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Anlässlich des Geburtstages von Focus Online liefert der Kollege Jochen Wegner acht Thesen zur Zukunft des Online-Journalismus. Leider können sie bei Focus Online selbst nicht diskutiert werden. Hier schon… Denk ich ans Internet in der Nacht, bin ich derzeit um den Schlaf gebracht. Übertrieben gesprochen. Denn nachts denk ich nicht ans Internet.

Doch in diesen Tagen kribbelt es doch ganz mächtig. Es ist dieses unruhige Gefühl, dass mich (und wie ich weiß auch manchen Kollegen) ergreift, wenn sich ein Thema nicht recht einnorden lässt. Wenn man eine Ahnung hat, wohin es gehen könnte, aber doch nicht genügend Substanz um das Bauchgefühl mit Fakten zu untermauern.

So ist es derzeit mit dem Internet und allem was ein E- vor sich herum trägt. Kommt eine neue Blase? Was wird bleiben von all den neuen Dingen, die derzeit diskutiert werden? Fast ist es wie 1997, als man fühlte: Da kommt etwas.

Jochen Wegner geht es anscheinend ähnlich. Er formulierte bereits kürzlich für das von mir seit kurzem ja nicht mehr so gemochte „Medium Magazin“ Thesen zur Zukunft des Online-Journalismus. Die hat er zum zehnten Geburtstag von Focus Online noch einmal auf Fakten, Fakten, Fakten reduziert.

Leider feiert Focus Online zwar sich selbst, vergisst aber, dass Online auch etwas andere Möglichkeiten bietet – zum Beispiel die Verlinkung. So werden zwar die Focus-Weblogs mit Lorbeer umkränzt, der Weg zu ihnen aber nicht geebnet. Was natürlich besonders Tanja-Anja und ihre Kollegen ärgert.

Und wer mitdiskutieren will, wird zum Herunterladen des MSN Messenger weitergeleitet. Dabei wäre doch so ein Forum gerade beim interessanten Beitrag von Jochen Wegner wirklich schön. Na gut, das hat sich Focus vielleicht als Tool, wie der Münchener sagt, für die nächsten zehn Jahre vorgenommen. Aber Mitbewerbern hilft das Handelsblatt gern aus.

Hier also Wegners Thesen mit ein paar Zusatzgedanken:

1. Die Zukunft des Journalismus wird an seinen Rändern erfunden.

Sehr luftig, sehr hübsch, klingt gut – nur was ist der Rand? Das Internet? Wenn ja, ist es eben nicht immer der Rand, der Neues erfindet. So ist die Verknüpfung von Print- und Online-Medien zukunftsträchtig – doch sie wurde von den großen Verlagen vorangetrieben, nicht von kleinen Unabhängigen. Genauso entsteht an den Rändern einiges, was nicht zukunftsträchtig ist. Innovation war nie eine Frage der Größe sondern eine der Strukturen.

2. Die Grenzen zwischen Mediennutzern und -Produzenten verschwinden.

Dem stimme ich voll und ganz zu. Heute kann jeder Nachrichten erzeugen und sie relativ leicht verbreiten. Derzeit erreichen sie allerdings nur mit Hilfe der Großmedien die breite Masse. Das aber wird sich ändern.

3. Die Produktionskosten von Medien sind nicht mehr die entscheidende Hürde.

Sehe ich auch so. Wer Talent hat, kann mit vergleichsweise wenig Aufwand erstaunliche Ergebnisse erzeugen. Dies gilt allerdings nur temporär. Irgendwann wird eine neue, große Innovation ansteht, deren Nutzung für eine gewisse Zeit wieder nur den Zahlungskräftigen möglich ist.

4. Die Menge an Talent ist unendlich.

Nein, leider ist es nicht so. Physikalisch natürlich ohnehin nicht, doch auch faktisch. Derzeit erleben wir, wie Menschen ohne Medienerfahrung Sensationelles auf die Beine stellen. Doch auch die jüngste Umfrage „Wie ich blogge“ hat ergeben, dass die Schreibbegeisterung bei Schülern nicht so ausgeprägt ist, wie man meint angesichts der scheinbaren Flut von Teeny-Blogs und Tokio-Hotel-Foren. Es droht eine Generation der Medienkonsumenten, die wenig Interesse an der Medienproduktion hat. Zum anderen zeigt sich schon jetzt in Foren, Weblogs und Chats, dass diese Generation auch gedanklich nicht in der Lage zu sein scheint, gerade Gedanken zu formulieren.

