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Wer sich ins Fernsehen wagt, kann darin umkommen, oder so. Das Fernsehen, in Gestalt des NDR und seines Talkshowproduktionsdienstleisters Reinhold Beckmann, haben nun verhindert, dass jemand darin umkommt. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack. Vor einigen Stunden war hier ein Artikel online, den ich nach wenigen Minuten wieder rausgenommen habe. Grund: Mir war die Faktenlage zu dünn. Nun bin ich ein Stück schlauer. Aber nur ein kleines Stück.

Aber im Detail….

Am Montag Abend kramte Reinhold Beckmann in seiner Talkshow wieder einmal einen der scheinbar in endloser Zahl vorhandenen Ex-Rad-Profis hervor, die außerhalb der Szene längst vergessen sind, nun aber erzählen dürfen, wie das so war, damals, mit dem Doping. Diesmal war es Bert Dietz.

In dessen Interview wurde eine Passage überblendet mit einem Piiiiiieeeep. Früher wäre dies durchgegangen als schlichter technischer Fehler. Es zeugt von der Medienkundigkeit wenigstens eines Teils der deutschen Bevölkerung, dass ein paar Menschen aufhorchen. Und so gelangt die scheinbare Panne ins Netz, zum Sport-Weblog Allesaussersport. Und dort findet sich tatsächlich ein Leser, der den Piiiiiieeeep technisch neutralisiert.

Und das Ergebnis ist folgende Passage:

„Dietz: Ham gesagt ?du pass auf, Walter braucht sein Geld?

[Dritte Stimme im Hintergrund]: Das wird zu heiß [?](?)

Beckmann: Wer braucht sein Geld?

Dietz: Walter.

Beckmann Walter Godefroot, der Teamleiter vom Team Telekom hat also das Geld eingetrieben, hab ich das richtig wiedergegeben?

Dietz: Eingetrieben habs die Pfleger. Die haben halt gesagt, daß Walter das vorher gezahlt hat.
Beckmann Also hat er das ausgeliehen vorher, Walter Godefroot, der Teamleiter, das Geld für die Epo-Ampullen. Was hat das für ein Kostenwert gehabt? Eine Ampulle mit 1000 oder 2000 Einheiten kostet wieviel?

Dietz: Um die 50 Euro.“

Es folgt eine Menge Ungewöhnlichkeiten: Kein Wiederholung der Sendung auf 3Sat, keine Ausschnitte im Internet. Und eine schmallippige Erklärung des NDR gegenüber Allesaussersport. Die zuständige Dame ließ auch am Telefon freundlich aber bestimmt durchblicken, dass mehr als das nicht aus dem Sender herauszubekommen sei:

„Die „Beckmann“-Sendung am 21. Mai haben wir für kurze Zeit mit einem Piepston unterlegt, um den Gast vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen zu bewahren und um möglichen äußerungsrechtlichen Ansprüchen vorzubeugen. Veranlasst hat dies der Sender im Einvernehmen mit allen Beteiligten. Zum Inhalt der Passage kann ich mich aus den genannten Gründen nicht äußern.“

Und hier liegt das große Problem. Denn wer so wenig sagt, macht sich verdächtig. Erst recht, wenn gerade die ARD als Sponsor und Freund des Teams Telekom sich dem Übersehen und der mangelnden Recherchefreudigkeit in Sachen Doping verdächtig gemacht hat.

Nun also möchte man Dietz vor strafrechtlichen Konsequenzen schützen. Vielleicht war es einfach so, dass er, nach der Sendung auf die Passage aufmerksam gemacht, beteuerte, das sei ein Missverständnis, ein Fehler, da habe er sich versprochen. Und wenn es so war, ist es gut möglich, dass dies auch stimmt.

Wahrscheinlicher aber ist, interpretiert man die Äußerungen des NDR, dass Dietz es durchaus so gemeint hat. Und dass hinterher diskutiert und entschieden wurde, dass die Sache wirklich zu heiß ist. Denn natürlich könnte Dietz bei einem Prozess eidesstattlich erklären, dass es so war. Was Godefroot nur kontern könnte, mit anderen Zeugen, die eidestattlich versichern, dass Dietz lügt – es würde eine unappetitliche Affaire.

