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Vor geraumer Zeit schrieb ich über die erste Ausgabe des Lifestyle-Magazins „Park Avenue“. Nun häufen sich Meldungen, dem Blatt gehe es gar nicht gut. Zeit für eine Wiedervorlage. Als die erste Ausgabe von „Park Avenue“ erschien, war meine Kritik gar nicht so harsch. Trotzdem regte sich nach einigen Monaten ein Kommentator, der offensichtlich wirklich Chefredakteur Alexander von Schönburg war (zumindest habe ich keinen Hinweis gefunden, dass er es nicht war). Leider hatte er keine Lust zu diskutieren, sondern beschränkte sich auf einen eher pubertären persönlichen Angriff.

Das Blatt hatte ich seitdem ein oder zwei weitere Male in der Hand. Es war besser geworden, hatte ich das Gefühl, ein wenig zumindest, aber auch austauschbarer. Nun erschienen in der „Süddeutschen Zeitung“ in jüngster Zeit gleich zwei böse Artikel (die ich leider online nicht finde) über „Park Avenue“. Einmal ging es um die Lage des Magazins allgemein, das andere Mal um einen Artikel, in dem „Park Avenue“-Reporter Udo Ulfkotte beschreibt: „Wie mich der BND ködert“. Und dann war da noch die Meldung, dass sowohl Ulfkotte als auch Schönburg-Vize Rainer Schmidt gegangen waren. Und ihnen laut „Süddeutscher“ ein wenig Dreck hinterher geworfen wurde:

„Schönburgs Stellvertreter Rainer Schmidt, ein erfahrener Journalist, ging diese Woche. Er mochte und konnte nicht mehr. Ulfkotte wird wohl auch nicht an Bord bleiben. Nach seiner Darstellung ist er zu wenig zum Zuge gekommen und die Adelsgeschichten „ödeten mich an“. Von Schönburg erinnert sich, den Vertrag mit Ulfkotte habe er nur aus Mitleid verlängert, aber der sei jetzt ausgelaufen und nun sei auch genug.“

Also ist es wohl an der Zeit mal wieder einen Blick in das Blatt zu werfen, das die deutsche „Vanity Fair“ sein möchte und über das Gruner+Jahr-Anzeigenleiter Stan Sugarman – als New-Economy-Erfahrener nicht um Superlative verlegen – laut „Süddeutscher“ gesagt hat:
„Wir kommen bei der absoluten Elite an. Das ist kein demokratisches Heft“

Dafür hat die Juli-Ausgabe aber ein verdammt demokratisches Titel-Thema: „Mensch Schumi!“ Ein Blick hinter die Kulissen von Michael & Corinna Schumacher soll es geben. Das ist nicht neu und wenig highsocietyig, aber wird doch gern gelesen. Ist auch nett geschrieben, wenn auch ohne jeden Neuigkeitswert.

Doch so eine „Park Avenue“ beginnt ja mit dem Chef und seinem Editorial. Die einen Chefredakteure, wie „Focus“-Lenker Helmut Markwort, wählen eine persönliche Anleitung; andere, wie „Wirtschaftswoche“-Chef Stefan Baron lassen alle persönlichen Erlebnisse weg. Von Schönburg nutzt die Zeilen zur Eigenpositionierung. So schreibt er über die Zugfahrten zwischen Hamburg und Berlin:

„Giovanni, der Chefredakteur der ZEIT, ist mein Lieblingspendler. Auch sein Feuilleton-Chef Jens Jessen und Katja Riemann freuen sich immer über einen kleine Plausch.“

Abgesehen vom kumpeligen Weglassen des Nachnamens im Fall von Giovanni di Lorenzo, ist „Plausch“ eigentlich auf der schwarzen Liste der Lokalzeitungswortkatastrophen, direkt neben „Speis und Trank“ und „fröhliches Beisammensein“. Aber
gut, das kommt mit großer Bugwelle daher und soll demonstrieren, dass der Chef ganz nah an den Großen ist – offene Arroganz ist mir immer noch lieber als mühsam versteckte.

„Menschen im Juli“ werden dann vorgestellt. Die Autoren üben sich dabei in einer Disziplin, die leider langsam über Hand nimmt, ganz unabhängig von der „Park Avenue“. Statt knackig in eine Geschichte reinzuschreiben, wird ein überhöhter Vorbei errichtet.

Beispiel: das Portrait über die Schauspielerin Amira Casar. 21 breite Zeilen hat der Autor. Die Hälfte davon verschwendet er mit dem Wiederkäuen von Vorurteilen über Deutsche und Franzosen um schließlich, in Zeile elf die Überleitung zu drechseln:
„Und eine von ihnen ist jetzt in Frankreich auf dem Weg in die Spitze: Amira Casar.“

So geht es weiter beim nur wenig längeren Stück über den Regisseur Marcus H. Rosenmüller: Es beginnt mit fünf Zeilen über Bayern, die allein dem Zweck dienen, ihn als Bayern in die Geschichte einzuführen.