5. Die Menge an Aufmerksamkeit ist endlich.

Ja. Der Tag hat 24 Stunden und es gibt keine Bestrebungen, das zu ändern. Die geistige Kapazität zur Medienaufnahme ist zwar, vor allem bei einer jüngeren Generation, höher als früher. Doch verteilt sie sich auch auf eine größere Zahl von Anbietern: TV, Radio, Internet, Print, Spiele konkurrieren um ein begrenztes Zeitbudget. Werden dann die Konsumenten auch noch zu Produzenten, sinkt ihre Aufnahmemöglichkeit noch einmal deutlich – denn Produktion ist zeitaufwändiger als reiner Konsum.

6. Was guter Inhalt ist, entzieht sich einer klassischen statischen Definition ? Mediennutzer und -produzenten diskutieren immer neu darüber.

Vollkommen richtig. Das beste Beispiel ist My Space: Das wilde Durcheinander von Teenager-Seiten dürfte eigentlich kein Erfolg sein, glaubte man den Beratern. Doch die sind eben keine Teenager. Gleichzeitig ist diese Entwicklung eine Gefahr für den Journalismus: Denn Journalisten sind strukturkonservativ und hinken der Entwicklung immer hinterher. Somit werden ihre Angebote sich immer weiter vom Zeitgeist entfernen.

7. Medien sind der Kristallisationskeim von Gemeinschaften.

Medien bilden zumindest neue Treffpunkte und ermöglichen die Kontaktaufnahme. Wegner folgert daraus aber, gerade deshalb sei guter Journalismus nötig. Ich befürchte, diese Zeit raubenden Gemeinschaften limitieren eher das Zeitbudget für den Konsum journalistischer Inhalte. Die Nutzer sind oft genug damit beschäftigt, ihre Diskussionen weiterzuführen. Manche dieser Gemeinschaften sind außerdem so hoch spezialisiert, dass ihre Nutzer in diesem einen Feld den Journalisten wissenstechnisch überlegen sind.

8. Der Bedarf an Qualitätsjournalismus im Netz wird wachsen.

Die Frage ist: Hat jemand diesen Bedarf oder ist die Gesellschaft der Meinung, dass dieser Bedarf bestehen müsste? Wie ich gestern schon schrieb: Die meisten Nutzer klicken lieber nacktes Fleisch und Sensationsmeldungen an als die tiefe, hintergründige Analyse. Das Internet ist ein bequemes Medium und der Mensch ist faul. So lange die Medienerzieher, egal ob Eltern oder Lehrer, weniger Wissen um Medien haben, als die zu Erziehenden, werden diese die Faulheit nutzen, um den Konsum anspruchsvollen Journalismus zu umgehen.


Kommentare


Mark Pohlmann 18. Januar 2006 um 12:19

Hallo Herr Knüwer,

sehr löblich von Ihnen, Herrn Wegner aus seinen Blütenträumen herauszuholen. Ein Problem wird gar nicht behandelt: Online-Journalismus heißt Mangel an Reichweite (durch Vielfalt), damit Zwang zur Effizienz und kleinen Budgets. Das ist für die meisten Redaktionen leider so gar nicht verlockend, deswegen heißt der Trend No. 1: Mehrfachverwertung, von Print ins Web und wieder zurück. So schnöde kann die Realität sein.

