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Nun ist sie also raus, die deutsche „Vanity Fair“. Schade, dass sie so mutlos ist. Die deutsche Ausgabe der „Vanity Fair“ hatte ich mit einiger Spannung erwartet. Denn eine Mischung aus Lifestyle, Politik und Wirtschaft ist eigentlich genau das, was ich am Wochenende gerne hätte.

Das erste Titelbild (nein, nicht das schwarze Werbeblatt, sondern das darauf folgende Foto-Cover) hat mich am Mittwoch leider meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Angesichts dieser gesenkten Erwartungshaltung konnte es also nur noch oben gehen.

Konnte. Ging aber nicht. Oder: Nur viel zu selten. „Vanity Fair Deutschland“ ist kein schlechtes Blatt. Aber eben auch kein herumreißend neues. Das Schweiger-Interview hat etwas vom Besuch beim Psychiater mit Kuschelfragen wie „Fliehen Sie vor der Ruhe oder vielleicht auch manchmal vor sich selbst?“

Besser da schon „Die Lady und der Vamp“, ein etwas zu langer, aber sehr gut geschriebener Vergleich zwischen den Freundinnen der englischen Prinzen-Brüder. Solche etwas anderen Blickwinkel auf Yellow-Press-Themen sucht man ansonsten vergebens. Christian Boros, Werber und Kunstsammler, präsentiert seinen umgebauten Bunker – den er allerdings auch jedem Journalisten, der Lust hat, vorstellt. Eine Fotosession mit Schwimmerin Britta Steffen hat wohl nicht genug für eine lange Fotostrecke hergegeben und wird flott abgefrühstückt.

Hollywood gibt es gleich mehrmals zu bestaunen und das unabhängig von der Aktualität. Ein Film, „Dream Girls“, ist bereits gestartet, ein anderer, „The Good Shepherd“, startet am 15.2., der nächste, „Das wahre Leben“, erst am 1.3. Alle werden sie mit zugehörigen Geschichten bedacht, die meisten beliebig. Ausnahme: Chris Heath schildert ein wenig zu selbstverliebt, insgesamt aber äußerst unterhaltsam sein Scheitern beim Versuch, aus Robert de Niro etwas über seine Vergangenheit herauszupulen. Nur, Überraschung, die Interview-Fragemente sind keine Übernahme aus der „Vanity Fair“ – sondern aus einem anderen Blatt des Hauses Condé Nast, der „GQ“. Hier muss wohl die deutsche „GQ“ unter der neuen Schwester leiden.

Glück gehabt hat das neue Blatt mit dem Portrait über Barack Obama. Weil er pünktlich zum Erscheinen der „VF Deutschland“ seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hat. Glück gehabt, denn vorher hatte er nur sein Interesse bekundet. Er war nicht, wie „VF“ schreibt, bereits fest ins Rennen eingestiegen. Aber geschrieben hatten ohnehin die deutschen Medien reichlich über ihn.

Politik gibts auch. Ein saftloses und anschmeichelndes Portrait über Sigmar Gabriel. Und der krampfhafte Versuch mit einer Grafik die Zusammenhänge zwischen Ségolène Royale und Nicolas Sarkozy deutlich zu machen. Ein wirres Scheitern: Die zahlreichen Pfeilchen zwischen einzelnen Personen sollen davon ablenken, dass es die Redaktion geschafft hat, nur eine einzelne dürre Beziehung herzustellen: Sarkozy hat „als Innenminister Geheimdienst auf Royale angesetzt“.

Ach ja, die viel diskutierte Michel-Friedmann-bei-der-NPD-Story: Eigentlich eine gute Idee, doch viel zu lang ausgewalzt und viel zu selbstverliebt.

Wirtschaft? Gibts auch. Ein Portrait von Niklas Zennström, dem Skype-Mitgründer und jetzt Vater des Internet-Fernsehens Joost. Unkritisch hochgejubelt und mit wenig Neuem.

Sie plätschert so dahin die „VF Deutschland“. Vieles ist nett, doch nichts so gut, als dass man es nicht mehr missen möchte. In der ersten Ausgabe von „Park Avenue“ gab es wenigstens Dinge, die so gaga waren, dass man sich an ihnen reiben konnte. All das fehlt hier. Vor allem aber fehlt die Tiefe des US-Vorbilds. Das macht im Februar zwar mit Demi Moore – also auch einem Filmstar – auf. Doch gleichzeitig gibt es eine Reportage mit der Überschrift „Ist Nigeria der nächste Irak?“ und eine sehr, sehr böse und unbedingt lesenswerte Geschichte über die Zukunft der US-Zeitungen.

Lege ich die beiden Magazine nebeneinander, zeigen schon die Cover-Bilder, wohin es geht. Auf dem einen grinst nett Herr Schweiger mit nem Lämmchen auf dem Arm, auf dem anderen lockt Frau Powermoore. Und so kommen sich auch innen daher. Die eine nett und niedlich und verzichtenswert, die andere überraschend, abwechslungsreich und mit eigenem Standpunkt.

Vielleicht aber ist die erste Ausgabe, denke ich, nur ein Best-of der Testnummern? Mal schauen, was Ulf Poschardt & Co. im nächsten Monat veranstalten. Monat? Ach, nein, das ist ja ein Wochenblatt, die deutsche „Vanity Fair“. Was ihr in kaum einem Moment anzumerken ist. Vielleicht ist die wichtigste Geschichte in der gesamten Premierenausgabe deshalb die, über die Geschichte des Magazins.

Das strunzt zwar gern mit seiner Historie, doch gab es jahrzehntelange Pausen, in denen es nicht erschien. Und es verpuppte sich so oft, dass seine wahre Geschichte erst 1984 beginnt. Zwischendurch war es ein Satireblatt, eine Modezeitschrift, ein Frauenmagazin. Es hat lange gedauert, bis Condé Nast ein Format gefunden hatte, das den Lesern gefiel. Insofern also reiht sich die deutsche „Vanity Fair“ mühelos in diese Geschichte ein.


Kommentare


Stephan Meyer 11. Februar 2007 um 17:45

\“Interview-Fragemente\“: Interessante Wortschöpfung. Vermutlich unabsichtlich; dennoch originell.

Herr Knüwer, Herr Knüwer, wieso sind wir uns eigentlich auf den DLD nicht begegnet? Sollte ich Sie übersehen haben, oder waren Sie vielleicht nur virtuell dort?

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Thomas Knüwer 12. Februar 2007 um 9:17

Doch, ich war auch real dort.

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nora 12. Februar 2007 um 20:55

… Vanity Fair ist bei uns leider überall vergriffen…

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Yetused 13. Februar 2007 um 21:26

\“Ein Portrait von Niklas Zennström, dem Skype-Mitgründer\“

Ah, die Leute der Software, die auf deinem BIOS rumschnüffelt.

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Bellis 14. Februar 2007 um 12:25

Sehr aktuell auch der Artikel über die geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Hirn…der Spiegel brachte die Nummer in Ordnung zwei Wochen vorher…-die Fotokunst…schrecklich, wenn schon trash dann richtig

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ANTISARKO 10. März 2007 um 17:58

***Hier stand ein Kommentar, der nichts mit dem Thema zu tun hatte.***

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