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Manchmal scheint es so einfach: Idee haben, Unternehmen gründen, reich werden. So propagieren es die Freunde der Internet-Wirtschaft, so wollen es Politiker bei ihren Gründeroffensiven aussehen lassen, so beschreiben es die Medien, machen sie eine neue Selbstständigkeitswelle in Deutschland aus. Nur: Was ist mit der Verantwortung? Vergangene Woche moderierte ich eine Diskussion beim Marketingclub Düsseldorf. Es ging „Fast Moving Consumer Goods“, was erstmal bedingt spannend klingt. Hoch interessant jedoch war der Redner: Helmut Maucher, Ehrenpräsident und langjähriger Chef von Nestlé.

Maucher ist ein Mann der alten Werte. Davon zeugte auch sein Verhalten nach der Diskussion. Geduldig beantwortete er, fast 80 Jahre alt, weshalb ihm niemand eine schnelle Abreise Richtung Bett verübelt hätte, im kleinen Kreis Fragen und wirkte zumindest interessiert an jedem (und wenn er es nicht war, so ist er ein guter Schauspieler). Mehr noch: Er merkte sich die Namen der Personen, mit denen er sprach, bat jeden um einen Karte.

Und auch wenn er diese Karten vielleicht nie mehr in seinem Leben anschauen wird, so ist es doch die Geste, die ihn von den meisten anderen im Wirtschaftsleben unterscheidet – er begibt sich auf gleiche kommunikative Augenhöhe mit jedem, der mit ihm reden möchte.

Noch viel lieber als über schnell drehende Konsumgüter hätte so mancher, auch ich, mit ihm über die Verantwortung von Managern gesprochen – ein Thema, zu dem er sich gerne äußert. Auch in Düsseldorf warf er ein, dass es zu wenige Manager gebe, die sich noch dem langfristigen Denken und der Verantwortung gegenüber ihren Untergebenen verpflichtet sähen.

Da wird so mancher vielleicht lachen in der bunten Welt der Internet-Gründungen. Verantwortung – welch verstaubter Begriff aus dem vorigen Jahrtausend.

Doch genau da liegt das Problem. Unternehmen zu gründen, sie mit fremden Kapital aufzupumpen und den Ballon mit Klickzahlen zu füllen, das erscheint so einfach, so mühelos, dass darüber etwas verloren geht: Was ein Geschäftsführer tut, beeinflusst maßgeblich das Leben seiner Mitarbeiter. Und: Das Geld, das ihm andere zur Verfügung stellen, dient nicht der Erhöhung seines eigenen Spaßanteils im Leben, sondern er trägt die Verantwortung dafür, dass dieses Geld eine ordentliche Rendite einfährt.

Womit wir bei jemand wären, der dies anscheinend nicht so recht begriffen hat. Sein Name ist Ehssan Dariani, er ist Chef des Studenten-Netzwerks StudiVZ. Die aktuell laufende Affäre habe ich schon einmal kurz schraffiert, eine ausführlichere Erläuterung gibt es hier. Es sei angemerkt, dass sein Unternehmen auch von der Konzernmutter unseres Hauses mitfinanziert wird.

Jener Herr Dariani also lädt zu einer Geburtstagsparty mit der Internet-Seite VoelkischerBeobachter.de und montiert das Firmenlogo in den Reichsadler. Dann filmt er anscheinend alkoholisierte Frauen und veröffentlicht diese Filmchen bei Youtube. Das alles findet er nicht so schlimm, schreibt er in seinem eigenen Blog. Manische Political Correctness unterstellt er seinen Gegnern. Klar, man darf auch Witze machen mit den Dritten Reich, es gibt da durchaus geistvolle, das Musical „The Producers“ sei hier genannt. Nur: Dariani ist kein Komiker. Er ist Geschäftsmann mit der Verantwortung für Mitarbeiter. Und deshalb muss ihm klar sein, dass solch ein Verhalten sein Geschäft maßgeblich schädigen kann – und somit die Zukunft derjenigen, die ihm vertraut haben.

