„Das ist aber ein Schnuckelchen“, flüstert Senior Consultant Sabine zu Sekretärin Polia und ihre Kopfbewegung deutet in Richtung des gläsernen Konferenzraums. Dort sitzt der Chef zusammen mit drei beanzugten, fast geklont wirkenden Herren.
„Bärater“, sagt die Bulgarin. „Von Kahpähämgä. Woollen Chommunikationstrahtägie.“ Nach der Mittagspause weiht der Chef auch den Rest der Crew ein. Im Großraumbüro der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt sind alle versammelt: Neben Polia und Sabine auch Managing Partner Marcel, die Senior Consultants Lars und Alexandra, Junior Consultant Tanja-Anja und Praktikantin Julia.
„KPMG will uns“, sagt der Chef. „Brauchen frischen Wind. Innovative Kommunikation. Fallen zurück hinter die internäschenel Conzaltänts. Muss extrem creative werden. Cutting edge. Neueste vom neuen. Hängt Euch rein. Wegtreten.“
Im gläsernen Konferenzraum beginnt das große Rauchen der Köpfe. Denn bald stellt sich heraus: Zu KPMG fällt beim besten Willen niemand was ein.
„Kreativtechniken, wir brauchen Kreativtechniken“, fordert Lars, während er rund um den Konferenztisch tigert. „Kennt jemand welche?“
Lars hebt die Hand: „Synektik.“
Ratlose Blicke. „What’s that?“, fragt Marcel.
„Eigentlich heißt das: Zusammenkommen von verschiedenen und anscheinend irrelevanten Elementen..“, setzt Lars an und wird von Alexandra unterbrochen: „Wie Du und Julia?“, giftet die Senior Consultant in Erinnerung an die Affäre der beiden, die sie zunächst auseinandergebracht hatte. Nun aber scheinen die beiden wieder vereint. Was Alexandra an der weiblichen Ehre kratzt.
Julia zischt: „Schlampe.“ Lars übergeht den Zwist und fährt fort: „Also die Gruppe entfernt sich mit Hilfe von Abstraktionen, Analogien und Metaphern vom Problem. Und dann analysiert man das Ergebnis und kommt auf das eigentliche Problem zurück.“
„OK, let’s try this“, geht Marcel auf die Idee ein: „Wem fällt was zu KPMG ein?“
„Der süße Berater im Nadelstreifenanzug“, wirft Sabine ein.
„Latin Lover“, setzt Tanja-Anja die Assoziationskette fort.
„Antonio Banderas“, wirft Sabine den Ball zurück.
„Haare auf der Brust“, sagt Tanja-Anja.
Alexandra schaut mitleidig lächelnd auf ihre Kolleginnen: „Und jetzt analysiert mal die Brusthaare von Antonio Banderas im Hinblick auf KPMG.“
„OK, OK, sonst noch Kreativtechniken?“, umgeht Marcel jede weitere Erörterung.
„Wir hatten doch damals diese Technik zur Namensfindung von Nubuntu. Schnallen wir doch unser kleines, unverstelltes Gehirnchen mal wieder auf einen Stuhl und drehen dran“, sagt Alexandra mit triefendem Hohn in der Stimme.
„So bringt das doch nichts, Kollegen. Also gut. Wir treffen uns übermorgen wieder. Bis dahin will ich Ergebnisse sehen“, bricht Marcel das Meeting ab.
Zwei Tage später das gleiche Bild. Nur mühsam kommen Vorschläge zusammen. Zum Beispiel der, die Kampagne von Accenture und Tiger Woods zu kopieren. Eine Idee von Sabine: „Da heißt es doch: Be a tiger. Und wir könnten doch Franz Beckenbauer nehmen und sagen: Heute ein Kaiser. Von wegen Kundenbehandlung und so.“
Marcels Kopf schlägt auf die Tischplatte. „Noch jemand mit einem so schwachsinnigen Vorschlag?“
„Fragen wir doch Julia“, sagt Alexandra genüsslich.
Marcel runzelt die Stirn: „Wieso?“
Alexandra wischt sich demonstrativ einen imaginären Fussel vom sandfarbenen Prada-Kostüm. „Ich dachte mir, wir müssen neue Wege beschreiten. Etwas verrücktes machen. Dazu braucht es vielleicht… sagen wir, eine Art Medium. Also habe ich Tanja-Anjas Glücklichmacher-Pillen mit Julias Morgenkaffee verrührt. Sechs Stück, um genau zu sein.“
„WAAAAAS?“, schreit Lars.
