Das neue „Spiegel Special“ dreht sich um das Internet. „Leben 2.0 – Wir sind das Netz – Wie das neue Internet die Gesellschaft verändert“ heißt es und beweist damit, dass es zumindest den „Spiegel“ verändert. Denn drei Teilüberschriften – das ist neu, glaube ich. Gestern war wider Wettervorhersagenerwartung schönes Wetter. Und deshalb habe ich nicht zum „Spiegel Special“ gegriffen, das in meiner Tasche lag.
Denn beim Durchblättern sind mir ein paar Überschriften aufgefallen:
„Verpiss dich, du Schlampe
Pöbeleien, Lügen, Morddrohungen – der Ton in Internet-Journalen ist rau. Blogger diskutieren über einen Verhaltenskodex“
„Hacker im Hohen Haus
Das Online-Lexikon Wikipedia ist eine der populärsten Internet-Seiten. In der Politik wird es zunehmend auch zur Imagepflege und zur Diffamierung des Gegners genutzt“
„Der Krieg der Zwerge
Im Internet prangern ,Grüne Gnome‘ die Abzock-Methoden privater Quizsender an – und lösen bizarre Reaktionen aus“
„Fernsehen war gestern
Eineinhalb Jahre nach dem Start von Youtube fürchten TV-Sender die wachsende Konkurrenz aus dem Netz. Millionen selbstgedrehter Web-2.0-Videos bilden eine Mischung aus Schwachsinn und Kreativität“
„Monopoly der Netz-Giganten
Der Boom der Internet-Werbung wirbelt die Wirtschaft durcheinander: AOL versucht sich völlig neu zu erfinden, aber auch Google, Yahoo und Amazon reagieren – mit Multi-Millionen-Allianzen und Übernahmen wie zu Hochzeiten der New Economy“
„Die entleibte Bibliothek
Vor zwei Jahren begann die Internet-Firma Google damit, Hunderttausende Bücher zu scannen und ins Netz zu stellen. Steht jetzt das Ende der alten Bibliothek bevor?“
„Einfallstor in die Privatsphäre
Vor wenig mehr als zwei Jahrzehnten trieb die Volkszählung Zehntausende Bürger aus Angst vor staatlicher Neugier auf die Barrikaden. Im Internet entblößen sich die Menschen heute in einer Weise, die noch vor kurzem kaum vorstellbar gewesen wäre“
„Total unter Kontrolle
Die Deutschen werden flächendeckend ausgespäht… Gegen die Schnüffler kann man sich kaum wehren“
„Alles nur geklaut
…Ob Musik, Filme oder Videospiele – Raubkopieren ist zum Volkssport geworden…“
„Fremde Federn
Hemmungslos kupfern Studenten und Forscher aus wissenschaftlichen Arbeiten ab…“
„Im Namen der Hose
Mit einer beispiellosen Abmahnflut drangsalieren findige Anwälte Verbraucher, die im Internet gegen Marken- oder Urheberrechte verstoßen. Auch Bagatellfälle können ernste Konsequenzen haben“
„Klick, du bist tot
…Auch die Cyber-Mafia wurde erwachsen…“
„Fast alles steht im Netz
Viele Firmen… häufen so große Datenmengen an, dass sie bisweilen den Überblick verlieren, was wo gespeichert ist. So sind oft viel mehr Informationen über das Internet zugänglich, als eigentlich beabsichtigt ist“
„Hacken für jedermann
Mit einem einfachen Programm können selbst Amateure fremde Festplatten ausspionieren…“
„Trojaner im Postfach
Betrüger legen Bankkunden… herein oder prellen Gutgläubige…“
„Ferngesteuerte Zombies
…Kriminelle Banden dringen immer aggressiver in die Privatsphäre von Computernutzern ein…“
„Letztes Stöhnen
Die Stimmen, Killerspiele zu verbieten, werden lauter. Dabei hat Deutschland den besten Jugendschutz. Bei genauem Hinsehen tun sich in der Praxis jedoch Abgründe auf.“
Irgend etwas, ich weiß nicht was, sagte mir, dass diese Ansammlung paranoider Überschriften und Vorspänne von der Zeitschriften-Firma „Spiegel“ mir das schöne Wetter verhageln würde. Vor allem, weil sich bei genauem Hinsehen in der Praxis ja immer wieder Abgründe auftun.