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Ernst Schlumpf 19. Januar 2006 um 12:39

Hallo! Einige Bemerkungen zu den 8 Punkten und den Erläuterungen!
Zu 1: Innovation ist nicht eine „Frage der Strukturen“, sondern des Handelns.
Zu 2: Es sind nicht die „Grenzen zwischen Mediennutzern und -Produzenten“, die verschwinden, sondern es sind die Intermediäre, die Vermittler, die dies (glücklicherweise) tun.
Zu 3: Die „Produktionskosten von Medien“ waren kaum je die entscheidende Hürde. Sie wurden ja immer schon fremdfinanziert (Anzeigen / Inserate).
Zu 6: Journalisten sind nicht bloss „strukturkonservativ“. Es ist noch schlimmer: Journalist kann man oft als Diganose, nicht als Berufsbezeichnung verstehen.
Zu 8: Selbstverständlich formuliert die Gesellschaft den Bedarf: Das ist wohl auch ein Teil sinnvoller Sozialisation und Enkulturation. Nur: Es ist ja nicht verboten, dies auch im Sinne der Gemeinschaft weiter zu vermitteln (Stw. Pädagogik…).
Herzlich ES

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Günther Jungspund 19. Januar 2006 um 17:49

„Zum anderen zeigt sich […], dass diese Generation auch gedanklich nicht in der Lage zu sein scheint, gerade Gedanken zu formulieren.“
Hört, hört, „diese Generation“. Kollerkommunizieren wir da nicht ein wenig? Und sollten Sie als Vertreter einer tugendhafteren Generation nicht auch lieber noch mal ihre Weblogeinträge auf deren korrekte Rechtschreibung überprüfen, bevor Sie sie veröffentlichen, bevor Sie über „diese Generation“ lästern?

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tknuewer 19. Januar 2006 um 17:57

Na, Kollerkommunikation ist das nicht. Leider ist es so, dass viele der Unter-20-Jährigen nicht in der Lage sind, komplexe Gedanken in Wort oder Schrift auszudrücken.

Was die Fehler hier betrifft: Stimmt, jeder ist einer zuviel. Und wird deshalb sofort korrigiert, wenn er auffällt.

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Günther Jungspund 19. Januar 2006 um 20:10

Sie haben mit Ihrer Beobachtung sicherlich nicht unrecht, aber Pauschalurteile finde ich generell irgendwie häßlich – außerdem gibt es nicht wenige sehr talentierte Jungautoren und -journalisten, also Schluss mit dem ewigen Pisa-Stigma, das nervt gewaltig! Ich lese „Indiskretion Ehrensache“ (trotz gelegentlicher Rechtschreibfehler) mit Begeisterung. In diesem Sinne: Weiter so, aber doch bitte nicht immer so gehässig – oder ist Ihr Redaktionsalltag so stressig? Merke: Ein eigener Weblog ersetzt nicht den Besuch beim Therapeuten (gilt übrigens auch für manche Kommentatoren). 😉

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Falk Lüke 20. Januar 2006 um 0:22

Außerdem zählt die Uhr hier rückwärts..?

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Falk Lüke 20. Januar 2006 um 0:22

Unglaublich. Also: 00:23 war das erste, 00:21 das zweite und 00:22 das dritte Posting. Welche Uhrzeit auch immer diesem hier zugelost werden wird.

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Falk Lüke 20. Januar 2006 um 0:23

Die längere und imho bessere Version kann man auch einfach in Jochens Blog Selbr.de diskutieren. Und ansonsten: Jochen ist seit ein paar Wochen Chefredakteur bei Focus Online – soll er da etwa gleich Links und Kommentare einführen? Mühsam erhörnt sich das Näheichchen. Auch bei Burda.

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stoltesa 20. Januar 2006 um 10:35

Wegner schreibt sich die Welt schön, weil er – wie viele von uns – nicht so recht weiß, was und wie er zukünftig arbeiten wird.

Ich hatte seine Thesen schon im MM gelesen und sage:

Wegner geht bei seinen Überlegungen davon aus, dass Menschen die bisherigen Medien brauchen. Seine Thesen wären überzeugender, wenn er wenigstens die Möglichkeit einer Welt ohne klassische Medien zur Basis nähme.

Beispiel Musikindustrie: Braucht der Mensch Musik? Sieht ganz so aus. Braucht der Mensch die Plattenindustrie? Daran sind Zweifel angebracht, denn einige Künstler distribuieren bereits direkt, ander gute signen bei kleinen Labels. Insgesamt zersplittert das. Nennt man wohl Communities.

