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Weihnachten ist die Zeit der Rituale und Traditionen – auch in der Redaktion Handelsblatt. Gerade zum Beispiel grassiert die traditionelle Vorweihnachtserkältungswelle. Wie mit einer Daunenjacke überdeckt klang die Stimme von Klemens Kindermann, dem Chef am Produktionstisch des Politik-Ressorts, heute in der Morgenkonferenz. Report-Ressortleiter Peter Brors begrüßte mich mit den Worten „Mir ist schlecht“. Ich selbst habe das Ende der vergangenen Woche im Bett verbracht.

Überall schnieft es, keucht es, hustet es in diesen Tagen, eine viral dezimierte und nasal verschleimte Redaktionsmannschaft begrüßt eines der traditionellen Dezemberrituale in der Düsseldorfer Kasernenstraße: die Vorweihnachts-Erkältungswelle.

Da kann man noch so viele Zinktabletten schlucken, sich mit noch so vielen frischen Obstsalaten aus der Kantine dopen. Hilft alles nichts, wenn die Hals-Nasen-Ohren-Beleger einen der vielen Pendler erwischt haben, der sein geliebtes Köln, Hennef, Troisdorf oder Essen nicht tauschen mag mit dem Düssel-Dorf. Der gesundheitliche Hinterhalt Zweite-Klasse-Großraumabteil: Dort harren sie auf Haltegriffen und Klapptischen, Armlehnen und Kleiderhaken, die widerwärtigen Schleimbeschleuniger. Die Attacke kommt schon direkt hinter der Deutzer Brücke, wenn die Regionalbahn noch mit Schrittgeschwindigkeit Köln in Richtung des verhassten Düsseldorfs verlässt. Dann sind die Abwehrkräfte noch leicht morgendlich verduselt, der Angriff erwischt die Opfer kalt. Und klappt es dort nicht mit der Infektion, dann vielleicht in der Rheinbahn, Straßenbahnlinie 703, 706, 712 oder 713 zum Beispiel, noch kurz vor dem Ausstieg Benrather Straße.

Die zweite Angriffswelle kommt in Form trojanischer Pferde: junge Eltern. Vollbepackt mit Magen-Darm-Nase-Hals-Bomben rollen sie unbedarft in die Verlagsgruppen-Garage in ihren Opel Zafiras und mutieren ungewollt zu Redaktionsaboteuren. Immerhin: Die Grippe ist im Griff. Seit die Flure vor einigen Jahren zeitweilig einem mittelalterlichen Pest-Gemälde glichen, werden kostenlose Grippeschutz-Impfungen angeboten.

Doch der Erkältungstsunami – er rollt immer. Sogar mit Frühwarnsystem. Was das Erdbeben vor einer Flutwelle ist beim Handelsblatt eine Hausmitteilung an alle Mitarbeiter. Sie kommt vom Sicherheitsbeauftragten, beginnt mit den Worten „Advent, Advent, kein Lichtlein brennt“ und ermahnt, ja nicht die Kerzen auf eventuellen Adventskränzen anzuzünden – der Brandgefahr wegen. Obwohl so ein weitflächiges Feuer die Viren hinwegfegen würden. Die Folgeschäden wären natürlich nicht so schön.

Immer also, wenn diese Hausmitteilung uns erreicht, wissen wir: Das große Schniefen ist nah. Wer glaubt, sich dagegen wehren zu können, meint auch, dass man in Thailand innerhalb einer halben Stunde alle Strände räumen kann.

Aber warum nur breitet es sich gerade in diesem Haus so epidemieartig aus? Eine Klimaanlage gibt es nicht, die alte, wenig Hygienehoffnung erweckende Lüftung ist ausgeschaltet (soviel ich weiß).

Vielleicht erwischen uns ja Kaiserviren, die wie die Kaiserpinguine jedes Jahr am gleichen Ort fröhliche Orgien feiern? Paarungsrituale mit Nachrichtenanschluss, Poppen bis der Chefredakteur röchelt, herumviren bis online offline ist – ja, das wäre eine Erklärung.

Und was so eine Kaiservire ist, die weiß auch, dass es eine strategische Schwachstellen gibt, will man das Handelsblatt lahm legen: die Weihnachtsfeier. Die findet nämlich heute Abend statt. Und wieder einmal ist den Kaiserkillern gelungen, ihre Attacke so zu reiten, dass heute die Ich-bleib-echt-nicht-lange-ich-kann-nicht-mehr-Kollegen und die Es-geht-mir-schon-trööööööt-besser-Mitarbeiter die fiesen Schädlinge hustenderweise über das Buffet verteilen.

Spätestens am Mittwoch dann ist auch das letzte Immunsystem den Rhein runter. Dann weiß die Elite unter den Schnupfenbringern, dass das letzte Fest ansteht, das finale Wiggeln, Waggeln und Anstecken: die Ressortweihnachtsfeiern.

In kleiner Runde kommen frisch Gesundete, Auf-dem-Weg-der-Besserung-Befindliche, Voll-Schleimbelegte und Leicht-Im-Hals-Kratzer zusammen. Und die schon der Niederlage entgegen kämpfenden Virenbataillone erhalten letzte Verstärkung, die Kavallerie robbt sich heran, auf das noch die eine oder andere Familienzusammenkunft am Heiligen Abend ruiniert werde und aus der stillen Nacht eine niesende Nacht geworden ist.


Kommentare


Alle Leser 12. Dezember 2005 um 12:28

Gute Besserung!

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