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Werd ich jetzt paranoid? Wittere ich überall Einflussnahme von Anzeigenkunden auf Redaktionen, weil ich mich zu intensiv mit dem Thema beschäftige. Heute morgen, bei der Lektüre der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, ergriff mich schon wieder dieses merkwürdige Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Mag sein, dass alles mit rechten Dingen geschehen ist. Wieder mal. Dass die Sache ganz arglos ist. Nichts dahinter steckt. Mag sein.

Aber die Seite 29 der heutigen „FAS“-Ausgabe ist zumindest so gestrickt, dass die Kommunikationsabteilung der Deutschen Bank sie als Erfolg feiern dürfte.

Lauter Bilder aus der Geschichte der Deutschen Bank gibt es dort zu sehen. Entnommen sind sie alle dem Buch „Deutsche Bank. Eine Geschichte in Bildern“, das herausgegeben wird von der Historischen Gesellschaft der Deutschen Bank. So etwas nennt man Corporate Publishing. Einen Autor zu diesem Buch gibt es nicht, meist werden solche Werke im Auftrag der Unternehmen von kundigen Journalisten verfasst. So mancher mag aber seinen Namen nicht über dem Werk sehen, weil er anschließend sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen könnte, nicht mehr kritisch berichten zu können über die Firma, für die er ein Buch schrieb. Denn natürlich enthalten solche Ergüsse selten ein kritisches Wort.

Auch Gerald Braunberger, der für die „FAS“-Redaktion die Deutsche Bank beobachtet, spart mit Kritik bei den Bildtexten auf der heutigen Seite: „Heute ist die Rolle der Deutschen Bank während dieser Zeit“ (dem Dritten Reich) „weitgehend erforscht“, heißt es da ohne nähere Erklärungen, wie die Rolle ausgesehen haben mag. Ansonsten sind die Zeilen hübsch neutral gehalten, gerade so, wie man sie schreiben würde, wäre man Autor eines Corporate-Publishing-Werkes.

Die Auswahl einer solchen Seite ist diskussionswürdig. Schließlich ist es keine große intellektuelle Anstrengung auf das Thema „Geschichte eines Unternehmens anhand von Bildern“ zu kommen. Die Historische Gesellschaft der Deutschen Bank wäre sicher zuvor schon behilflich gewesen, dies im Fall der Deutschen Bank zu tun.

Somit also ist der Grund für eine ganze Seite Berichterstattung in der „FAS“ die Tatsache, dass ein Unternehmen in seinem Bildarchiv gekramt hat und diese Fotos leicht verarbeitbar einer Redaktion zur Verfügung stellt. Ist das der Qualitätsjournalismus, den die Herren Keese und Döpfner und Habermas jüngst einforderten und der Print-Objekte absetzen soll vom Internet?

Noch bemerkenswerter wird die Sache, schaut man auf die Anzeige, unten auf der Deutschen-Bank-Seite. Sie stammt vom Uhrenhersteller Vacheron Constatin. Ihr Titel: „Mehr als 250 Jahre ununterbrochene Geschichte“. Historie trifft Historie. Kann Zufall sein. Kann sein, dass nichts dahintersteckt. Kann alles sein.

Muss aber nicht.


Kommentare


Läscher 20. Mai 2007 um 13:53

Ich muss gestehen, ich verstehe die Überschrift nicht ganz.
Ein Wortspiel mit Audi wahrscheinlich, aber was bedeutet es?

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Jens 20. Mai 2007 um 15:00

Ich hatte nur ein halbes Jahr Latein, meine aber es heißt \“Hören\“.

Das Wortspiel kommt also indirekt doch von der Autofirma Audi, denn ursprünglich hieß diese Firma ja Horch. Umbenannt wurde sie dann in Audi, was der Imperativ von Audire ist und \“Höre zu! (Hörzu?)\“ oder \“Horch!\“ bedeutet.

Nur:
Müßte die Überschrift dann nicht auch eher Audi Stern bzw. Audi FAS heißen?

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Hendrik 20. Mai 2007 um 15:11

@ Jens: das ist korrekt. Allerdings würden dann wohl manche Knüwer-Leser paranoid.

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Thomas Knüwer 20. Mai 2007 um 15:38

Mist, war mir nicht mehr sicher, ob audi tatsächlich die Befehlsform ist. Die einschlägigen Online-Lexika warfen immer audire aus – was mir komisch vorkam. Aber ich hab nur kleines Latinum, weil mir bei dieser Sprach immer alles komisch vorkam. Also: Audi ist als Übersetzung von \“Hömma\“ richtig?

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niels | zeineku.de 20. Mai 2007 um 16:18

Richtig.

Ich habe immerhin KMK-Latinum. 😉

\“Audire\“ müsste der Infintiv sein (also \“hören\“); der Imperativ lautet \“audi\“ (\“höre!\“) bzw. im Plural \“audite\“ (\“hört!\“).

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Läscher 20. Mai 2007 um 16:52

Ich kaufe ein \“nicht\“, ändere dafür aber \“TM\“ in \“TK\“, Sorry.

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Thomas Knüwer 20. Mai 2007 um 16:58

Danke! Ich ändere das mal!

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Cator 20. Mai 2007 um 17:10

Anbei, Latein immer kleinschreiben!

Eindeutiger finde ich auch: \“et tu, FAS?\“

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Cator 20. Mai 2007 um 17:18

add.:
Naja, hab ich mich vielleicht doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt, kann wohl am Absatzanfang auch großgeschrieben werden. Im Falle von \“audi\“ würd ich\’s aber trotzdem immer kleinschreiben, es macht es deutlicher.

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Christian 20. Mai 2007 um 17:37

Dass die Anzeige mit geschichtlichem Bezug drunter steht, finde ich OK. Die Geschichte hat doch keinen aktuellen Bezug, oder? Da hatte die Anzeigenabteilung ja Zeit, den passenden Kunden zu finden. Gute Arbeit.

Wenn die ganze Seite gekauft wäre, wäre das schon ein ziemlich dickes Ding. Das traue ich der FAS eigentlich nicht zu. Ich lese sie allerdings zu selten, als dass ich das beurteilen könnte. Aber EINE KOMPLETTE SEITE OHNE KENNZEICHNUNG? Das wäre schon starker Tobac.

Wenn es wirklich \“nur\“ PR ist, dann ist es eine Glanzleistung des zuständigen PRlers. Fetten Respekt – oder (ich hab nicht mal das kleine Latinum): respectus magnus.

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Thomas Knüwer 21. Mai 2007 um 9:17

Es gibt einen Unterschied dazu: Wir bekamen Fotos von einem aktuellen Ereignis exklusiv. Das ist etwas anderes als Archivfotos.

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LBK 21. Mai 2007 um 11:42

Von Konkurrenzbashing halte ich an dieser Stelle eigentlich nicht viel. In dem Fall kann ich über die FAS aber nur den Kopf schütteln. Die Seite hätte mindestens mit \“Sonderveröffentlichung\“ gekennzeichnet gehört. Ein schlechter Witz und selbst für eine PR-Seite wäre das verdammt fett aufgetragen.

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