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Ein Fußball-Nationalspieler soll auf Spiele gewettet haben, die er dann manipulierte. Nur: Die Quellenlage für den Bericht des TV-Magazins „Plusminus“ ist bisher dünn. Gerade sitze ich etwas rätselnd vor dem Monitor und betrachte die Seite des TV-Magazins „Plusminus“. Genau in diesem Moment ruft mich ein Kontakt bei einem Fernsehsender an – eben wegen jener Story, die ich lese: die angebliche Verstrickung eines Nationalspielers in Spielmanipulationen.

Genauso wie ich hat auch er ein merkwürdiges, mulmiges, ganz, ganz komisches Gefühl bei dieser Story. Denn der TV-Beitrag von Plusminus ist derzeit gesperrt, weder im Internet ist er zu bekommen, noch wird er interessierten Sendern zur Verfügung gestellt. Überraschen kann „Plusminus“ das Interesse nicht – es war zu erwarten, dass die Wellen hoch schlagen. Vermutlich also hat jemand bei der ARD das kritisiert, was auch ich höchst problematisch finde: die Quellenlage.

Denn Plusminus beruft sich auf „Insiderinformationen“, die „der Redaktion vorliegen“. Doch während im einen Moment von vorliegenden Informationen die Rede ist, beruft sich zumindest der Artikel auf der Internet-Seite im nächsten Moment auf einen einzelnen Informanten:

„Ein Informant, der seit Jahren in diesem Umfeld agiert, will gegenüber Plusminus auspacken. Er berichtet von mehreren Bundesligaspielern, die nach seiner Darstellung mit der Wettmafia zusammenarbeiten – einer soll sogar in der deutschen Nationalmannschaft spielen. Der Informant: „Ich war persönlich bei so einem Gespräch dabei. Da hat ein Bundesligaspieler gesagt: ‚Wir werden morgen verlieren‘. Und dann hat er noch selber 10.000 Euro gegen seine eigene Mannschaft gesetzt. Ich habe das alles mitgehört.““

Ein einzelner Informant ohne handfeste Beweise ist aus journalistischer Sicht problematisch genug, denn es gibt viele Wichtigtuer auf der Welt. Nachdenklich machen sollte einen noch dazu ein Satz wie:
„Ich kenne die alle. Der Hoyzer und der Ante Sapina in Berlin sind da nur ganz kleine Fische.“

Nun ist leider absolut nicht auszuschließen, dass Spieler in Spielmanipulationen verstrickt sind. DFB und DFL haben sich alle Mühe gegeben, den Hoyzer-Skandal möglichst schnell zu beerdigen, statt an der Aufklärung zu arbeiten. Vergangenes Jahr war ich ja Gast im Aktuellen Sportstudio, wo Mario Basler noch fröhlich mit dem Wetten umging: Das sei alles kein Problem, wenn Spieler selbst wetteten. Ich bin weiter der Meinung, dass ein Wettverbot für Spieler, Trainer, Funktionäre zumindest die psychologische Schwelle zur Manipulation höher setzen würde.

Doch im Fall der Plusminus-Geschichte ist es der Schluss, der mich nachdenklich macht. Denn der bringt Wettvermittlungsstellen, wie sie derzeit überall in Deutschland aus dem Boden schießen, in den Ruch der Manipulation. Doch warum sollten die, die manipulieren selbst Wetten annehmen? Das finanzielle Risiko ist viel zu hoch. Wer manipulieren will, setzt Wetten bei Wettannahmestellen, er betreibt sie nicht, schließlich würde ein Mörder auch keine Schusswaffen selber herstellen. Plusminus aber wirft die Diskussion um diese Wettannahmestellen zusammen mit den angeblichen Manipulationen und behauptet:

„Doch selbst, wenn in der Wettszene gar nicht manipuliert würde ? die privaten Wettanbieter sind trotzdem illegal. Denn noch immer gilt in Deutschland das staatliche Glücksspiel-Monopol – und das Betreiben privater Wettbüros ist strafbar.“

Ob das aber stimmt, entscheidet das Bundesverfassungsgericht in zwei Wochen – was Plusminus auch weiß. Und schließlich macht das Magazin noch klar, was es von Sportwetten privater Anbieter insgesamt hält:

„Trübe Aussichten
Doch sollten die Verfassungsrichter die Wettbüros legalisieren, wird der Wettmarkt wohl noch stärker wachsen. Und wenn das Gericht gegen die privaten Wettanbieter entscheidet, bleibt denen immer noch das Geschäft über das Internet. Denn das große Geld will sich keiner entgehen lassen im WM-Jahr 2006 ? und schon gar nicht das kriminelle Milieu!“

Diese Argumentation ist bestens bekannt. Von Oddset, dem Sportwettenangebot der Lottogesellschaften, über die auf die von Hoyzer manipulierten Spiele gewettet wurde. Oddset wird geführt von der bayerischen Lottogesellschaft in München.

