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Wir leben in einer so hektischen Welt. Alles ist digital und passiert sofort. Da ist es doch fast beruhigend, dass es noch Institutionen gibt, die sich diesem Wahnsinn nicht anschließen. Wie der WDR.

Und nun schalte ich die Ironie aus. Wäre ich Unternehmensberater, ich würde mal beim WDR anklingeln. Dort scheint es noch gewaltige Rationalisierungsreserven zu geben. Ich weiß, ich weiß… Das überrascht jetzt die wenigsten hier, haben alle schon gewusst, und so weiter und so weiter.

Aber trotzdem kollidiert hier ganz wunderbar die verstaubte Hierarchie der öffentlich-rechtlich subventionierten Privatsender mit der Flexibilität des Internets.

Erinnern wir uns an die vergangene Woche Donnerstag, den 28.6. Da lief am frühen Morgen jene Folge der Kinder-Reporter im Rahmen des ARD-Frühstücksfernsehens, die für heftige Wut in der Web-Szene sorgte, weil sich unsere Volksvertreter wieder einmal als komplett unwissend in Sachen Computer darstellten.

Ich hatte an diesem Morgen nur davon gelesen und setzte mich als erstes mit dem WDR in Verbindung, da ich auf den einschlägigen Videoportalen noch keinen Mitschnitt fand. Die Presseabteilung arbeitete flott und gab mir eine E-Mail-Adresse, bei der ich einen Ausschnitt bestellen könnte, was ich sofort tat. Daraufhin erhielt ich eine Standard-Antwort mit dem Hinweis, die zuständige Stelle habe so viel zu tun.

Eine Stunde später aber war der Zusammenschnitt der Peinlichkeiten auf Sevenload zu finden:


Link: sevenload.com

Heute nun, acht Tage danach, erhalte ich wieder E-Post vom WDR. Und wieder ist es ein Standardschreiben, das in dieser Form schon in der vergangenen Woche hätte versendet werden können:

„Sehr geehrter Herr Knüwer,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28. Juni 2007 und Ihr Interesse an unseren Sendungen. Da wir sehr viele Anfragen haben, war es uns leider nicht möglich schneller zu antworten. Wir bitten um Verständnis.

Fernsehproduktionen sind urheberrechtlich geschützt. Deshalb müssen wir zunächst klären, ob eine Abgabe der Produktion rechtlich möglich ist.

Sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Abgabe gegeben, so muss vom Originalmaterial eine Kopie angefertigt werden. Für Kopierarbeiten VHS oder DVD/ Beta SP oder Digibeta fallen folgende Kosten an:

Länge VHS oder DVD Beta SP oder Digibeta
Bis 15 Minuten Euro 32,– Euro 75,–
Bis 30 Minuten Euro 38,– Euro 109,–
Bis 45 Minuten Euro 45,– Euro 155,–
Bis 60 Minuten Euro 49,50 Euro 176,–
Bis 90 Minuten Euro 56,– Euro 218,–
Bis 120 Minuten Euro 65,– Euro 230,–
Zzgl. 7% Mehrwertsteuer

Da es sich bei Vorführungen zu Dokumentations-, Schulungs-,
Unterrichts- und Seminarzwecken um öffentliche Vorführungen handelt – auch die Vorführung innerhalb einer Schulklasse oder Ansicht unter Kollegen am Arbeitsplatz und Archivierung sind laut Urhebergesetz öffentliche Vorführungen -, wird eine Lizenzgebühr nicht unter Euro 260, — zzgl. 7% MwSt. fällig.

Bitte teilen Sie uns den genauen Verwendungszweck schriftlich mit, damit wir Ihnen ein konkretes Lizenzangebot unterbreiten können.“


Kommentare


OlafKolbrueck 6. Juli 2007 um 16:38

Das eigentlich \“lustige\“ an diesem Formbrief ist der Hinweis auf die Lizenzgebühr. Das ganze Zeug der öffentlich-rechtlichen im Netz könnte eine schöne Einnahmequelle werden, wenn die Damen und Herren sich juristisch gut bewaffnen und den Aufstand aushalten. Aber bis das beim WDR angekommen ist, ist das internet schon von etwas anderem abgelöst worden.

