Skip to main content

Das Drumherum der Fußball-WM ist so bizarr geworden, dass selbst abstruseste Scherze geglaubt werden. Gestern Abend berichteten die „Tagesthemen“ bereits darüber, was auch Kollegen derzeit mit erleiden: Das Umschreiben der WM-Tickets gleicht einem abstrusen Behörden-Hürdenlauf, den sich nur sadistische Geistesgestörte ausgedacht haben können.

Aber weil ja ohnehin dies keine Sportveranstaltung ist, sondern der Beweis, dass nichts irrsinnig genug ist, als dass die Fifa es nicht durchdrücken würde, haben Dortmunder Bürger ein Flugblatt ernst genommen, dass Ihnen sogar untersagte, Pepsi-Cola in den heimischen Kühlschrank zu stellen:
„Mehrere Hundert Anwohner rund um das Stadion fanden am Morgen ein vermeintliches Flugblatt der Stadt in ihren Briefkästen. Darin wiesen Ordnungsamt, Bürgerbüro und der WM-Beauftragte auf „sicherheitsrelevante und interessengeschützte Regelungen für einen 1000 Meter Sicherheitsring rund um das Dortmunder Westfalen-Stadion“ hin. Laut „EUFußballÜbkG“ bedeute dies für die betroffenen Bürger u.a.:

– Der Zugang zum Sicherheitsring wird nur in Zusammenhang mit einer Sondergenehmigung der Stadt (für 10 Euro im Bürgerbüro zu bekommen) gewährt.
– Das Parken von Kfz ist nicht gestattet.
– Außenwerbung jeglicher Form ist zu entfernen. Ausgeschlossen ist dabei die Reklame der FIFA-Hauptsponsoren.
– Die Einfuhr von Nicht-Sponsoren-Produkten ist nicht gestattet.
– Zuwiderhandlungen werden kostenpflichtig geahndet. „Teilen Sie uns Regelverstöße umgehend mit, um im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit eine faire Sportveranstaltung zu gewährleisten!““

Soll noch einer sagen, die Deutschen hätten keinen Humor.

Nachtrag: Zumindest eine „Brigitte Young Miss“-Leserin hats geglaubt…

Nachtrag II: Da ich nicht weiß, ob Westline die Artikel dauerhaft online lässt, hier die Berichterstattung der „Ruhr Nachrichten“:

„Ein „selbst ernannter WM-Scherzbold“ (O-Ton des städtischen WM-Beauftragten Gerd Kolbe) hat gestern für jede Menge Turbulenzen gesorgt.

Mehrere hundert Anwohner rund um das Stadion fanden am Morgen ein vermeintliches Flugblatt der Stadt in ihren Briefkästen. Andere bekamen das Schreiben sogar per Post. Darin wiesen Ordnungsamt, Bürgerbüro und der WM-Beauftragte auf „sicherheitsrelevante und interessengeschützte Regelungen für einen 1000 Meter Sicherheitsring rund um das Dortmunder Westfalen-Stadion“ hin. Laut „EUFußballÜbkG“ bedeute dies für die betroffenen Bürger u.a.:

Der Zugang zum Sicherheitsring wird nur in Zusammenhang mit einer Sondergenehmigung der Stadt (für 10 Euro im Bürgerbüro zu bekommen) gewährt.

Das Parken von Kfz ist nicht gestattet.

Außenwerbung jeglicher Form ist zu entfernen. Ausgeschlossen ist dabei die Reklame der FIFA-Hauptsponsoren.

Die Einfuhr von Nicht-Sponsoren-Produkten ist nicht gestattet.

Zuwiderhandlungen werden kostenpflichtig geahndet. „Teilen Sie uns Regelverstöße umgehend mit, um im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit eine faire Sportveranstaltung zu gewährleisten!“

Eines muss man dem Schreiber doch lassen, Gerd Kolbe: Er überspitzt in satirischer Form die Reglementierungswut des Fußballweltverbandes FIFA. „Sie werden von mir jetzt kein Lob hören“, gab sich der WM-Beauftragte zerknirscht. Schließlich hatte der anonyme Verfasser auch die passenden Durchwahlen unter die angeblichen Absender geschrieben – seit 7 Uhr liefen die Telefonleitungen in der Verwaltung heiß. „Es waren hunderte von Anrufen, die wichtige Arbeitskraft im Sekretariat blockiert haben.“

Die meisten Anrufer hätten dem authentisch wirkenden Papier Glauben geschenkt. „Muss ich die Gebühr jedesmal zahlen“ fragte eine Anruferin, ein anderer wollte wissen, was er denn nun wegen des Verbotes von „Nicht-Sponsoren-Produkten“ beim Einkaufen beachten müsse. Unermüdlich riet Kolbe, „das Blatt einfach wegzuwerfen“.

