Skip to main content

Gebt Stefan Niggemeier endlich ein eigenes Blatt. Oder wenigstens den Chefsessel beim „Medium Magazin“ oder „Journalist“. Leider bin ich Stefan Niggemeier bisher noch nie persönlich begegnet. In meiner Vorstellungskraft aber trägt er inzwischen ein hautenges Trikot mit einem rot-gelben „N“ auf der Brust sowie eine Strumpfhose. Und wenn er will, dann kann er auch fliegen und Zeitungen retten.

Der „Frankfurter Allgemeinen“ zum Beispiel hat er in ihrer Sonntagsausgabe zum ersten Mal auf den intellektuell notwendigen Stand in Sachen Bürgerreporter verholfen (Der Text ist auch seinem Weblog zu finden):

„Aber in der reflexhaften Art, wie die Debatte gerade geführt wird, kommen auch weniger hehre Motive zum Ausdruck. Sie ist auch ein Abwehrkampf von Journalisten, die um ihr Monopol fürchten und Angst haben vor dem massiven Kontrollverlust, wenn Leser sich nicht mehr darauf beschränken, passive Rezipienten zu sein. Natürlich ist die Aufregung der Journalistenverbände verständlich, wenn die ?Bild?-Zeitung millionenfach täuschend echt aussehende Presseausweise in Umlauf bringt und aus dem Dokument einen billigen Yps-Gimmick macht. Aber was verteidigen die Verbände genau? Wozu berechtigt der ?richtige? Presseausweis eigentlich? Offiziell heißt es: Er soll die Arbeit von Journalisten ?erleichtern?, bei Behörden und ?anderen für Informationszwecke wichtigen, aber schwer zugänglichen Orten?. Konkreter wird es nicht. Verbirgt sich hinter der Empörung darüber, daß ?Bild? einfach eine Art wertlose Fälschung dieses Dokumentes in Umlauf bringt, nicht auch die Sorge, jemandem könnte auffallen, daß man mit einem selbstgemalten Presseausweis nicht viel weniger machen kann als mit einem offiziell ausgestellten ? außer natürlich, daß man damit keine Super-Journalisten-Rabatte beim Kauf von Autos bekommt? Und warum stehen ?richtigen? Journalisten diese Privilegien noch mal zu?

Das Phänomen der Leser-Reporter geht an das Fundament des journalistischen Selbstverständnisses. In Deutschland darf sich jeder, der will, ?Journalist? nennen. Das ergibt sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes, der die freie Meinungsäußerung garantiert. Bislang war das praktisch ohne große Bedeutung. Daß sich Hinz und Kunz ?Journalist? nennen konnten, war egal, solange sie kein Massenmedium als Plattform hatten. Jetzt aber kann jeder mit einfachsten Mitteln im Internet publizieren und ein theoretisch unbegrenztes Publikum haben, und aus der akademischen Frage wird plötzlich eine ganz konkrete. Und die Journalisten versuchen, klare Mauern zu errichten zwischen sich, den ?richtigen Journalisten?, und den Bürgern, Leser-Reportern, Bloggern…

Die Grenze verläuft nicht zwischen professionellen Journalisten und Laien-Reportern. Sie verläuft zwischen Menschen, die ethischen Standards einhalten, und denen, die es nicht tun.“

Touché – wunderbar geschrieben. Ach, hätte doch das „Medium Magazin“, immerhin doch ein Branchenblatt für Journalisten, so weit denkende Autoren. Auch dieses Blatt beschäftigt sich auf seinem Titel mit den Bürgerreportern – und verquirlt alt bekanntes. Es hat halt nicht jeder seinen Niggemeier.


Kommentare


Franziska 9. Oktober 2006 um 16:46

Nicht zu vergessen: „Insight“. Indem sich bekannte Blogger zum Thema „User generated content“ äußern…;)

Antworten

Franziska 9. Oktober 2006 um 16:47

(Bitte denken Sie sich ein Leerzeichen zwischen in und dem.)

Antworten

stefan niggemeier 9. Oktober 2006 um 20:40

ahem. vielen dank für die strumpfhosen. aber wenn ich irgendetwas nicht werden möchte, dann chefredakteur von „journalist“ oder „medium magazin“.

aber ich würde beide auch nicht in einen topf werfen. im aktuen „medium magazin“ steht nicht nur eine (wie ich finde) sehr interessante reportage aus dem inneren der „bild“-leser-reporter-redaktion. sondern auch ein feiner satz von chefredakteurin annette milz, der das, was ich mit meinem artikel sagen wollte, wunderbar auf den punkt bringt:

„Als Gegenmittel taugt nur eins: Journalisten, die ihr Handwerk und die Regeln beherrschen, die sich nicht für etwas Besseres halten, sondern Besseres liefern.“

Antworten

Marcus Lindemann 10. Oktober 2006 um 14:20

Mensch, noch nicht mal gefragt, da sagt er schon ab. Und dabei ist doch der Chefsessel beim „Journalist“ bald frei 😉 Von mir aus können beide Blätter dann auch gerne fusionieren, vielleicht kommt dann wenigstens ein richtig gutes Blatt dabei raus… Jetzt wo ViSdP nicht mehr gedruckt wird …

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*