Der „Plusminus“-Beitrag kam übrigens vom Bayerischen Rundfunk. Hoffentlich kommt nicht nach monatelanger Recherche plötzlich ein Informant mit Insider-Kenntnissen aus dem bayerischen Wald und behauptet, da hätten sich zwei Staatsunternehmen gegenseitig die Hände gewaschen.


Kommentare


Alexander 15. März 2006 um 13:56

Man mag ja von dem Plusminus-Beitrag halten, was man will — aber das Ende des Blog-Postings finde ich ein bisschen weit hergeholt: Das „Staatsunternehmen“ BR in einer Verschwörung mit der Lotterieverwaltung? Dann kann ich ebenso gut vermuten, die Verlagsgruppe sei heimlich auf Seiten der Oddset-Gegner — schließlich finanziert sich Handelsblatt.com mit deren Anzeigen: „Sportlicher Wetteinsatz! Fußball – Wetten Sie hier auf Ihr Team!“, direkt unter dem entsprechenden Artikel. (Nein, glaube ich nicht.)

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björn 15. März 2006 um 14:09

Was mir viel mehr aufstösst ist die Tatsache, dass nahezu alle relevanten Medien diesen Plusminus Beitrag unkommentiert zitieren.

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tknuewer 15. März 2006 um 16:07

@Alexander: Vielen Dank für den Link. Der Beitrag wird dadurch noch bizarrer. Warum wird zum Beispiel die Stimme des Insiders nicht entstellt – sondern nachgestellt? Vor allem aber wird behauptet, man habe im illegalen Wettmillieu recherchiert und das mit versteckter Kamera. Was aber gezeigt wird ist eine normale Wettannahmestelle. Vielleicht sollte jemand Plusminus mal erzählen, dass es auch Hinterzimmer-Wetten gibt – die tatsächlich illegal sind.
Und außerdem: Wenn der Informant Plusminus konkrete Namen genannt hat, hätte es zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, diese zu kontaktieren – oder darauf hinzuweisen, warum das nicht geschehen ist.

Die ganze Geschichte klingt leider nicht sonderlich glaubhaft. Hoffentlich fliegt den Kollegen beim BR das ganze Ding nicht gewaltig um die Ohren.

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björn 15. März 2006 um 19:00

RM: danke, stimmt. was meine vorurteile in richtung
brandstwiete 19 nur bestätigt 🙂

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Thomas Mrazek 17. März 2006 um 8:41

Für die ganz große Bescherung sorgte jetzt die Münchner „tz“. Das Boulevardblatt hatte gestern vorab gemeldet, im Zusammenhang mit dem Wettskandal seien offenbar auch Schweinsteiger sowie zwei Profis von 1860 München in das Visier der Ermittler geraten. Was sowohl von den Spielern als auch der Staatsanwaltschaft dementiert wird. Der FC Bayern droht schon mit einer Millionenklage.

In ihrer heutigen Ausgabe beruft sich die „tz“ nur noch auf „sichere Quellen“, dass die drei als „Beschuldigte“ gelten, wie die „tz“ in ihrer Abendausgabe schrieb, davon ist heute keine Rede mehr.

Bin mal gespannt, wie die Kollegen da wieder rauskommen, bei den Autoren handelt es sich immerhin um einen stellvertretenden Chefredakteur der Zeitung, Gerald Selch, der andere ist Sohn eines bekannten Ex-Fußballers, Max Breitner.

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Alexander 17. März 2006 um 11:53

Bin ebenso gespannt, allerdings hat sich die tz hier vor allem in juristischem Nichtwissen verheddert. Nach dem Plusminus-Bericht hat die Staatsanwaltschaft ausdrücklich von Vorermittlungen gesprochen. Selbst wenn ein Wettpate Schweinsteiger beschuldigt, wird der Staatsanwalt dementieren, dass Schweinsteiger als Beschuldigter geführt wird — das passiert eben nur nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Genau so ist es mit den Wörtern Vernehmung und Vorladung. Wer mit juristischen Begriffen flapsig umgeht, riskiert ein solches peinliches Dementi.

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Thomas Mrazek 17. März 2006 um 18:39

Inzwischen musste die „tz“ zumindest den Bericht über Schweinsteiger mit allem Drum und Dran widerrufen. Bei meinem Verein (1860) hingegen, der seit heute ohne Präsident ist, erweist sich der Pressesprecher Robert Hettich wieder mal als Vollprofi: „In der aktuellen Hektik“ habe man versehentlich n24 statt n-tv wegen der „kolportierten Gerüchte“ in einer Pressemeldung erwähnt, heißt es in einer Richtigstellung. Ich will nimmer! (-;

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Pottblog 18. März 2006 um 10:02

… der anscheinend keiner ist. Jedenfalls nach derzeitiger Quellenlage kein FuÃ?ballskandal, sondern vielmehr ein Medienskandal.
Da berichtet plusminus von Verdächtigungen (siehe Video) , wonach auch ein FuÃ?ball-Nationalspieler in einen Wettsk…

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