Skip to main content

Kennen Sie Fussball.de? Nein? Müssen Sie auch nicht. Außer Sie möchten etwas erfahren über die Unverträglichkeit von Fußballfunktionären und Internet. Zum Vermarkten gehört das positive Eintreten für das eigene Angebot. Das kann dezent und stilvoll passieren, wie es vielleicht der Mann hinter der Tiffany-Theke macht. Oder schreiend wie Käse-Werner auf dem Fischmarkt.

Der Online-Vermarkter Interactive Media (der sich in Konkurrenzbeziehung zu unserer GWP befindet) hat sich für die zweite Variante entschieden. In den Marketing-Schwesterblättern „W&V“ sowie „Media und Marketing“ hat eine 28 Seiten dicke Beilage beilegen lassen zum Stand der Online-Werbung.

Darin stieß ich auf den Artikel „Deutschlands größtes Team trifft sich im Netz“. Er handelt von der Fußball-Community Fussball.de, die anscheinend zur vergangenen Cebit startete. Angeblich zählt sie derzeit 100 Millionen Seitenabrufe und sieben Millionen Besucher monatlich.

Nach einem Blick und der Anmeldung auf Fussball.de kann ich diese Zahlen nicht mehr wirklich glauben. Denn die Community ist wieder einmal ein hingschludertes und kaum auffindbares und noch dazu nutzerunfreundliches Etwas, das nur eines hervorruft – Stille.

Die Nutzer könnten theoretisch anklicken, bei welchen Spielen sie waren. Dann könnten sie Kritiken schreiben und Fotos einstellen. Ginge es aber nach Fussball.de müssten die Stadien betonesque Geisterarenen sein. Selbst bei Bundesliga-Matches gibt es nur selten eine Kritik, viele bewegen sich auf den geistigen Tiefflieger-Niveau von „Bayern ist voll scheiße, ne“.

Und die Fotos? Einmal mehr der Beweis, dass Community-Manager ein Zukunftsberuf sein könnte. So findet sich bei der Partie Nürnberg – Werder Bremen jenes für einen Amateur erstaunlich gute Foto:

Auch die Position des Fotografen ist bemerkenswert, solche Bilder, könnte man meinen machen doch sonst nur die Profis? Aber vielleicht handelt es sich um einen wohlmeinenden Sportablichter? Gut, wohl eher um einen Copyright-Verstoß. So wie das Foto der Begegnung VFL Bochum – Werder Bremen, das mutmaßlich den Bochumer Trainer Marcel Koller zeigt:

Ebenso lustig sind die wissensfreien Äußerungen von Oliver Bierhoff, die er zum Start des Angebots im März vom Stapel ließ, nun nochmals zitiert im Auftrag von Interactive Media:
„Fussball.de ist eine Web-2.0-Plattform. Informationen und Kommentare zu Teams und Vereinen werden eingestellt, Bilder und Videos hochgeladen…“

Ähm… Videos? War da nicht was?

Richtig. Die DFL zeterte doch gegen Videos, die nur das Wort Fußball erwähnten. Und nun wirbt Bierhoff im Auftrag des DFB für das – technisch bei Fussball.de nicht mögliche – einstellen von Bewegtbildern?

So ist sie halt die Welt des deutschen Fußballs. Amateure hantieren dort mit den Millionen, die Profis einspielen. So erklärt sich auch, dass Journalisten, die nur mal eben die Kontaktdaten der DFL-Pressestelle haben möchten, sich in einem komplizierten Anmeldeverfahren registrieren müssen. In diesem taucht eine interessante Bemerkung auf:
„Ich bin damit einverstanden, künftig über Neuigkeiten des Portals www.bundesliga.de, die Bundesliga und die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH und ihre Kooperationspartner informiert zu werden. Sie können einer Verwendung Ihrer Daten zu Werbezwecken jederzeit widersprechen.“

Werbezwecke? Ja. Werbezwecke. Steht auch in den Geschäftsbedingungen, die extra als PDF-Datei heruntergeladen werden müssen:
„Der Anbieter speichert, verarbeitet und nutzt die personenbezogenen Daten der registrierten Benutzer unter Beachtung des geltenden Datenschutzrechts. Die Nutzung erfolgt für eigene geschäftliche Zwecke des Anbieters, insbesondere auch für die Kontaktaufnahme mit dem Benutzer im Rahmen von Werbemaßnahmen des Anbieters.
Das Gesetz gestattet darüber hinaus die Verwendung pseudonymisierter Nutzungsdaten zur bedarfsgerechten Gestaltung der auf der Website angebotenen Services oder zu Zwecken der Marktforschung.
Der Benutzer kann der Nutzung für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung
jederzeit widersprechen.“

Verkauft die DFL die Daten etwa? Oder gibt sie als Freundschaftsdienst weiter? Eine Anfrage läuft.

Ach, was soll man noch sagen? Es ist halt so wie mit Tiffany und dem Fischmarkt: Bei Tiffany sind die Juwelen teurer als anderswo, auf dem Fischmarkt ist alles billiger.