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Stefan 7. Juli 2007 um 0:48

aarrrgg zum kotzen…..

Das ist wirklich bitter, gewissermaßen noch eine Peinlichkeit der Politiker, die dieses öffentlich-rechtliche Bürokratie-System vermasselt haben.

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Ute 7. Juli 2007 um 10:52

Das gleiche ist mir letztens beim NDR passiert. Ich wollte einen Tagesthemenmitschnitt zum Einbau in eine dienstliche Praesentation haben, (habe erstmal eine Mail an die Tagesthemen geschickt, bekam nach drei Tagen Antwort von der Mitschnittstelle, mit der Bitte, da mal anzurufen, um dann zu erfahren, ich moege bitte ein Fax schicken) da an, ob ich den auf www.tagesthemen digital schon im Netz abrufbaren Beitrag auch als gestreamte mpeg- oder real-Player-Datei haben koennte, damit ich ihn einbauen kann. (Es ging um das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 28.3.2006 zum Thema Sportwetten)

Nein, sagte mir die Dame, ich koenne hoechstens eine Beta-Kassette oder eine DVD haben. Ich meinte, dass ich aber nicht wuesste, wie ich das umwandeln kann und ob man mir denn nicht einfach die vorliegende Datei zumailen oder auf CD-Rom gebrannt zuschicken koennte. Nein, meinte die Dame wieder, man koenne wegen mir keine Ausnahme machen und so was haette ja ueberhaupt noch nie jemand gewollt … hmmmm … ich kam mir vor, als lebe ich auf einem andere Planeten …

Das ganze sollte dann auch noch 500 Euro kosten. Ich weiss ja nicht, welcher Teil davon nun wieder fuer Bearbeitungsgebuehr und welcher Teil fuer Urheberrecht draufgeht, aber seltsam fand ich das ganze schon, vor allem, wenn man zum redlichen Gebuehrenzahler gehoert.

Sorry fuer die Umschreibung der Umlaute, bin nicht im Land 🙂

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Christian 7. Juli 2007 um 16:30

Ganz ehrlich: Als PR-Heini brauche ich öfter Mal Mitschnitte und ich muss sagen: Die Öffentlich-Rechtlichen sind da noch die schnellsten. Bei den Privaten sind nämlich gar keine erhältlich. Und alle Mitschnittdienste sind teuerer als die Sender. Wirklich.

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Stephan List 7. Juli 2007 um 16:37

Real existierende Satire.

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kaltmamsell 8. Juli 2007 um 12:27

Christian hat Recht.
(Ein Unternehmensberater würde dem WDR dennoch nicht schaden. Oder er lässt sich von des Tagesschau-Leuten Tipps geben.)

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Wolfgang Miedl 9. Juli 2007 um 10:46

Ich kann mich an frühere Zeiten erinnern, als ich mal von Kollegen hörte, dass die sogar Geld dafür bezahlten, um Raubkopien auf DAT-Bändern aus östlichen Nachbarländen zu importieren. Der Grund dafür: Es war einfach zu kompliziert, von Softwareherstellern und ihren PR-Agenturen schnell und unbürokratisch die neueste Software für Tests zu erhalten. Das Problem existiert übrigens auch heute noch.

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Harald 9. Juli 2007 um 14:58

Das ganze klingt leider nach einem sehr bürokratischen Prozess. Juristisch sind sie aber vermutlich nur so abgesichert (es sei denn der WDR trennt sich freiwillig von seinen Rechten an der Sendung, würden sie dann aber wohl selbst online stellen). Da Sevenload den beschriebenen langatmigen Weg auch nicht in einer Stunde gegangen sein kann ist es somit sehr unwahrscheinlich, dass diese Firma entsprechenden Rechte besitzt und das Werk öffentlich frei \“vorführen\“ darf.
Fühlen Sie sich jetzt wenigstens ein bisschen illegal und schuldig, Hr. Knüwer? 😉

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