Wes Geistes Kind er ist, demonstriert er noch mit einer anderen Kleinigkeit. Peter Turi, Journalist und Blogger, hatte über StudiVZ in einem Artikel für die „Wirtschaftswoche“ geschrieben. Dariani hatte die dort erwähnten Details bestritten und behauptet: „Ich habe niemals direkt mit Peter Turi gesprochen.“

Dem ist dieser Satz erst jetzt aufgefallen. Und es hat ihn verwundert:„Jetzt, wo Du ganz entspannt bist, könntest Du eventuell ein neues Verhältnis finden zur Wahrheit. Über einen Journalisten, mit dem Du am 23. August 2006 zwischen 15.30 und 17.00 Uhr anderthalb Stunden bei Latte Macchiato und Pfefferminz-Tee in dem kleinen Café schräg gegenüber Eurem Büro mit Wasserschaden intensiv über Dein Baby StudiVZ gesprochen hast, musst Du keine Sätze schreiben wie: „Ich habe niemals direkt mit Peter Turi gesprochen.““

Nun mag es sein, dass Turi eine Vision hatte von jemand, der da vor ihm saß. Dass er einen Fehler gemacht hat und mit einem der anderen Gründer gesprochen hat. Oder das einfach frei erfunden hat. Doch seien wir ehrlich: Wahrscheinlich ist das nicht. Viel wahrscheinlicher ist eine bittere Erkenntnis: Dariani lügt.

Er hat übrigens studiert auf der Handelshochschule Leipzig, die sich zumindest bei studentischen Kick-Turnieren zur „Ivy League“ rechnet. Dieser Begriff übrigens kommt aus dem US-Sport. Hier ist die Ivy League die Sportliga, zu der sich acht renommierte Elite-Unis zusammengetan haben. Sich selbst nach dem kurzen Bestehen dazuzurechnen, darf als eine gewisse Anmaßung angesehen werden.

Aber gut, Handelshochschule Leipzig also. Sie beschäftigt auch Andreas Suchanek. Er ist Professor für „Sustainability and Global Ethics“. Entweder also Dariani hat nie seine Vorlesungen besucht, oder er hat nicht aufgepasst, oder sie waren ihm scheißegal, oder Herr Suchanek ist nicht kompetent. Letzteres ist mutmaßlich die unwahrscheinlichere Variante.


Kommentare


Spätburgunder 13. November 2006 um 19:23

Kein Wunder eigentlich, dass „die Wirtschaft“, „die Unternehmer“ beim Thema gutes Image nicht so richtig auf die Beine kommen. Nicht, dass es keine Gegenbeispiele gäbe… aber wenn sich schon der (Möchtegern?)Nachwuchs so geriert…

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Medienfuzzy 13. November 2006 um 21:42

IMHO war Dariani in St. Gallen (aber auch Ivy League, glaube ich), auf der HHL war Gadowski von Spreadshirt, der ja auch an StudiVZ beteiligt ist (wie auch immer). Drum wohl die Verwechslung.

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Christian 14. November 2006 um 0:04

Und was hat das überhaupt mit der Ivy League zu tun? Welche europäischen Hochschulen währen Ihren zufolge denn überhaupt berechtigt an einer europäischen Ivy League zu partizipieren?

Ansonsten: Wayne!

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fennek 14. November 2006 um 9:48

Christian –
Die Hochschulen, deren Studenten „partizipieren“ an Stellen sagen, an denen es „teilnehmen“ genauso getan hätte.

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Mark 14. November 2006 um 12:09

Viel wahrscheinlicher ist: Dariani hat völlig den Überblick verloren, mit welchen Journalisten er in den letzten Monaten gesprochen hat. Er ist ein junger Mann, der eine clevere Idee nach Deutschland geholt hat und sie verwirklichen konnte, weil ihm jemand 5000 Euro zur Verfügung stellte.

Dann hob das Projekt ab und seit ein paar Monaten bekommen er und seine Kollegen ständig Anfragen nach Interview-Terminen, Konferenzen, Preisverleihungen und so weiter.

Dazu kommt noch die Blogophäre, die einen gewissen Einfluss auf die Hauptzielgruppe des Unternehmens hat, und die er deshalb (anders als andere Branchen) ernstnehmen muss. Dort reichen in der bloße Gerüchte aus, um täglich eine andere Sau durchs Dorf zu treiben.

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Thomas Knüwer 14. November 2006 um 13:39

Schade, lieber Mark, dass Sie hier anonym bleiben. So bleibt ein Hauch von Glauben, dass es sich bei Ihrem Beitrag um das dreht, was der Berufskommunikator Astroturfing nennt und für das meine geneigten Leser leider auch keinen besseren Begriff fanden.

Überforderung ist leider aber keine Entschuldigung. Im Gegenteil. Sie macht die ganze Angelegenheit nur schlimmer.

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Christian 14. November 2006 um 20:47

Touché, Fennek.
Leider ist meine Hochschule nicht in der „Ivy-League“. 🙂

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ein Student 11. Dezember 2006 um 15:31

Hallo!
Netter Artikel, jedoch gibt es einen kleinen Haken:
Esshan Dariani hat niemals an der HHL studiert; nur ein Investor hat dort studiert. Esshan Dariani hat meines Wissens in St. Gallen studiert. 😉
Besuchen Sie doch auch mal die Vorlesung von Herrn Suchanek…!

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