Nachtrag: Vielleicht erklärt sich so die hohe Nutzerzahl: Anscheinend verzichten Vereine, wie Turu Düsseldorf, auf eigene Saisonspielpläne. Stattdessen werden die Nutzer weitergeleitet auf Fussball.de. Und dort huschen sie dann orientierungslos ob des plötzlich geänderten Layouts und der nutzerunfreundlichen Navigation umher.

Nachtrag vom 12.9.: Die DFL hat geantwortet. Und die Drohung steht im Raum. Wenn bei Fussball.de Videos aus dem DLF-Bereich auftauchen, dann wird es krachen. Hier der Text:

„Wie Sie richtig anmerken, ist an dem Portal www.fussball.de der DFB unmittelbar beteiligt, die DFL hat hingegen in keiner Weise etwas mit diesem Portal zu tun. Deshalb müssten Sie Ihre Anfrage bezüglich fussball.de bitte an den DFB richten.

Zu den Fan-Videos: Die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH vergibt die Übertragungsrechte an den Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga für Fernseh-, Hörfunk- und Internetübertragungen.

Der Wert dieser Übertragungsrechte wird durch die nicht lizensierte Präsentation von Videoausschnitten im Internet stark beeinträchtigt.

Die DFL hat deshalb ein Unternehmen damit beauftragt, Urheberrechtsverstöße im Internet aufzuspüren, die Verantwortlichen abzumahnen und Unterlassungen zu fordern. Im Falle derartiger Rechtsverstöße, sind auch zivil- und strafrechtliche Maßnahmen denkbar.

Um konkret auf Ihre im letzten Absatz gestellte Frage zu antworten: Nein, die DFL gibt keine Daten der Medienvertreter an Partner weiter.“


Kommentare


Matthias Schrade 11. September 2007 um 17:44

LOL – aber immerhin ist die aus dem gleichen Stall stammende Seite bundesliga.de ganz ordentlich (wenn auch sicher nicht wirklich perfekt), die du als Münsteraner allerdings wohl eher selten brauchst 😉

Antworten

-mcj- 11. September 2007 um 18:25

Die hohen Nutzerzahlen erklären sich meines Wissens so:

Alle Amateurvereine sind verpflichtet (?), hier am Wochenende relativ schnell die Ergebnisse ihrer Spiele zu veröffentlichen. Deshalb gucken wahrscheinlich alle sechs Millionen Hobbyfußballer soontags da rein, um zu sehen, was die Konkurrenz gemacht hat.

Antworten

madcynic 11. September 2007 um 19:09

Ein gutes hat die Seite, wie schon von -mcj- angedeutet: Man findet hier wirklich alle Ligenergebnisse, auch der untersten Ligen. So kann man dann auch mal nachsehen, was die dritte Mannschaft in der 9. Liga so treibt, und auch die Landespokalwettbewerbe, die ja unter chronischer Unauffälligkeit leiden (kaum Berichterstattung, da überregional nicht von Interesse), kann man hier nachvollziehen.
Zudem erspart es gerade den kleineren Vereinen die aufwändige Pflege von Ligatabellen u.ä.
Was die Communityseite angeht, ist die Kritik allerdings absolut berechtigt, da es in der Accessibility (mir fällt kein deutscher Begriff ein, Hilfe!) stark hakt. Aber der Ansatz, dass jeder Nutzer im Prinzip jedes Spiel kommentieren kann, ist kein schlechter, glaube ich. Nur die Umsetzung…
Was das hochladen von Videos angeht, glaube ich, dass man das nutzen könnte, auch legal, gerade in den unteren Ligen, in denen wie schon gesagt die Stärken des Portals allein schon dadurch zu finden sind, dass es überhaupt Ergebnisse gibt.

P.S. Die jetzige Version ist auch schon eine große Verbesserung gegenüber der vorherigen…vielleicht kommt da ja noch mal was nach 😉

Antworten

der haltungsturner 12. September 2007 um 17:30

Genau so nutze ich fussball.de auch – auch wenn ich es hasse. Meine Jungs lieben es, um zu gucken, wie ihre Gegner gespielt haben und so weiter – bis runter zu jeder G-Jugend-Mannschaft ist da alles drin (wenn man es denn findet). Im Mannschaftsblog meines Großen (http://msv95.blogg.de) muss ich allerdings dauernd den Link auf die Ergebnisse austauschen, was voll nervt….

Antworten

Nicolas 12. September 2007 um 17:37

@madcynic

Accessibility lässt sich meiner Meinung nach schlicht und ergreifend 1:1 mit Zugänglichkeit übersetzen.
Ich denke, dass jeder sofort versteht, was gemeint ist.

Antworten

profihasser 16. September 2007 um 12:06

Amateurergebnisse-nochmal :Für Freunde der unteren Ligen ist die page deshalb unverzichtbar.Der ganze andere mafiöse Millionärsfußball ist doch dort wie anderswo eh keinen Diskurs mehr wert…

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*