Die Irreführung des Lesers erreicht ihren Höhepunkt mit einer Geschichte die überschrieben ist mit:
„Frau Juli
Kann sie fliegen? Miranda July verdient in LA als Künstlerin, Schauspielerin und Filmemacherin ihr Geld. Jetzt schreibt sie auch noch. Aber in Wirklichkeit ist sie eine Elfe.“

Mal abgesehen von der dümmlichen Überschrift „Frau Juli“ – das will ich lesen. Weshalb ist diese Frau eine Elfe? Eine Lichtgestalt? Ein Naturwesen?

Die Antwort ist erschreckend banal. Sie ist dürr und blass. Das muss reichen zur Elfenwerdung. Der einzige Moment, in dem das Wort „Elfe“ noch einmal im Text Verwendung findet ist dieser:
„Mit Anfang zwanzig schmiss die Elfe aus Vermont das College…“

Ich gehe schwer davon aus, dass der Überschriftenmacher nicht deckungsgleich mit dem Autor ist, sondern schlicht eine knackige Betitelung gesucht wurde. Und Elfe geht halt immer, wenns nicht gerade Hella von Sinnen íst.

Es folgt ein Interview von Benjamin Stuckrad-Barre mit Ben Becker. Ziel soll es sein, Becker mit Geschichten über ihn zu konfrontieren. Eigentlich schön. Nur bewegt sich das Frage-Antwort-Spiel über viel zu weite Strecken auf diesem Niveau:

„Frage: Ben Becker hat den Ruf, schwierig und großmäulig zu sein.
Antwort: Ach.“

Wäre der Text um die Hälfte gekürzt worden – gut. So: Unfassbar langweilig.

Es folgt „Neues aus dem Leben einer reichen Anonyma“. Untertext: „Die Autorin ist ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Ihre wahre Identität ist der Redaktion bekannt.“ Das glaube ich sogar. Keine Enthüllungen, kein spannenden Ideen, es geht einfach um langweilige Hochzeitsfeiern. Vielleicht soll dem Pöbel gezeigt werden, dass High-Society-Hochzeiten ebenso grausam werden können, wie seine eigenen. Aber der Pöbel soll ja nicht „Park Avenue“ lesen.

In den kleinen Meldungen eine vertane Chance: Von Stuckrad-Barre will über das sinnliche Erlebnis des CD-Kaufs im Gegensatz zum Online-Musikshop schreiben. Wie gut ich das nachvollziehen kann. In Münster (kennt irgendjemand einen guten Plattenladen in Düsseldorf?) muss ich zu „Jörgs CD-Forum“ und erstehe dort Alben, von denen ich noch nie zuvor gehört habe, weil sie dort in den Playern laufen unter denen mit Hand geschriebene Anpreisungen hängen. Doch was macht Stuckrad-Barre? Er geht zu Saturn. Und kauft die Pet Shop Boys. Und nennt das „komisch“. Ich nenne das traurig.

Der Test „Sind sie ein guter Gastgeber?“ soll lustig gemeint sein. Ist er vielleicht auch. Wenn man Fips Asmussen komisch findet. Auszug:

„Mit welchem Gefühl gehen Sie nach einer gelungenen Party ins Bett?
A: Schwerer Bierkopf
B: Leichter Champagnerrausch
C: Mit dem wunderbaren Gefühl, dass von allem genug da war: Freunde, Weine, Tänze.“

Alles genug da war auch für Udo Ulfkottes Geschichte über seine ersten Kontakte zum Bundesnachrichtendienst. Schließlich hat er schon ein BND-Buch geschrieben. Die Story in „Park Avenue“ dürfte ihn bestenfalls einen Arbeitstag gekostet haben. Ein Hinweis auf die aktuelle Spitzel-Affaire fehlt übrigens völlig.

Ebenso problemlos wie Ulfkotte dürfte sich Gyles Brandreth sein Geld verdient haben, der Prince-Charles-und-Camilla-Buchschreiber schreibt über Prince Charles und Camilla. Titel: „Rottweiler der Herzen“. Darüber lacht, wer auch über den Gastgeber-Test lacht.

Es folgt: Stierkampf in Madrid. Sehr, sehr schön geschrieben, kein neues Thema, aber packend (jetzt mal aus rein fotografischer Sicht gesehen, nicht aus tierschützerischer) bebildert.

Dann ein Portrait über Eckart Witzigmann. Durchaus nicht unkritisch, auch dieses schön geschrieben zum 65. Geburtstag. Aber hat man über Witzigmann nicht eigentlich schon alles gelesen?