Das Rechtsamt will jetzt überprüfen, ob es wegen Amtsanmaßung Anzeige gegen Unbekannt stellt. Der Verfasser der Zeilen muss zudem ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Namensrecht befürchten.

Auch die Dortmunder Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob der „Scherz“ strafbar ist oder ob es sich um „groben Unfug“ handelt. – weg“

Nachtrag III: Gibt es Nachahmer in Köln? Oder handelt es sich um eine konzertierte Aktion? Zumindest gibt es ähnliches vom Rhein zu melden. Unter anderem mit diesen wunderschönen Verhaltensregeln:

„Bekleidung:
Vermeiden Sie während der Spieltage das öffentliche Tragen von Markenzeichen der
Nicht-Sponsoren, z.B. auf T-Shirts, Pullovern, Socken, Mützen etc.
Hausfassade:
Sehen Sie davon ab Fahnen, Handtücher oder sonstige großflächige Werbeträger mit
Markenzeichen von Nicht-Sponsoren sichtbar im Bereich Ihrer Hausfassade anzubringen.
PKW:
Falls sich auf ihrem PKW Werbeaufschriften von Nicht-Sponsoren befinden, versuchen
Sie während der Spieltage so unauffällig wie möglich zu parken, oder die Aufschriften
mit einem neutralen Material abzudecken.
Fernsehübertragungen:
Halten Sie während Werbesendungen von Nicht-Sponsoren ihre Fenster geschlossen,
oder schalten Sie Ihr Fernsehgerät ab. Diese Regeln gelten besonders wenn Sie beabsichtigen,
die WM-Übertragungen im Freien zu empfangen.
In der Öffentlichkeit:
Vermeiden Sie das Nachsingen, Nachsummen oder Pfeifen von Werbemelodien der
Nicht-Sponsoren, sowie das Abspielen von Handy-Klingeltönen selbiger.
Kinder und Senioren:
Helfen Sie auch ihren Angehörigen bei der Einhaltung der Regelungen für eine erfolgreiche
Fifa WM 2006?.
Trinkhallen und Gaststätten:
Beinhaltet ihr Firmenschriftzug Bild- oder Wortmarken der Nicht-Sponsoren, so
entfernen Sie diese oder machen diese unkenntlich. Als Gast bestehen sie bei der Bewirtung
auf einen werbefreien Bierfilz, oder nur auf den offiziellen mit dem Fifa WM 2006?
Logo.
Beim Einkaufen:
Wenn Sie beim Einkaufen gezwungen sind Fremdprodukte zu kaufen, achten Sie auf dem
Nachhauseweg darauf diese nicht offen zur Schau zu stellen.
Rechtlicher Hinweis:
Für den Inhalt und die Sprache ist ausschließlich das jeweilige Städtekomitee zuständig. Offensichtliche Fehler im Inhalt, in der
Interpunktion, Grammatik, oder der Rechtschreibung können aus technischen bzw. dürfen aus rechtlichen Gründen nur von
dem jeweiligen Städtekomitee selbst korrigiert werden.“

Noch nen Nachtrag: Das Dortmunder Flugblatt im Original gibt es hier.


Kommentare


Gerold Braun 31. Mai 2006 um 15:18

\“Teilen Sie uns Regelverstöße umgehend mit, um im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit eine faire Sportveranstaltung zu gewährleisten!\“ – Diese perfekte Formulierung! Vielleicht hat die FIFA auch nur mal getestet, wie weit sie mit uns Deutschen gehen kann?

Bin begeistert ..

Antworten

50hz 31. Mai 2006 um 15:37

Ach, diese Dortmunder.

Antworten

Werbeblogger 31. Mai 2006 um 15:53

Das klingt doch nach FiFa, oder? Und – Hut ab, das muss man erstmal so zusammenhanglos sinnvoll formulieren können: “Teilen Sie uns RegelverstöÃ?e umgehend mit, um im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit eine faire Sportveranstaltung zu gewährle…

Antworten

Frank Meier 31. Mai 2006 um 16:46

Wäre schön zu wissen, wie viele obrigkeitsgläubige unmündig Bürger versucht haben, sich diesen Passierschein für 10 EUR zu holen?

Antworten

blog.fanfaktor.de – das fußball-blog 31. Mai 2006 um 17:58

Anwohner des Dortmunder Westfahlenstadions fanden in Ihren Briefkästen eine Mitteilung der besonderen Art vor.
– Der Zugang zum Sicherheitsring wird nur in Zusammenhang mit einer Sondergenehmigung der Stadt (für 10 Euro im Bürgerbü…

Antworten

seffe 31. Mai 2006 um 20:26

der link zum westkurier funktioniert nicht mehr

Antworten

Albi 6. Juni 2006 um 8:46

Ist das eine Fussball WM oder eine Komerz WM?

Antworten

Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*
*