Am Freitag war hier Blog-Pause. Weil ich nach Frankfurt musste. Um ein Journalistenvisum für die USA zu beantragen – und um positiv überrascht zu werden. „Na, dann viel Spaß“, kommentierte unser Geschäftsführender Redakteur Albrecht von Croy am Donnerstag, als er ein Schreiben unterzeichnete, das mich als Angestellten des Handelsblatts ausweist und bestätigt, dass ich eine Dienstreise gen USA antreten soll.
Auch er hat sie gehört, die Horrorgeschichten anderer Kollegen. Stundenlanges Warten an der Botschaft, Befragungen, ruppige Behandlung.
Ich selbst erwartete auch nichts anderes. Schließlich ist schon die Vorarbeit für einen Termin am Konsulat nervig. Zunächst braucht man einen Termin für einen Besuch in Frankfurt, München oder Berlin. Den erhält man nur über einen kostenpflichtige 0900-Nummer – für 1,86 Euro die Minute. Natürlich wird dabei bewusst langsam gesprochen und alles wiederholt, auf dass die Defizitlücke gestopft werde.
Dann die Formulare: Zwei Stück sind es für Männer, eines für Frauen. Mutmaßlich, weil die Frau an sich eher selten zu Selbstmordattentaten neigt. Dort werden hohe Anforderungen gestellt: Zum Beispiel sollen alle Länder, die man in den vergangenen zehn Jahren bereist hat, auf ein rund 1 x 4 Zentimeter großes Feld eingetragen werden. Ich habe dann mal einen Anhang geschrieben. Nicht fehlen darf auch der adressierte und frankierte Rückumschlag, natürlich kein Einschreiben, wenn der Pass, der damit dann versendet wird, in der Post verschwindet, ist das eben Pech.
Freitag halb zehn lud mich das Taxi vor dem schwer verbarrikadierten Generalkonsulat ab. Dort sind zwei Schlangen auszumachen. Die Linke führt zur Rezeption, an der der Rezeptionist einen Blick auf die Unterlagen wirft und nochmal fragt, ob man elektrische Geräte wie Handys dabei hat. Die dürfen nämlich nicht in die Botschaft. Dann gibt er eine aus Bürgerämtern bekannte Wartenummer heraus. Die rechte Schlange steht vor dem Eingang, neben dem ein Portier sitzt, der in regelmäßigen Abständen fragt, ob man elektrische Geräte mithat, weil die nicht in die Botschaft dürfen.
Schubweise lässt er dann Wartende ein zur Sicherheitskontrolle. Wo der Sicherheitsmitarbeiter nochmal fragt, ob man elektrische Geräte mit hat, weil… Sie wissen schon. Anscheinend zählen elektrische Autoschlüssel zu einer Zwischenfraktion: Sie dürfen zwar hier hinein gebracht werden, müssen aber an der Sicherheitsstation hinterlegt werden.
Ein graues Klotzgebäude weiter wartet der Wartesaal gefüllt mit Wartenden. Groß ist er, „Maximumkapazität: 299 Personen“ weist ein Schild aus. Rote LED-Anzeigen rufen Wartenummern auf und die Masse der Anwesenden ließ mich das Schlimmste befürchten. Neben mir eine junge Remscheiderin, Au-pair in Florida will sie werden. Gemeinsam stellen wir uns auf längere Gespräche ein.
Denkste: Nach zehn Minuten schon blinkt meine Wartenummer auf. An einem der ungefähr 20 Stehschalter schaut eine deutsche Botschaftsmitarbeiterin meine Unterlagen durch und bittet mich, wieder Platz zu nehmen. Die Remscheiderin schaut neidisch: Ihre Nummer leuchtet noch nicht auf. Mutmaßlich ist eine US-Behörde auch nicht anders als eine klassische deutsche: Für jeden Antrag gibt es Experten. Und da mehr Au-pair-Visa als Journalisten-Visa beantragt werden, verschieben sich auch die Wartezeiten.
Zwanzig Minuten später leuchtet wieder S014 auf – und eine amerikanische Botschaftsmitarbeiterin fragt mich auf Deutsch, weshalb ich in die USA wolle. Kurze Beschreibung des Themas, der Begriff Weblogs fällt: Überbordend fröhlich erzählt sie, wie sie das erste Mal von Blogs gehört habe, jetzt lese sie die auch. „Ich habe Ihnen das Visum erteilt, wir schicken es Ihnen in vier bis fünf Tagen zu. Schönen Tag noch.“
Das wars? Nein. Gestern, am Samstag, kam Post. Das Visum, nicht mal 24 Stunden nach Beantragung. Es gibt noch Behörden, die einen überraschen können.
Und hier noch ein Nutzwertanhang für Berufskollegen: Anscheinend hatte ich das Glück, nach Frankfurt zu fahren. In Berlin sollen die Wartezeiten in der Tag länger sein.
Kommentare
DraMaticK 1. Oktober 2006 um 20:53
Zur Visa-Vergabe kursieren wirklich genug Schauermärchen. Die offiziellen Seiten nehmen einem die Angst natürlich nicht, indem ausführlich die notwendigen Nachweise aufgezählt werden, die man beizubringen hat (inkl. den Klassikerfragen: Sind Sie Mitglied einer terroristischen Vereinigung?)
Gerade bei Studenten- und Au pair-Visa gilt aber: Nicht ängstigen lassen. Und die Bearbeitung bis auf die Warteschlangen wirklich zügig.
Martin Zellerhoff 2. Oktober 2006 um 0:00
Als ich mein Visum beantragt hatte, lief hier in Berlin auch alles zügig und ohne Probleme,aber ich habe gehört wer einmal irgentwas falsches tut, der wartet sich den A— wund.
Christiane 3. Oktober 2006 um 19:09
Bei mir war es in Berlin okay, auch wenn wir angesichts der hochsommerlichen Temperaturen beim Warten fast eingegangen sind. Der Unterhaltungsfaktor in Berlin ist aber nicht zu verachten. Man hört einige Interviews der anderen Antragsteller. „Warum möchten Sie in den USA studieren?“ – „Da ist es einfacher. Ich bin nicht gut im Studium“ war definitiv die falsche Antwort. Und es bringt auch nichts nach einer Ablehnung rumzuschreien. Da kommen dann diese baumgroßen Männer und werden ungehalten.
Meine Interviews waren übrigens beide auf Englisch. Eine Frage war: „Wenn Sie Journalistin sind, kennen Sie sicher ein gutes Restaurant. Nennen Sie mir eines in Hamburg.“ Ich weiß nicht, ob die Frage ernst gemeint war. Aber ich konnte sie beantworten.