Auf die Medien übertragen: Braucht der Mensch Informationen über sich und seine Welt? Vermutlich ja. Die Frage ist, ob die zukünftig von den großen Medienhäusern kommt, oder nicht. Oder anders: wie können die Medienhäuser Meta-Communities schaffen, die dann doch dafür sorgen, dass sie gekauft werden. Ich glaube View (Stern) ist da ein gutes Beispiel, denn Bilder schaue ich mir sehr gerne gedruckt an.

Außerdem stellt Wegner den Journalismus als Grundbedingung dar. Wie so viele Journalsiten hat er entweder keien Ahnung oder ignoriert, wer die Party bezahlt, nämlich die Werbetreibenden. Und genau hier wird es spannend, denn braucht Apple die Medien? Ich glaube, nicht wirklich. Und was wird passieren, wenn immer mehr Unternehmen selbst zum Sender werden und zielgerichtet ihre Communities bedienen, weil sie – siehe Tucholsky – merken, dass Presse und Realität in einem Spannungsverhältnis stehen.

Ich bin überzeugt, dass die Zukunft des Journalismus daher über die Zukunft der Medien zu definieren sein wird. Und diese Zukunft könnte sein: Große, wenige Infomedien, Unterhaltungsmedien, kleine Fachmedien und Meta-Communities und sehr viel Community-Medien von Unternehmen und Kunden. Daraus folgere ich:

1. Die Zukunft des Journalismus wird an seinen Rändern erfunden.
STIMMT

2. Die Grenzen zwischen Mediennutzern und -Produzenten verschwinden.
STIMMT

3. Die Produktionskosten von Medien sind nicht mehr die entscheidende Hürde.
STIMMT NICHT, zumindest wenn es darum geht, große Unterhaltung zu inszenieren und die Informationen zu recherchieren, die mich wirklich interessieren. Das können nur die Großen.

4. Die Menge an Talent ist unendlich.
STIMMT NICHT, nur ist die Qualitätserwartung der Nutzer sehr verschieden.

5. Die Menge an Aufmerksamkeit ist endlich.
STIMMT, und wird nicht unbedingt auf Medien gerichtet sein, wenngleich das Budget ja schon auf 10 Stunden/Tag gestiegen ist.

6. Was guter Inhalt ist, entzieht sich einer klassischen statischen Definition ? Mediennutzer und -produzenten diskutieren immer neu darüber.
STIMMT NICHT, denn es gibt keine statische Definition, außer der, dasss gut ist, was verkauft. Und das ist dynamisch. Und den Passus „Medien sind Konversationen“ hat er sich aus dem Clutrain Manifesto geklaut: „Markets are Conversations“.

7. Medien sind der Kristallisationskeim von Gemeinschaften.
STIMMT EINGESCHRÄNKT, denn so, wie er argumentiert, vermute ich, schreibt er um seinen Job und hält Medien für zu wichtig. Meine Aussage: Medien/ Das Web sind Orte der sozialen Fantasie, in dem Ideen für konkrete Handlungen in/ und außerhalb des Internet entstehen. Dazu braucht es nicht immer Journalisten. Manchmal aber schon.

8. Der Bedarf an Qualitätsjournalismus im Netz wird wachsen.

STIMMT HALT AUCH NICHT, denn: „Glaubwürdige, hochwertige, exklusive Inhalte werden auch die nächsten zehn Jahre unser höchstes Ziel sein.“ stimmt nur, weil sie ihre Werbeflächen vermarkten wollen, nicht aber wegen ihrer vermeintlichen Rolle als Menschenretter und vierte Gewalt. Und im Netz braucht es nicht Qualität, sondern Authentizität. Und die zu sichern wäre tatsächlich eine echte Aufgabe für die es Qualitätsjournalismus braucht, weil sie nicht mit der Marketinglogik der Konzerne zu lösen ist.

