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Als unerstürmbarer Monolith in einer Zeit des Krisengeredes erwiesen sich in dieser Woche die 20. Medientage München. Thomas Knüwer / München
Deutliche Worte fanden bei den Medientagen in München, dem wichtigsten Treff der Branche, die zahlreich angereisten, hochkarätigen Vertreter klassischer Medien für Behauptungen, das Internet sei eine Gefahr für ihr Geschäft. „Ich möchte wissen, wer der Redakteur ist, der einen Text geschrieben hat – das können nur die Print-Medien liefern“, sagte zum Beispiel Eberhard Sinner, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei. Und: „Print-Medien werden aus der Krise gestärkt hervor gehen.“

Welche Krise der unkende Politiker ausgemacht haben will, blieb aber unklar. Denn mit Vehemenz erklärte Holtzbrinck-Geschäftsführer Prof. Michael Grabner: „Die Zeitungen sind überhaupt nicht in der Krise.“ Dem pflichtete auch Hermann Balle bei, der Verleger des „Straubinger Tagblatts“: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sind weiter im Geschäft.“

Das Internet als Chance: So sehen es sowohl Fernseh- wie Verlagsmanager. So begeisterte Gruner + Jahr-Geschäftsführer Bernd Buchholz mit der Idee von Media Packages: Man könne doch eine Kochsendung aus dem Fernsehen auch im Internet zeigen und sie mit einem Magazin ergänzen.

Schade nur, dass die Veranstalter sich erdreisteten einige Quoten-Schlechtredner auf die Podien zu laden. Woher nahm zum Beispiel Johannes von Bismarck, Managing Director der Private Equity-Gesellschaft Veronis Suhler, die im vergangen Jahr die „Berliner Zeitung“ übernommen hatte die Dreistigkeit zu Sätzen wie: „Die Schlacht um den deutschen Online-Markt ist (für die Verlage) verloren.“

Es war vor allem die Schlagfertigkeit der klassischen Medien gegenüber den lästig auftretenden Freunden des Internets, die in München begeisterte. So, als Peter Stefan Herbst, der Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ vielen aus dem Herzen sprach: „Im Internet und in Weblogs ist mir zu viel Trash.“

Dies meinte die die Online-Tagebuchschreiberin Katharina Borchert, genannt Lüssar, zu erwidern mit: „Aber in den klassischen Medien doch genauso.“ Glänzende Replik von Herbst: „Ja, aber da lese ich es ja auch nicht.“

Gut, dass einige der schlimmsten Kritikaster freiwillig der Veranstaltung fern geblieben waren. Andere potenzielle Aufrührer wurden gar nicht erst eingelassen – ein Blogger ist doch kein Journalist.

Und so blieben sie unter sich, die nicht tot zu bekommenden Gläubigen des Digitalen. Standen auch bei der prunkvollen „Nacht der Medien“ im alten Justizpalast allein mit ihren Blackberrys und wunderte sich, warum niemand mit ihnen reden mochte. Vielleicht sehen sie nun ein: Es gibt keine Krise.


Und hier noch ein paar Zitate:
„Der Konsument ist der werbetreibenden Industrie Lichtjahre voraus.“
„Verlage wollen den Kunden möglichst lang auf ihren Seiten halten. Wir wollen ihn möglichst schnell wieder wegschicken.“
Philipp Schindler, Regional Director Nordeuropa, Google

„Ich glaube, es gibt nur wenige Branchen, die so innovationsfeindlich sind wie Zeitungsverlage.“
Gerd Edlinger, Geschäftsführer „Österreich“

„Die Print-Medien verdienen gut, einige sogar sehr gut.“
„Wir dürfen uns nicht als Print-Häuser sehen, sondern als Verwalter von Marken.“
Prof. Michael Grabner, Geschäftsführung Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck

„Die Branche fällt zu oft wechselseitig übereinander her und gönnt sich nicht das Schwarze unter den Nägeln.“
Bernd Buchholz, Vorstand Zeitschriften, Gruner + Jahr

„Es ist bemerkenswert, mit welcher Arroganz manche Zeitungsmacher mit ihren Lesern umgehen.“
Johannes von Bismarck, Managing Director Veronis Suhler

„Craigslist ist der Ground Zero für Zeitungsanzeigen.“
Wolfgang Blau, freier Journalist

„Natürlich kann man die Blockierung von Internet-Seiten anordnen.“
Manfred Hecker, Rechtsanwalt des deutschen Lottoblocks

Manne von Polylux ist ja auch eine Art interaktives Fernsehen“
„Google ist derzeit ein Technikanbieter – aber das war Bloomberg auch einmal.“
Christoph Keese, Chefredakteur „Welt am Sonntag“

„Ich finde es sehr spannend, dass Blogs in den USA ein so wichtiges Thema sind.“
„Bei Wikipedia zeigt sich die deutsche Mentalität: Wir korrigieren gerne und spielen Schutzpolizei.“
Christiane zu Salm, Aufsichtsratsvorsitzende Fon

„Glauben Sie, dass Verlage die Sprache der Googles dieser Welt sprechen?“
Michael Bohn, Geschäftsführer Zenith Optimedia

„Ich kann many-to-many abbilden.“
Christoph Mohn, Geschäftsführer Lycos Europe

Und für alle, die hier kommentieren möchten, ein Wort von Ulrich Reitz, Chefredakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“:
„Qualität ist die Abwesenheit reflexhafter Antworten.“

Nachtrag: Ach so, so lichtet man sich als Blogger in München ab.


Kommentare


Mike Schnoor 21. Oktober 2006 um 18:40

Ich hasse ja diese „Besserwisserei“, aber ich glaube, dass Frau Borchert „Lyssa“ genannt wird… oder ist „Lüssar“ ein Insider? 😉

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Don Alpohonso 22. Oktober 2006 um 0:28

Germanblogs oder der von Holtzbrinck finanzierte Versuch, unter der Blogosphäre eine Kloake anzulegen.

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MedienFutzi 22. Oktober 2006 um 0:35

@Nachtrag: PR-Frau im Bloggerkleid. Bitte recherchieren sie selbst ;-).

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Alexander 22. Oktober 2006 um 10:02

Oh, der Nachtrag ist wohl ein Recherchefehler. Und Don haut auch noch drauf.

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Thomas Knüwer 22. Oktober 2006 um 16:26

Ups, da dachte ich doch glatt, die Christiane trägt Anzug.

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50hz 22. Oktober 2006 um 16:52

… und die Qualität ist hier ja wohl ziemlich im Keller. Schon sechs Reflexe 😉

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Prospero 22. Oktober 2006 um 21:08

Ja aber wenn das alles so toll ist, warum heißt dann der Artikel im Magazin des Medienforums.NRW der sich mit der Zukunft von Zeitungen befasst „Der Kampf um die Leser von morgen“? Das haben die doch gar nicht nötig wenn es keine Krise gibt? *grübel*
Ad Astra

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Dr. Dean 22. Oktober 2006 um 21:57

Jaha, heute, mit den Lesern von heute, gibt es keine Krise.

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Ber 23. Oktober 2006 um 13:19

Es gibt genauso keine Krise bei Zeitungen, wie es keine Unterschicht in Deutschland gibt.

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Yetused 24. Oktober 2006 um 23:48

???Bei Wikipedia zeigt sich die deutsche Mentalität: Wir korrigieren gerne und spielen Schutzpolizei.?

Autsch. Da hat wohl eine Christiane zu Salm mal gar nix vom Wesen einer Wikipedia verstanden.

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