Ganz bizarr wird es dann mit Jenny Elvers-Ebertzhagen. Die wird gefeiert, was man durchaus tun kann. Bizarr aber wirken in den Text gestellte Interviewpassagen wie:

„Die Schauspielerei – ist es das jetzt?
Das nehme ich sehr ernst, ja.“

Oder:
„Ja, ja die Macht.
Ja.“

Nächstes Stück: Ein Portrait über Alberto Vilar, jenen Private-Equity-Manager, der die Künste förderte, wie kein anderer – und nun vor der Pleite steht. Der Artikel ist aus dem Englischen, vermutlich aus dem „New Yorker“ übernommen worden und krankt an der Übersetzung: Es holpert so dahin und ist mit schlecht gemachten Fotomontagen bebildert.

Wo Schumi ist, kann im Sommer die Jan-Ullrich-Story nicht weit sein. Ist sie auch nicht. Dumm gelaufen, dopingtechnisch, aber das kann man „Park Avenue“ nicht ankreiden. Auch hier gilt: Schreiberisch sehr gut, null Neuigkeitswert.

Nach einem ausgesprochen langweiligen Interview mit Julia Ormond (das wohl nur ins Heft gelangte, weil Modefotos mit ihr erhältlich waren) folgt endlich etwas mit Überraschungswert: eine schöne Geschichte über das mir unbekannte Modelabel Proenza Schouler. Hier ist „Park Avenue“ wie sie sein sollte. So könnte auch der Report über die Erbstreitigkeiten in Sachen Marlon Brando sein – nur ist er zu lang.

Ein Märchen von Karen Duve, sorry, muss ich nicht lesen. Und die unvermeidliche und austauschbare „Konsum“-Strecke fällt nur durch die mit dem Holzhammer verabreichte Schleichwerbung auf, die der Marketingchef der Kosmetikmarke Korres im Autotest für seinen Arbeitgeber verabreichen darf.

Am Ende der „Zoo der Alphatiere“ mit Geschichten und Geschichtchen um Promis und ihr Umfeld: Joschka Fischer, Mallorcas Flughafen, Ivana Trump. Als Medienmensch begeisterte mich nur der Abdruck eines Textes von Katja Kessler, Ex-„Bild“-Kolumnistin und Frau von „Bild“-Chef Kai Diekmann aus der Flensburger Lokalzeitung. Wie schon mehrfach beschreibt Kessler ihren Mann so, dass dieser eigentlich nur die Scheidung einreichen kann, um noch mit einem Funken Selbstwertgefühl durchs Leben zu gehen.

Von Stuckrad-Barre (schon wieder…) darf noch ein krudes Plädoyer für weiße Socken halten und dann wars das mit der „Park Avenue“.

Schön sind die Texte, ohne Frage. Doch: Michael Schumacher, Jan Ullrich, Jenny Elvers, Ben Becker, Prince Charles – ist das etwas Besonders? Nein. Die gibts auch in der „Bunte“, in der „Gala“, ja sogar in der „Frau im Spiegel“. Wo ist der Top-Klasse-Ansatz hin? Wo sind die Grafen, die Magnaten, die Ultra-Reichen? Vielleicht kommen sie nicht vor, weil sie nicht den ICE zwischen Hamburg und Berlin nutzen.

„Park Avenue“ ist nicht schlechter geworden, wie ich nach den Geschichten in der „Süddeutschen“ vermutet hatte. Sondern einfach ausrechenbarer. Und das ist noch viel schlimmer.

Nachtrag vom 6.7.: Mehr zu diesem Thema auch in der „Berliner Zeitung“.


Kommentare


Chat Atkins 5. Juli 2006 um 19:07

Wenn man sich unsere gesellschaftlichen Eliten als gnadenlos snobby, aber dafür arg dümmlich vorstellt, dann mag dieses Konzept mit seiner Leserverachtung sogar aufgehen.

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niels | zeineku.de 6. Juli 2006 um 11:24

In Kiel siehts da jedenfalls sehr traurig aus. Früher gab es wenigstens noch WOM. Jetzt bleiben nur die CD-Abteilungen der Kaufhäuser und Elektronik-Händler neben ein paar Spezialisten für Gebrauchtscheiben, Schallplatten oder Klassik.

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Chat Atkins 6. Juli 2006 um 20:55

Am besten geht\’s mit CDs über amazon und dann via \“andere Anbieter\“ direkt als US-Import über caiman.com. Das dauert auch nur eine Woche und es ist allemal billiger als in Deutschland zu kaufen. Hier spinnen die nämlich nicht nur beim Angebot, sondern auch bei den Preisen.

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Felix Deutsch 8. Juli 2006 um 0:13

Bei \“Vanity Fair\“ schreibt u.a. James Wolcott, bei \“Park Avenue\“ (das hat sich der mit den immer wieder für ein neues Spielzeug (das er vor die Wand fahren darf) zugeschossenen Thurn und Taxis Millionen stilvoll Verarmte wohl von seinem \“Monopoly\“ Spiel abgeschaut) schreibt/schrieb Udo Ulfkotte.

Das sagt doch schon alles.

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