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Andreas Skowronek 20. Januar 2006 um 13:02

Was ist denn davon zu halten?
„Zum anderen zeigt sich schon jetzt in Foren, Weblogs und Chats, dass diese Generation auch gedanklich nicht in der Lage zu sein scheint, gerade Gedanken zu formulieren.“
Soll das jetzt ´ne Vermutung sein oder eine Feststellung? Sollte letzteres der Fall sein, bleibt zu fragen: Wie breit ist die empirische Basis eines solchen Befundes?

Meine Beobachtung ist die, dass Jugendliche ? und damit meine ich auch solche von Haupt- und Realschulen ? durchaus noch formulieren können, was sie zu sagen haben. Diese Feststellung basiert auf Erfahrungen in der Jugendbildungsarbeit.

Ich warne davor, journalistische Distanz mit Überheblichkeit zu verwechseln und „der Jugend“ deren eigene Kommunikationskultur zu vergrätzen.

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37sechsBlog 21. Januar 2006 um 12:20

Sollte ich jedoch irren und Jugendliche tatsächlich nur noch stammeln und keinen geraden Satz formuliert bekommen, füge ich hinzu:
Ab sofort gehört der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Dr. Edmund Stoiber zu der Bevölkerungsgruppe, die …

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JanSchmidt 21. Januar 2006 um 22:04

Ich freu mich über den Verweis auf unsere Umfrage unter 4., habe aber wie andere Kommentierer Probleme, die Schlussfolgerung aus unseren Ergebnissen nachzuvollziehen. Festzuhalten ist a) die durchaus beachtliche Zahl von bloggenden Jugendlichen (selbst wenn wir vermutlich nur einen Bruchteil von ihnen mit der Umfrage erfasst haben) und b) der hohe Anteil von Mädchen bzw. jungen Frauen. Diese nutzen das Format ganz anders als wir Wissenschaftler, Journalisten, Berater, interessierte Experten in eigener Sache, die wir über Veränderungen des Journalismus und der Organisationskommunikation debattieren.
Die allermeisten Jugendlichen (und viele andere Blogger) machen sich darüber vermutlich kaum Gedanken, denn für sie ist das Blog einfach ein weiterer Kanal des persönlichen „Networking“, genauso wie SMS, IM, etc.; in mancher Hinsicht sogar besser, weil es mehr Möglichkeiten der Selbstpräsentation und des persönlichen Ausdrucks bietet. Ich finde deswegen zwei Sätze etwas unglücklich formuliert: „Es droht eine Generation der Medienkonsumenten, die wenig Interesse an der Medienproduktion hat.“
Nein, Interesse an der Medienproduktion hat die junge Generation schon – sie schafft ja unglaublich viele Texte in ihren Blogs und anderswo im Netz. Durchaus möglich aber, dass sie kein Interesse an der Medienproduktion nach den Regeln des „klassischen Journalismus“ hat.

„Zum anderen zeigt sich schon jetzt in Foren, Weblogs und Chats, dass diese Generation auch gedanklich nicht in der Lage zu sein scheint, gerade Gedanken zu formulieren.“

Weblogs machen die Selbstgespräche und Konversationen ihrer Nutzer öffentlich. Daran mit Qualitätskriterien heranzugehen, wäre ähnlich verquer, wie einem Kneipengespräch vorzuwerfen, es sei nicht in zwölfhebigen Jamben geführt – entscheidend ist doch, dass es die jeweiligen Zuhörer/Leser (und seien es nur eine Handvoll) verstehen.

Ansonsten aber ein sehr guter Artikel! 🙂

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Martina 21. Januar 2006 um 22:50