In solch einer Situation hinzugehen und ihn nochmals darauf aufmerksam zu machen, was er gerade gesagt hat, ist journalistische Sorgfaltspflicht. Natürlich hat auch Dietz schon Interviews gegeben. Aber wenn ich es richtig sehe, war er nirgends Co-Kommentator oder hat sich nach seiner aktiven Zeit medial produziert.

Nur: So einfach ist die Sache eben dann doch nicht. Dietz hat in der Sendung Doping gestanden, er hat die Ärzte vom Team Telekom belastet. Auch das ist eine rechtlich relevante Äußerung. Die aber ist drin geblieben. Solch eine Äußerung macht man nicht mal en passant, ich gehe davon aus, dass Dietz auf das Interview vorbereitet wurde. Auch dies ist Teil der journalistischen Sorgfaltspflicht: Man spricht mit dem Interviewpartner vorher mal, bei brisanten Themen tastet man schon mal ab, in welche Richtung es geht – gerade bei Menschen, die in den Medien wenig erfahren sind.

So wäre das Verhalten von Sender und Produzent eigentlich nicht weiter zu kritisieren. Dass nun so viel spekuliert und diskutiert wird, liegt eben an der ARD selbst. An ihrer Unfähigkeit, eigene Fehler zu gestehen. Würde sie nun endlich hartnäckig recherchieren am Thema Doping, so könnte sie es sich erlauben, Interviews zu überpiepsen.

Und vergessen wir nicht: Dietz hat zugegeben, betrogen zu haben. Nun also möchte „Beckmann“ einen Betrüger schützen? Ist das Kronzeugenregelung à la Reinhold?

Solche bösen Fragen dürfen wir stellen, weil die ARD eben nicht der große Saubermann ist. Weil sie sich, wie der Kollege Kistner heute in der „Süddeutschen“ so schön analysiert, gerne mit Unschuldsvermutungen vom Recherchieren abhält. Und so muss sie arglos erdulden, dass man ihr sogar vorwirft, sie habe Dietz bezahlt, seine Aussagen zu machen. Denn niemand anderes kann er ja meinen, wenn er sagt: „Dietz ist bezahlt worden, um das zu sagen.“

Ehrgefühlige Journalisten würden sich das nicht bieten lassen. Und gegenrecherchieren. Doch so ist das halt in der modernen Welt des Fernsehens. Auf der einen Seite sitzt ein Sender, der die Sendung vom Dienstleister abnimmt – dort ist die Angst groß, den eigenen Arbeitgeber in den Skandlschlund zu reißen.
Auf der anderen Seite sitzt die Produktionsfirma. Die Angst hat, in genau solch einem Fall als am leichtesten zu erreichendes Bauernopfer geköpft zu werden.

Man hätte alle Chancen gehabt, das Blatt zu wenden. Zum Beispiel, indem das Interview gekippt worden wäre. Oder die ganz Sendung. Auch eine längere Erklärung wäre eine Möglichkeit gewesen. Doch man wollte unbedingt eine heiße Exklusivstory haben – bitteschön aber in der Temperatur, die man sich wünscht. So wie am Herd von Kerners Köchen, die können sich auch die Welt zusammenschmurgeln, wie sie möchten.

Nun aber haben die Zuschauer in Beckmanns Ofen die Sicherung rausgenommen – und es wird richtig heiß.


Kommentare


Hanno Zulla 23. Mai 2007 um 19:27

Mir ist relativ unklar, warum der Mann in eine TV-Sendung, um dort seine Aussage zu machen.

Und nicht schlicht zu seinem Anwalt und mit dem zum Staatsanwalt.

