Die RAF hatte Internet-Zugang

Eine häufige Wendung bei Politikerreden ist „Im Umkehrschluss bedeutet das…“ Also nehmen wir doch mal Wolfgang Schäuble und erklären: Im Rückschluss wurde das Internet in Deutschland erfunden und zwar so um 1969 herum. Heute erreicht uns in den Zwischenzeilen eines Artikels von meinem Kollegen Max Steinbeis eine sensationelle Meldung: Das Internet wie wir es heute kennen gibt es weit länger, als bisher gedacht. Und das lässt sich schließen aus den Worten unseres Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble.

Der nämlich sagte anlässlich eines Symposiums zur politischen Bildung am Donnerstag, Menschen „aus unserer Mitte“ würden Terroristen, weil sie eben nicht „in unserer Mitte“ lebten – sonder im „weltumspannenden virtuellen Raum“. Dort führten sie ein „second life“: „Das Internet ist heute so etwas wie die universelle Plattform des heiligen Krieges. Es ist Kommunikationsmedium, Werbeträger, Fernuniversität, Trainingscamp und Think Tank der Islamisten zugleich.“

Schon einmal wurden Menschen „aus unserer Mitte“ Gewalttäter, Terroristen, Mörder. Sie stammten teils aus gutem Hause, waren in einigen Fällen unbestritten mit hohem Intellekt gewappnet. Und sie bombten und anschlagten. Im Rückkehrschluss bedeuten Schäubles Äußerungen also: Die RAF hatte schon das Internet. Hier, in Deutschland wurde es erfunden. Es muss so sein, es geht nicht anders.

Na gut, es war nicht das Internet, in dem die RAF ihre Taten plante. Es waren Häuser. Dort schotteten sich die Mitglieder ab, überall auf der Welt. In Wohnungen führten sie ein Second Life. Häuser waren boten Raum für Kommunikation und Anwerbung, waren Universität, Think Tank und Trainingscamp. Hätten wir keine Häuser, hätte es die RAF nie gegeben.

Nur mit Zynismus kann ich Schäubles wirren Äußerungen noch begegnen. Er tut denkend, doch er denkt nicht selbst, sondern lässt Denken. Wirft Zitate von großen Menschen der Geschichte ein, deren Worte er auswendig gelernt hat. Mit selbstständigem Denken aber hat das eben gerade nicht zu tun.

Es ist bemerkenswert, wie ein Mensch, dem viele Intelligenz bescheinigen – ich konnte sie bisher an keinem Punkt der aktuellen Diskussion ausmachen -, völlig unfähig ist, aktuelle Entwicklungen in seine Analyse einzubeziehen. Ältere Führungskräfte erreichen oft den Punkt, an dem die Innovationsgeschwindigkeit ihrer Umwelt das Fassungsvermögen ihres Hirns überschreitet. Dies ist nicht verwerflich, sondern menschlich. Die wahrlich Großen erkennen ihren Makel und danken in diesem Moment ab. Wolfgang Schäuble hat diesen Zeitpunkt vor langer Zeit verpasst.