktuelle Fall ja nun wirklich ziemlich unerfreulich ist.

Klar kann es passieren, dass ein Journalist Unsinn schreibt, wenn er was falsch versteht oder so. Das passiert nun mal, gerade bei komplexen Themen.

Aber ein Artikel über eine Sensation, die sich nach geschätzten fünf Minuten Recherche als falsch entpuppt, zeigt doch vor allem, dass da auf fünf Minuten Recherche schlicht verzichtet wurde. Und das geht nicht.

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Fischer 9. November 2007 um 21:30

Mich persönlich kotzt der Fall vor allem deswegen an, weil mir selbst vor ein paar Wochen folgendes passiert ist: Nach zwei Tagen Arbeit erzählt mir einer meiner Interviewpartner, dass der Kern meiner Story (immerhin ein Paper aus einer renommierten Zeitschrift) schlicht Schrott ist.

Den Beitrag hab ich dann eingestampft – aber wenn sowas durchgeht, hätt ich das blöde Ding wohl besser trotzdem verkauft…

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Sascha Stoltenow 9. November 2007 um 22:25

der trick ist doch wirklich einfach, denn miomi ist natürlich potentielle konkurrenz zum – wie ich finde wirklich guten einestages – und wenn man schon darüber berichtet, kann es nicht schaden, den wettbewerber als üppig ausgestattetes start-up zu kennzeichnen.

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Marcus 12. November 2007 um 13:36

SpOn braucht man eigentlich nicht mehr zu kommentieren.

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