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In den vergangengen Tagen lobpreisten einige hochrangige Herren ? und auch eine Dame ? der Medienwelt die wundervollen Qualitäten des Print-Journalismus. Im Gegensatz zum Internet, das fügen sie eiligst hinzu.

Mir ist sehr danach, diese Medienschaffenden zu besuchen, die jüngste Ausgabe des ?Stern? in der Hand, in gerollter Form. Diesen nähme ich dann und zöge ihn den Führungskräften zwei- bis dreimal über die gut frisierten Köpfe. Man mag sagen, der ?Stern? sei ohnehin kein Qualitätsjournalismus mehr. Doch gewann er jüngst noch ein paar Preise, enthält immer wieder überdurchschnittliche Artikel und trägt seine eigenen Historie gern zu Markte, schließlich ist sein Gründer einer der größten Journalisten der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Und doch lässt er es arglos geschehen, dass Anzeigenkunden versuchen, seine Leser über den Tisch zu ziehen. In seinem jüngsten Heft findet sich eine Fotostrecke unter dem Titel ?Dolce Vita?. Sie dürfte sich für die meisten Leser in nichts von dem unterscheiden, was die Redaktion veranstaltet: Sie ist von Gabo fotografiert worden, einer durchaus angesehenen Fotografin. Und sie behandelt nur ein Thema: ein neues Audi-Modell.

Wer oben in die Ecken dieser Fotos schaut erkennt vielleicht den Haken: ?Audi-Special? steht da. Special. Unter Special, das sollten sie die ?Stern?-Leser für künftige Specials merken, versteht Gruner + Jahr Anzeigen.

Nun lassen sich ja durchaus fruchtbare Diskussionen führen, wie gewisse Sachverhalte genannt werden sollten. Anzeigen müssen nach deutschem Recht als solche gekennzeichnet werden. Vielleicht sollte langsam mal ein Rechtsstreit darüber geführt werden, welche Betitelungen in diesem Zusammenhang irreführend sind ? und welche nicht.

Unter ?Special? jedenfalls verstehen wohl nur die wenigsten Menschen einen gekauften Inhalt. Und wenn der ?Stern? schon ein so allgemeines Wort wie ?Special? als Anzeigenbezeichnung führt, was ist dann mit ?Journal?? Als solches weist der ?Stern? seit ein, zwei Jahren Schwerpunktthemen aus. Sie sind in eigenem Layout gehalten und erscheinen willkürlich ? aus Lesersicht. Aus Anzeigensicht natürlich nicht, denn sie werden den Anzeigenkunden Monate im voraus präsentiert, in vielen Häusern gern gepaart mit den geplanten Inhalten.

Das heißt nicht, dass Anzeigenkunden auf diese Inhalte Einfluss haben. In den Häusern, die sich dem Qualitätsjournalismus verschrieben haben, werden solche Versuche der Einfluss nahme zurückgewiesen. Jedoch kommt es auch vor, dass frustrierte und längst vom Journalismus abgekoppelte Beilagenredakteure, oft abgeschoben in tote Flure oder Kellerräume, ihre Lebensaufgabe darin sehen, den Anzeigenkunden zu dienen. Diese bemitleidenswerten Gestalten kungeln dann auch schon mal ohne Wissen ihrer Vorgesetzten mit den Werbern Deals aus.

Doch welcher Leser weiß um diese Zusammenhänge? Ich will keinesfalls behaupten, dass die ?Stern?-Journale gekaufte Inhalte sind ? doch wenn schon ?Specials? Anzeigen sind, ist da nicht logisch, dass ?Journale? auch dafür gehalten werden?

Aktionen wie jenes Audi-Special bewegen sich auf dem Niveau unseriöser Klinkenputzer, die mit dem billigen Zeitschriftenabo im Kleingedruckten gleich noch einen Staubsauger ?Heinzelmann 3000? mitverkloppt ? es sind bauernfängerische Methoden, die vor allem eines implizieren: Dass der Leser doof ist.

Und oft genug stimmt das in diesem Punkt ja auch. Das Problem sind nur diejenigen, die es durchschauen. Sie sind medienkundig, sie haben gelernt, sich hörbar zu machen, sie erzählen Geschichten weiter ? sie arbeiten daran, dass die klassischen Medienhäuser ein Imageproblem haben.

Doch warum machen die das, die Medienhäuser? Geld, klar. Es geht ihnen nicht gut, den Verlagen. Spricht man mit Anzeigenverkäufern, dann klagen sie, wie schlecht ihre Vorgänger die Anzeigenkunden behandelt hätten. Und die seien auch Kunden. Wie die Leser. Und deshalb müsse man an der Dienstleistungsmentalität arbeiten und auf Wünsche eingehen.

Das ist nicht falsch. Bis zum Ende der New Economy war das Leben eines Anzeigenverkäufers in einem renommierten Verlag kein Übles. Große Blätter wurden ohnehin gebucht, Geld war genug da, es lief gut. Nun hat sich vieles verändert ? und darauf muss reagiert werden.

Eines aber übersehen die Anzeigenabteilungen gern. Zwar bedienen Zeitungen und Zeitschriften zwei Märkte ? den der Anzeigen und den der Leser. Doch es gibt kein Henne-Ei-Problem. Die Prioritäten sind klar gesetzt: Die Anzeigenkunden buchen wegen der Leser. Die Zahl der Leser, die ein Blatt wegen der darin enthaltenen Anzeigen kaufen, hält sich dagegen in engen Grenzen.

