Klar haben alle in Hannover über Netze geredet. Doch was man damit anfangen könnte, wussten sie nicht. Schnelle Datenleitungen waren für die Cebit-Aussteller nur Übertragungshilfe für Uralt-Geschäftsmodelle. Die Hostess bei Sony Ericsson studiert mich wie eine Kölner Wirtin, bei der Bestellung eines Alt-Biers: „Das wars jetzt nicht, was sie wissen wollten, oder?“, fragt sie.
Nein, war es nicht. Ich wollte wissen, was die Auslobung des Begriffs „Mobile Blogging“ an ihrem Tisch rechtfertigt, auf dem das neue Handy K800i steht. Doch danach gefragt, stutzt die Studentin auf Bafög-Aufbesserungstour und sprudelt dann im Tanja-Anja-Stil auswendig gelernte Technik-Details heraus: „Das Handy hat eine 3,2-Megapixel-Kamera…“ Letzter Versuch: „Sagen Ihnen Weblogs etwas?“ Kopfschütteln.
Ein anscheinend indischer Vorgesetzter weiß besser bescheid. Überrollen uns halt in jeder Beziehung, die Inder. Mit dem K800i können Fotos direkt auf Blogger.com verewigt werden, der Weblog-Plattform von Google.
Und so steht Sony Ericsson für den nächsten Großkonzern, der nicht verstanden hat, worum es bei Weblogs eigentlich geht: Offenheit nämlich.
Was wäre es für ein Traum, wenn ein Handy-Hersteller tatsächlich ein Modell entwickelte, das mobiles Bloggen vereinfachen würde. Doch stattdessen kooperieren die schwedischen Japaner mit einem einzelnen Anbieter, so wie sie es mit einem Komponentenlieferanten täten. Doch ob tatsächlich ein Noch-nicht-Blogger-Kunde das Handy kauft, weil er nun ein Foto-Weblog bei einem festgelegten Anbieter führen kann? Wohl eher werden Blogger-Nutzer den Kauf in Erwägung ziehen oder Zufallskäufer Blogger nutzen. Ein Spiel mit vielen Unbekannten, das einen riesigen Markt sauber verfehlt.
Sony Ericsson aber ergeht es da wie der gesamten Cebit. „Blogging“ tauchte ? gut, ich habe nicht alle Hallen gesehen ? nur dort auf. Überhaupt: Das Internet, wo war es? Es dient in Hannover allein als Datenautobahn. Die Cebit war schon immer eine Hard- und Software-orientierte Messe, doch nun hat sich sich völlig abgekoppelt vom Netz. Die neuen Trends der Messe beschränkten sich darauf, althergebrachte Inhalte schneller auf den PC zu transportieren.
Die Idee des Internet-Fernsehens feiert fröhliche Urständ und sogar Handy-TV wird ernsthaft beworben. Wer jedoch einmal das Augenpulver sah, dass dort zu bewundern ist, kann nicht ernsthaft glauben, dass eine Zahlungsbereitschaft für die Winzbilder besteht. Erst recht nicht für Fußball-Übertragungen, wie uns die Telekom Glauben machen will. An deren Stand (auch nach all den Jahren ist Grau und Magenta übrigens keine sympathische Firmen-Farb-Kombination) lieferte ein mittelmäßiges Handy ein paar Großbilder von Füßen mit Ball.
Dumm, dass eine gewöhnliche Fußball-Übertragung sich in großflächigeren Bildern abspielt.
Allein Samsung präsentierte ein Display, das bei Handy-TV erlaubte, zu erkennen, was auf dem Bildschirm tatsächlich passiert. Dafür sorgten natürlich die standinternen Übertragungsraten.
Ohnehin: die Übertragungsraten. Das Deja-vu der Cebit 2001 war unverkennbar. Wieder viele, bunte Bilder ? wieder die Forderung nach besseren Netzen. Die Entwicklungsabteilungen der Großkonzerne haben den Vorstandschefs wieder mal viel tolles vor die Augen geworfen und die glauben, der Konsument würde sofort nichts besseres zu tun haben, als seine ohnehin schon kollidierende PC-Technik weiter zu überfrachten und sich noch ein Stück im Tarifdschungel der Telekom-Konzerne zu verirren.
Manchmal war die Cebit so grau und lichtlos wie unser Handelsblatt-Arbeitsraum.
Womit ich mich gar nicht beschweren will, immerhin haben wir im Gegensatz zu anderen Redaktionen einen eigenen Raum. Und die Tochter von IT-Redakteur Thomas Nonnast sorgte wenigstens für einen Lichtblick.
Uvisionär und unvernetzt waren die Tage in Hannover, wo die Aussteller glauben, die Zukunft sei eine schnellere Version der gescheiterten Vergangenheit.
Kommentare
Björn Eichstädt – Storyblogger 13. März 2006 um 13:06
Mir gings so ähnlich bei der CeBIT. Bis auf einige wirklich spannende Gespräche. Davon aber in Bälde mehr… Der Großteil der Dinge, die zu sehen waren, war wirklich keiner Rede wert.
Armin 13. März 2006 um 13:52
Ich glaub’s ja nicht: der Kulzerische ist immer noch an der Front! Sag dem Rudi mal nen schönen Gruss, obwohl er sich wohl kaum noch erinnern wird (ist ja schon lange lange her).
Strolch 13. März 2006 um 15:13
Nokia macht´s etwas besser, nach Auskunft des Produktmanagers ist die Lifeblog-Software für N-Series-Handys zumindest mit mehreren Sorten Blog-Software kompatibel. Wir haben´s noch nicht ausprobiert, aber demnächst…
Sanníe 14. März 2006 um 15:40
> wieder die Forderung nach besseren Netzen
Nun habe ich doch irgendwie „besseren Nutzern“ gelesen und das Gefühl, daß es genau das ist, was die Aussteller eigentlich wollen.