Übrigens ist laut „Spiegel“ Sascha Lobo „einer der meistgelesenen deutschen Blogger“. Interessant. Meines Wissens nach hat er gar kein richtiges eigenes Blog. Aber vielleicht konnte er sich des „Spiegel“-Drucks nicht wehren und hat jetzt eins eröffnet.
Kommentare
uli 2. Juli 2007 um 16:39
Gruslig ist nicht das Netz, sondern dieser Zombie eines gewesenen Nachrichtenmagazins. Um irgendwas über Web 2.0 zu erfahren, würde ich mir als allerletztes den Spiegel kaufen.
Mark Pohlmann 2. Juli 2007 um 16:49
ungefähr in diesem duktus hatte einst auch die aktuelle kamera auf ddr 1 ihre lieben zuschauer vor den gefahren des westens gewarnt. wenn der spiegel mit drohszenarien berichtet, ist es also ein gutes zeichen, dass die revolution vorankommt 😉
schaefchen 2. Juli 2007 um 16:50
Steht der Broder im Impressum? Der hat doch mal behauptet, Internet macht (ist?) doof.
Thomas 2. Juli 2007 um 16:53
Ich freu mich trotzdem schon auf die Lektüre des Specials 😉 Unterhaltsam ist es ganz bestimmt.
Thomas Knüwer 2. Juli 2007 um 17:08
Das ist allerdings kein Blog, sondern eine Ansammlung seiner Kommentare in anderen Blogs.
Peter Turi 2. Juli 2007 um 17:12
Danke, dass Du es formuliert hast: Es war genau diese Ansammlung von Tristesse und Problemschwurbelismus, die mich dazu gebracht hat, das Heft ungelesen in die Ecke zu legen.
Sven 2. Juli 2007 um 17:26
aha, eine diskussion, was ein \“richtiges\“ blog ist …
hast du ein bißchen zeit übrig … 😉
Prospero 2. Juli 2007 um 18:29
Da ist ein Second-Life-Artikel drin – dafür gebe ich keine 6,- Euro aus. Ich schaue dann lieber mal ob die Bibliothek meines Vertrauens das Teil vielleicht erwirbt. 😉
Ad Astra
Don Alphonso 2. Juli 2007 um 19:50
Vermutlich war die Lobotomie ein Extradeal mit Adical für die Werbung 😉
Ansonsten, ich mein, es ist der gedruckte Spiegel Online, was soll man da schon erwarten.
Harald 2. Juli 2007 um 20:02
\“Leben 2.0 – Wir sind das Netz – Wie das neue Internet die Gesellschaft verändert\“. Es gibt ein neues Internet? Ist ja toll, das alte gefällt mir auch schon länger nicht mehr so gut wie früher. Vielleicht lohnt es sich ja doch das Spiegel Spezial (Verzeihung, Spiegel Special) zu kaufen. Ist da eine AOL CD dabei die mir hilft ins neue Internet zu kommen, wieder so mit Boris Becker \“Ich bin drin\“? Wenn ja bitte mehr Details…
malte 2. Juli 2007 um 21:59
Aber \“meistgelesen\“ sagt doch tatsächlich nichts darüber aus, ob er auf seinem eigenen blog bloggt oder im rahmen einer riesigen maschine. zufällig bin ich in einer vergleichbaren situation. hehe.
jo 2. Juli 2007 um 23:13
und überhaupt: früher war alles besser im world wide web…
ths 3. Juli 2007 um 8:16
\“wieder Wettervorhersagenerwartung\“ — ist da nicht\’n \’e\‘ zuviel?
Thomas Knüwer 3. Juli 2007 um 9:32
Stimmt. Korrigiert.
ralphs 4. Juli 2007 um 13:20
Mir ging grad auch ein \“letztes Stöhnen\“ ab!
Karl-heinz 21. Juli 2007 um 12:06
Man sollte nicht alles überwachen