Und deshalb sind Aktionen wie die Audi-Fotostrecke wunderbar für den Kunden, aber nicht für den Leser.

Doch es gibt eine weitere Dimension ? die Langfristigkeit. Große Anzeigenetats werden häufig verwaltet von Mediaagenturen. Die bündeln ihre Kunden und können so bessere Anzeigenpreise bei den Verlagen herausschlagen. Der langfristige Erfolg ihrer Kunden ist für sie nur sekundär ? auch weil er für sie gar nicht messbar ist.

Die Erfolgskontrolle ihrer Arbeit ist oft eine rückwärtsgewandte: Sie nehmen die vorhandenen Leserdaten der Blätter in denen sie buchen. Dies kombinieren sie mit dem Preis und erhalten so den Preis pro Kopf eines Zielgruppenmitglieds. Denn jede einzelne Anzeige wird eher selten kontrolliert. Bei solch einer Aktion wie der von Audi, die mutmaßlich viel Geld gekostet hat, ist dies aber nicht ausgeschlossen (egal ob die Fotostrecke von einer Mediaagentur oder dem Unternehmen selbst gebucht wurde). Dann werden Leser des ?Stern? befragt, ob ihnen irgendwelche Anzeigen aufgefallen sind, oder Fotostrecken, oder ob ihnen aufgefallen ist, dass Audi auftauchte.

Erinnern sich genügend Leser an die Bilder, finden sie die Bilder, und im besten Fall auch Audi, schön und gut, so ist das Kampagnenziel erfüllt. Selten wird gefragt, ob aufgefallen ist, dass dies eine Anzeige ist. Niemand aber, zumindest habe ich noch nie davon gehört, fragt danach, ob solche eine Art der Anzeige Wohlgefallen beim Leser auslöst. Niemand stellt sich die Frage, ob solche Inhalte am Rande der Schleichwerbung Auswirkungen auf das Image des Blattes haben.

Vielleicht ist dies eine Frage, die dringend mal gestellt werden muss.


Kommentare


*** 19. Mai 2007 um 9:30

***Hier stand ein Kommentar, der nichts mit dem Thema zu tun hatte****

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Chat Atkins 19. Mai 2007 um 11:20

Und dann wundern sich die klassischen Medien, dass jene Qualitätsleser, die sie unverdrossen behaupten zu haben, längst voller Grauen davongerannt sind, während nur ihr Anteil an Klickvieh noch wuchs oder wächst. Wenn überhaupt …

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Jens 19. Mai 2007 um 12:30

Insofern kann man es doch begrüßen, wenn Zeitungen wie die WAZ einen Ehrenkodex (neu) auflegen. In einer anderen Zeitung aus der selben Region (deren Schwesterzeitung gerne mal die Redaktion handstreichartig ausgetauscht bekommt) ist z.B. heute eine große Seite drin, die meiner Meinung nach nur als Werbung einzustufen ist, dennoch nach redaktionellem Inhalt aussieht.
Werde ich nachher mal im Blog festhalten.

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derherold 19. Mai 2007 um 12:57

*Stern* und \“Qualitätsjournalismus\“ ? Wie lange kann man vom \“Gründungsmythos\“ leben: 20, 30 oder gar 40 Jahre ?
Warum zum *Stern* greifen, wenn man auch *Spiegel* oder *Playboy* haben, d.h. zum Original greifen kann ? 🙂

Ich hoffe, daß @Jens nicht Jens Feddersen ist. 😉
Einen \“Ehrenkodex\“ der WAZ finde ich toll: man stelle sich vor, der \“Ehrenkodex\“ hätte die WAZ-Redakteure gzwungen, Korruption in den Ruhr-Stadtverwaltungen, insbesondere Vorteilsnahme im Personalrat, aufzudecken … hui, das wäre spannend geworden. :)))

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Rainersacht 19. Mai 2007 um 21:31

Anzeigenverkauf für Printmedien ist ein überholtes Geschäftsmodell – nicht zuletzt \“dank\“ der Medienagenturen, die (wie hier sehr richtig dargestellt) kein anderes Interesse haben, als maximal Provisionen abzusahnen. Dagegen sind Advertorials wie das Audi-Special im Stern eigentlich nicht wirklich zu kritisieren. Es sei denn, der Hinweis, es handele sich um Reklame, ist nicht groß genug. Fand ich in diesem Fall nicht; ich dachte schon beim Aufblättern, dass das wohl eine Werbung für das Audi-Coupé ist. Übrigens: In Österreich ist es absolut an der Tagesordnung in Printmedien Reklameseiten unterzubringen, die sehr nah am Erscheinungsbild des Umfelds sind.

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strappato 20. Mai 2007 um 10:45

Eine der Publikationen des Knüwer\’schen Verlagshaus sticht da auch besonders heraus: Ich sag da nur 5bis9.

In Österreich ist so einiges möglich – aber das sollte ja wohl nicht der Massstab sein.

Ich sehe da noch eine andere Gefahr. Die Verlage und Printmedien werden zu Erfüllungsgehilfen der werbetreibenden Industrie. Die wahre Abhängigkeit ist nicht finanziell determiniert, sondern wenn sich die Partner (hier Verlage und Industrie) nicht mehr mit Respekt betrachten und auf Augenhöhe kommunizieren.

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Rainersacht 20. Mai 2007 um 18:38

@strappato: Da fällt mir nur noch ein blöder Spruch für die Media-Fuzzis ein: \“Von Österreich lernen heißt Siegen lernen.\“

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