Antworten

UltrBorst 23. Mai 2007 um 20:00

Weil vom Staatsanwalt für sowas wohl kein bekommt?
Mal davon abgesehen, dass der auch kein Buch verlegen kann oder weitere BEZAHLTE Interviews geben kann…

Tja was soll man schon zu unserem Weichspüli-Beckman sagen?
Der Bäckman, der normalerweise zielsicher an jedem Eklat oder auch nur kleinen Geschichte vorbei Interviewt, dabei aussieht wie die Butterwelle auf dem zum Geburtstag meiner Omma aufgestellten Buffet, wird dann auch hier keinen direkt anschmieren, hat er noch nie gemacht, schon gar keinen, den man auch als Fachfremder kennen könnte…

es bleibt wie es ist:
Beckman kann man vieles vorwerfen, nur nicht Journalist zu sein…

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UltraBorst 23. Mai 2007 um 20:02

uupps:
im ersten Abschnitt fehlt wohl noch \“Geld\“ 😉

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Rainersacht 23. Mai 2007 um 20:13

Man stelle sich vor, es hätten sich alle am Skandal Beteiligten zusammengesetzt und überlegt, wie man die Außendarstellung des Skandals so lenken kann, dass am Ende die Sache (=Team Telekom, ein Multimillionenprojekt) gerettet wird; will sagen: dass ein gereinigtes Team Telekom wieder am Radelzirkus teilnehmen kann.
Könnte sein, dass man sich überlegt hat, dass ein paar nicht mehr aktive Nasen \“gestehen\“, dass man dann diverse Bauernopfer (insbesondere Klinik Freiburg) vornimmt und schließlich behaupten kann, einen \“umfassenden Selbstreinigungsprozess\“ durchgeführt zu haben.

Da Walter G. das Zeug zum Kronzeugen hat, der die möglicherweise weit und tief verästelte Korruption rund um Instanzen wie die ARD, T-Com, BDR samt Schaaarping, gewisse Medikamentenhersteller und die Schar der Co-Sponsoren in Gänze aufdecken könnte, ist dieser aus der Schusslinie zu nehmen. Das würde erklären, warum Dietz den Spruch über Walters Beteiligung wegzensiert bekam.
Ein weiterer möglicher Kronzeuge sitzt übrigens ein, bleibt aber gefährlich.

Könnte doch sein, oder?

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Jochen Hoff 24. Mai 2007 um 7:42

Nun ja. Gestern gab es ja viele Erklärungen für die Zensur und den Versuch einer Aufarbeitung.

Der einzig ehrliche Satz jedoch fehlte.

Die ARD und das ZDF haben versucht mit dem Radsport Quote zu machen und gut daran verdient. Deshalb haben sie bewusst positiv berichtet um die Grundlage ihres Erfolges nicht durch die Wahrheit zu vernichten. Damit waren sie allerdings nicht alleine in der Medienwelt.

Wenn schon um so ein bischen radfahren so ein Zuschauerbetrug gemacht wird, was mag dann wohl mit dem sein, was wir als Nachrichten bekommen? Alles Lüge? Teilwahrheiten? Angepasste Wahrheit?

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Julius 24. Mai 2007 um 15:45

Alles richtig. Aber ich konnte trotz des Tons verstehen, was Dietz gesagt hat.

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Norman Schultz 6. Dezember 2010 um 1:35

Guter Bericht… Ich kann mir die weichspülenden „Journalisten“ beim Fernsehen ohnehin nicht anschauen. Bei relevanten Stellen habe ich immer das Gefühl, dass nicht nachgehakt wird. Deine Analyse bestätigt das nur. In einem Durchschnittsmedium haben eben wenige ein Interesse daran, in die wirklichen Hintergründe einzusteigen. Stattdessen gibt es immer wieder eine merkwürdige Verbrüderung von Fernsehen, Stars und Sponsoren. Auch wenn ich Friedmann nicht mochte, ich möchte wieder einen Moderator erleben, der seine Gäste an ihren Grenzen provoziert und herausfordert. Sicher war Friedmann hier zu selbstherrlich und teilweise unfair, aber der weichgespülte Kram bei anderen Sendungen, lässt mich Friedmann bei weitem vorziehen.

Das sind echt gute Beiträge von ihnen Herr Knüwer 🙂 Haben Sie auch eine E-mail-Abo-funktion irgendwo?

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