Gerne stellen Medienmanager Online-Leser als flatterhafte Wesen dar, die von hier nach dort zappen, nur kleine Info-Happen vertragen und keine langen Artikel wollen. Nun gibt es eine Studie zu diesem Thema – und die besagt genau das Gegenteil. Ich will ja nicht mit Superlativen um mich werfen und nicht übertreiben. Aber die Studie der Medienforscher vom Poynter-Institut könnte das Denken über Informationsangebote im Internet maßgeblich verändern.
Das Zeitungs- und Online-Nutzungsverhalten von 600 Amerikanern wurde per Augenmessung und Befragung untersucht. Die Überraschung:
Suchen sich Online-Leser einen Artikel raus, dann lesen sie ihn zu 77 Prozent. Zeitungsleser kommen dagegen nur auf 62 Prozent im klassischen Zeitungsformat, bei Tabloid-Blättern sogar nur auf 58 Prozent. Und: Zwei Drittel aller Online-Leser lasen den jeweiligen Text sogar komplett – unabhängig von der Länge. Und das bedeutet: Online-Texte dürfen auch lang sein, was mancher noch immer bestreitet.
Kommentare
lupe 4. April 2007 um 19:02
Ob Leser z.B. die Ostsee-Zeitung überhaupt noch online lesen werden, ist fraglich, denn seit heute sind fast alle Artikel der Online-Ausgabe kostenpflichtig – ein wirksamer Schritt, Leser vom Online Angobt fernzuhalten. (Besonders irre: Wer die Zeitung als Druckausgabe abonniert, kann sie kostenlos online lesen.)
Mit dieser Methode kann zugleich das Ergebnis der Poynter-Studie widerlegt werden.
Im Übrigen danke für den tröstlichen Hinweis, dass auch lange Riemen gelesen werden, denn ich konnte mich mitunter auch nicht zähmen, solche zu schreiben.
Bernhard 4. April 2007 um 22:33
Kann ich bestätigen. Lese online aufmerksamer als mit der viel zu großen und unhandlichen Zeitung in der Hand. Vielleicht sind die vielen Coaches und Lehrer, die uns in den vergangenen zehn Jahren die spezifische \“Online-Schreibe\“ haben beibringen wollen, ja auch Scharlatane?
Andreas 5. April 2007 um 1:41
Kurz nachgedacht: Stimmt mit meinem eigenen Leseverhalten überein. Gerade im Netz lese ich gerne auch längere, hintergründige Texte, Dokumentationen und Analysen. Vielleicht wird man da ja sogar weniger abgeschreckt als bei einer bleiigen Zeitungsseite, wo man von Anfang an vor Augen hat, wie umfangreich das Textkonglomerat ist.
Peter Schumacher 5. April 2007 um 10:49
Die Schlussfolgerung freut den Onliner, sie greift aber zu kurz, solange Poynter nicht verrät, wie lang die Online-Texte, wie lang die Print-Texte waren. Und: Ab wann galt ein Artikel als \“zum Lesen ausgesucht\“? Ist nicht kurzes Anlesen in der Zeitung Teil des Selektionsprozesses? Und ist Online dagegen die Entscheidung mit dem Klick auf den Volltext getroffen?
diaet 5. April 2007 um 11:37
Die Mischung macht\’s vermutlich, wie immer, oder?
Die spezifische \“Online-Schreibe\“ braucht man ja vermutlich schon – um den Leser zu halten (ich wollte hier wirklich nicht \“teaser\“ schreiben). Aus eigener Erfahrung lese ich ebenfalls auch online längere Texte komplett, wenn ich mich einmal festgelesen habe.
Möglicherweise kommt Print (egal ob Zeitung oder Zeitschrift) ja auch die psychologische Komponente \“liegt hier rum, hab ich gekauft, dann kann ich auch alles lesen\“ zugute – aber die wirkliche Themenbindung stelle ich auch zunehmend online fest.
Sebastian Tolk 7. April 2007 um 9:12
Die Erklärung hierzu ist ja aber auch recht einfach. Bekomme ich in Printmedien die Artikel \“zugeworfen\“ lese ich natürlich nur das was mich interessiert. Im Netz lese ich zielgerichteter.
Unabhängig davon, und das wird hier komplett unter den Teppich gekehrt, besteht ein großer Unterschied ob ich Text digital oder auf Papier lese. Denn gedruckten Text ließt man anders als Text auf dem Monitor. Das liegt zum einen an der Lesetechnik und den typografischen Mitteln die am Text angewandt worden sind.
Digitale Texte lassen sich grundsätzlich \“schwerer lesen\“ als gedruckter Text. Online nehmen wir z.T ganze zeilen dar und \“scannen\“ den Text. Desweiteren ist es schwerer \“Zeile zu halten\“. Daher die These \“das lange Texte in Onlinemedien zu vermeiden sind\“. Also eher eine Physikalische Erklärung.
Dazu gibt es eine ganze Reihe an \“Regeln\“ die bei der Textegstaltung, egal ob on- oder offline, zu beachten sind.