Danke, Jan, für deinen Einwurf! 🙂
Thomas, in meinen Augen begehst du mit deinem Posting genau den Fehler, den ich den „professionellen“ Bloggern vorhalte – zwischen „uns da oben“ und „denen da unten“ abzugrenzen.
Dabei möchte ich mich auf das Zitat konzentrieren, das Jan auch brachte:
„Zum anderen zeigt sich schon jetzt in Foren, Weblogs und Chats, dass diese Generation auch gedanklich nicht in der Lage zu sein scheint, gerade Gedanken zu formulieren.“
In der Bloggersphäre sehe ich diese Tendenz positiv! Die Generation, die du damit explizit ansprichst, „erarbeitet“ sich auf diese Weise ihre Gedankenwelt. Sie denkt (vielleicht manchmal auch nur in engen Spuren) und sie schreibt. Aber das Schreiben führt zu einer Entwicklung, die progressiv ist. Schon allein dadurch, dass die Schreiberlinge vielleicht auch einmal erneut den einen oder anderen selbstverfassten eigenen „alten“ Beitrag lesen, bemerken sie an sich eine Entwicklung. Vielleicht nicht bewußt, aber dennoch!
Vielleicht liest du einfach einmal deine allerersten Texte, die du für das Handelsblatt geschrieben hast. Sicherlich wirst du bei dem einen oder anderen Script innerlich dir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und dir denken: „War ich naiv!“ oder ähnliches. Sollte dies bei dir nicht der Fall sein, dann ist es tragisch um dich bestellt. Wandlung ist unser Schicksal – gepaart mit Entwicklung. Und dazu braucht es eine Chance und auch eine Zeit.Nun zu einem anderen Punkt, dem ich in einer gewissen Weise widersprechen möchte.
„Die meisten Nutzer klicken lieber nacktes Fleisch und Sensationsmeldungen an als die tiefe, hintergründige Analyse. Das Internet ist ein bequemes Medium und der Mensch ist faul. So lange die Medienerzieher, egal ob Eltern oder Lehrer, weniger Wissen um Medien haben, als die zu Erziehenden, werden diese die Faulheit nutzen, um den Konsum anspruchsvollen Journalismus zu umgehen.“
Hier verlangst du von einigen Internetusern, wenn ich dich jetzt richtig versteh, etwas, was sie selbst im realen Leben nicht vollbringen können: NIVEAU und DENKEN.
Seit etwa 2000 war oder ist das Internet ein sehr gutes Spiegelbild unserer Gesellschaft. Kommerz liegt neben Profanem und Relevanten. Die BILD und der dazu gehörige Bildblog gehören genauso dazu wie dein Blog, der der anderen hier oder meiner. Welche Ansprüche haben wir? Dein Anspruch wird sicherlich ein anderer sein als meiner. Ich mache es „just for fun“ und meine Intention ist garantiert eine andere als die Deine oder die von Jan oder vom Don et al.
Unsere Chance, deine, die der anderen und auch meine, liegt darin, über eine Präsenz in Klein-Bloggersdorf irgendwann die Youngsters mit dem einen oder anderen Beitrag zu fesseln und zu einem anderen Nach- und Mitdenken anzuregen.
Viele „Professionelle“ versuchen dies auf eine Art, die viel zu anstrengend ist. Eine Regel im Web ist nämlich: kein Satz mit mehr als 12 Worten und wenn möglich, mit nur max. einem Nebensatz! Alles andere wird für den Webleser zu anstrengend und er fängt an zu „scannen“, er sucht also nach Schlüsselwörtern, die sein Interesse ggf. wecken könnten. Hier versagen viele, oftmals aus einem Drang einer Profilneurose heraus.
Hiervon möchte ich mich auch nicht freisprechen, denn sonst würde ich nicht auf einige Blogbeiträge antworten.

Nach der ganzen Litanei, die ich eben von mir geschrieben habe, möchte ich dich nur bitten, auf dem Boden von Klein-Bloggersdorf zu bleiben und dich nicht abzugrenzen – auch wenn es manchmal nötig wäre/ ist oder aber sich ergibt. Versuche einfach, die Leute da abzuholen, wo sie sich befinden – und geh einfach mal ’nen Zentimeter aus deiner Zielgruppe hinaus in die „profanere“, „billigere“ Ebene.

So, jetzt habe ich einen für meine Internet-Verhältnisse wirklich langes Re: auf einen Beitrag abgelassen. Ich hoffe, ich habe dich nicht gelangweilt, sondern etwas (wie auch den einen oder anderen Leser) zum Nachdenken angeregt. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das, was ich bezwecke und das, was ich schreibe, nicht immer in Einklang zu bringen ist – denn solch ein Widerspruch ist absolut beabsichtigt.
In diesem Sinne

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