„WAAAAAS?“, schreit Tanja-Anja, „das ist eine dreifache Tagesdosis!“
„Ich weiß“, sagt Alexandra. „Aber schauen wir mal, was es bringt.“
Lars schüttelt bereits die regungslose Praktikantin. „Süße, was ist, sag doch was, Du musst zur Toilette, Dich übergeben…“ Dann entgleitet Julia seinen Händen und rutscht zu Boden.
„Grüüüüüüüüüün“, jubelt sie auf dem Teppich liegend. „Alles grüüüüüüüün…“ Derweil räkelt sie sich über die Auslegeware.
„Grün. Gute Corporate-Identity-Farbe“, sagt Alexandra und schreibt mal vorsorglich mit.
„Und da ist Knuuuuuut. Und er ist grüüüüüüün“, seufzt Julia.
„Eisbär. Tiermotiv. Nicht schlecht. Aber grün? Ich weiß nicht“, meint Alexandra.
Lars versucht seine Liebste irgendwie wachzuschütteln doch die entreißt sich und wirft sich bäuchlings auf den Konferenztisch: „Ich bin ein Pinguuuuiiiinnn…“
„Eisbären fressen Pinguine. Mach uns keine Hoffnung“, sagt Alexandra.
„Du mieses Arschloch“, brüllt Lars sie an. Dabei übersieht er, dass Julias Rutschpartie mit dem Ende des Tisches ebenfalls ein Ende findet. Mit einem lauten „Broch“ schlägt ihr junger Körper auf dem Boden auf.
Getan hat sie sich aber anscheinend nichts. Sie springt auf und hüpft wie eine Primaballerina aus dem Konferenzraum.
„Ballett-Szene. Oder Eiskunstlauf. Kraftvoll. Hat was“, meint Marcel, der inzwischen unsicher ist, ob diese Methode nicht doch was für sich hat. Könnte natürlich auf Dauer Probleme mit der Krankenversicherung geben. Und die Dosierung der Pillen müsste genauer analysiert werden.
Dann aber verwirft er die Idee, als Julia abhebt zu einem eingesprungenen Salchow, der gestoppt wird von der Bücherwand auf der einen Seite des Großraumbüros. Die Erschütterung lockert eine Batterie von Büchern, die Julia unter sich begraben.
Als Lars sie freigräbt, klammert sich die Praktikantin mit zitternden Händen und Schaum vor dem Mund an ein Buch: „Kribbeln im Kopf“ von Mario Pricken – ein Werk über Kreativitätstechniken.
Während Lars seine Liebste zum Krankenhaus fährt, blickt Alexandra mit sanftem Nicken auf die Seite, in der Julias Zeigefinger steckte. Eine Beispielanzeige ist dort abgebildet, ein Muster für besondere Kreativität. „Siehst Du, Marcel. Hat doch was gebracht.“
„Wieso?“, fragt der Managing Partner.
„Schau Dir diese Anzeige an. Hat TBWA für den Tierfutterhersteller FCL gemacht:
Ein Zebra jagt den Jäger – so könnte sich das Bild doch auch nach einer guten Beratung wandeln. Und dann der Claim: Gute Beratung kann alles verändern.“
Marcel stutzt: „Aber… Merkt das nicht jemand?“
Alexandra winkt ab: „Guck Dir doch nur Karstadt Quelle an. Geben sich einen neuen Namen, um den zu finden beauftragen sie die Namensagentur Nomen. Und was ist? Nomen, die vorher schon Arcelor und Arcor erfunden haben, googeln einfach mal nach nem A-Wort und finden einen Krieger bei World of Warcraft der Arcandor heißt…
Ich meine… Arcor – Arcelor – Arcandor. Und dann ein Priester der Zwergenrasse. Da muss sich Middelhoff doch eigentlich verarscht vorgekommen sein. Aber nein – Nomen kommt damit durch“, sagt Alexandra.
Marcel grübelt einen Moment: „Ja, Du hast eigentlich recht. Mach mal. Und beim nächsten Mal schraub bitte die Dosis bei Julia runter. Das Buchregal war echt teuer.“
Und so erfreut sich KPMG bald darauf einer neuen Anzeigenkampagne:
Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:
Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel
Vroni
Lingua franca
Angie
Dumm gelaufen
Neue Republik
PC-Maus
Gedanken eines Chefs
Rooobiiiiiieee
Daviiiiiiiid
Geliebte „Bunte“
Sich einfach zulassen
Ein fröhlich‘ Lied
Backenfutter
Kaiserslautern
Have yourself a merry little christmas
DFB
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Kollerkommunikation
Die Zahl des Monats
Job-TV 24
Valentinstag
Sepp Blatter
Neue Sanftmut
Street Credibility
Nike
James Bond
Rolling Stones
Eröffnungsspiel
Paris Hilton
Bunte Pillen
Sigmar Gabriel
Gastautorin
Jack Bauer
Second Life
Markus Schächter
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