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Eigentlich, sollte man meinen, hat es jetzt jeder mitbekommen: Das Internet verändert die Wirtschaft. Nur der Bundesverband des deutschen Textileinzelhandels, der hat sich noch nicht so richtig an die neue Zeit angepasst.

Das Internet ist eine Sau. Eine sadistische Sirene. Ein fieses Miststück. Für alle Unternehmen, für jede Branche.

Einerseits macht es so vieles einfacher und günstiger. Zum Beispiel den Warenfluss. Ohne das Internet könnte Zara seine Kollektion nicht so schnell drehen, bekäme Metro nicht Waren aus der ganzen Welt genau dann geliefert, könnte der Weinhändler um die Ecke nicht so leicht jeden Spezialwunsch seiner Kunden erfüllen.

Doch andererseits wird so mancher Händler umgangen von Herstellern oder Konkurrenten. Ist schließlich nicht schwer aufzubauen, so ein Online-Shop. Und die Post ist ja inzwischen ansatzweise eine Art Dienstleister geworden.

Ja, es sind harte Zeiten. Jeder muss sich etwas einfallen lassen. Muss sich anpassen, schneller werden und kreativer.

Nur an der Lyskirchen in Köln, da liegt ein Hort der digitalen Unberührtheit. Fast zumindest. Dort residiert der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels. Er verschickt schon mal Pressemitteilungen wie diese hier:

"Wandkalender mit Firmeneindruck sind ein ausgezeichnetes Kundenpräsent und Werbemittel, da sie ständig im Blickfeld des Kunden sind. Der BTE hat in Kooperation mit Mohn Media wieder ein attraktives Kalenderprogramm zusammengestellt, darunter auch die bei den Kunden beliebten Küchen- und Gartenplaner sowie spezielle Motive für Kinder."

Wie schön. Auch die Globalisierung ist längst ein Freund. Als die EU endlich die aus China georderten Billig-Pullis freigab, begrüßte das auch der BTE.

Nur mit dem Internet, da hat er’s nicht so. Ist aber auch echt böse. Gehen Hersteller einfach hin und verkaufen selbst. Neinneinneinnein, wo kommen wir da hin? Aber was soll man tun? Der BTE hat eine einfache Lösung gefunden: Auf die Knie fallen und betteln.

"Im Sinne einer fairen Partnerschaft sollte der Lieferant dann aber nicht selbst den Verkauf über einen eigenen Online-Shop tätigen, sondern auf seine Handelspartner verweisen. Das gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Einzelhändler über eine eigene Website (ggf. mit Bestellmöglichkeit) verfügt, so dass es nur einer einfachen Verlinkung bedarf…

Der BTE appelliert deshalb eindringlich an alle Hersteller, keine eigenen Online-Shops zu installieren und zu betreiben, sondern die Internet-Surfer auf die eigenen Handelspartner zu verweisen bzw. zu verlinken. Es darf nicht sein, dass der Hersteller durch seinen virtuellen Shop dem Einzelhandel praktisch "vor Ort" Konkurrenz macht.

Absolut unakzeptabel wäre es darüber hinaus, wenn im Internet aktuelle Ware vor Saisonende vom Hersteller unter dem regulären Verkaufspreis angeboten würde. Ein reiner Online-Abschleuse-Shop für Altware dürfte dagegen von den meisten Handelspartnern toleriert werden."

Willkommen in der Gegenwart, lieber Bundesverband. Oder besser: Tschüss, machs gut. War schön – so lange es Dich und Deine Mitglieder gab.

(gefunden auf dem Fischmarkt)


Kommentare


problematik.net 5. Oktober 2005 um 10:08

Das Internet ist eine Sau. Eine sadistische Sirene. Ein fieses Miststück. [ie]

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Don Alphonso 5. Oktober 2005 um 13:54

Uh – oh, ich vermute, der Textilhandel hat in den letzten 7 Jahren schon viel zu oft kluge Sprüche kluger Journalisten und noch klügerer Marketingfischköpfe gehört und gelesen, als dass sie sich um diese Welt noch scheren würden – vielleicht gar nicht so ganz ohne Grund im Bereich B2C. Denn mit einem Online-Shop allein ist es ja nicht getan, was kluge Leute, die nur über Wirtschaft reden ohne sie zu betreiben, oft nicht wissen.

Und während man bei Dell weiss, was man an Computern bekommt, kriegt man im Bekleidungshandel etwas, wo die Farbe dann doch nicht so ist wie auf dem Monitor, da ziept´s und frau ist viel zu fett, die Grössen fallen nicht so aus wie beim altbekannten Otto, dann geht die Ware, wenn sie nicht die erwähnte Altware ist, zurück und der Hersteller braucht eine hübsche Logistik, um das alles in den Griff zu bekommen, und der Glaube, dass die Post bei Firmen unter 200 Mitarbeitern wirklich ein Dienstleister ist – gut, manche Leute glauben auch daran, dass Pit Kabel eigentlich nur seiner Zeit voraus war.

In diesem Zusammenhang empfehle ich dringend Ingo Niermanns Buch „Minusvisionen“, da ist die Geschichte so eines Kleidungs-Direktvertriebs aufgezeichnet. Ich würde es nicht empfehlen, wenn durch fortbestehendes Unwissen irgendwelches Beraterpack am Strassenrand verhungern würde, aber um die Kunden, denen so eine E-Commerce-Lösung ohne Aufklärung über die Risiken und ehrliche Folgenabschätzung aufgeschwatzt wird, tut es mir leid.

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Mario 5. Oktober 2005 um 15:13

Und jetzt erklärt der Don uns noch, warum der Online-Shop eines Einzelhändlers all die oben aufgeführten Nachteile nicht haben sollte, der eines Herstellers aber wohl.

Denn genau das ist die Forderung des Verbandes: Produzenten sollen keine eigenen Webshops aufbauen, sondern die der Händler verlinken.

Das hätte man natürlich aus dem Text herauslesen können, wenn man ihn gelesen hätte, bevor man ihn kommentiert hätte.

Thema verfehlt.

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Don Alphonso 5. Oktober 2005 um 16:00

Weil ein Einzelhändler in qua Definition die nötige Logistik für den Umgang mit dem Endkunden hat. Besonders wenn das Internetgeschäft, wie es im Originaltext auch ausgeführt wird, vor allem von grossen Versandhändlern betrieben wird. Quelle ist für Logistiker ein etwas anderer Player als ein normaler Hemdennäher. Der Vertrieb kann sich jenseits des Netzes über die vorhandenen Strukturen abgewickelt werden.

Diese Strukturen sind im Textilhandel aber ein nicht unerheblicher Kostenfaktor – weshalb schon der Brick-and-Mortar-Fabrikverkauf im Textilwesen einfach die Preise etwas senkt und dadurch so weit wie möglich den Umtausch auszuschliessen versucht, den Quelle über Normierungen und langfristige Kundenbindungen zu reduzieren gelernt hat. Zum Beispiel.

So ist das. In der begreifbaren Kurzfassung für kluge Journalisten, zu viel an Internet 2.0 und zu wenig an die Realität da draussen denken. Und vielleicht auch mal genau lesen statt lospöbeln – der obige BTE-Text bezieht sich eben nicht exclusiv auf Online-Shops, sondern allgemein auf das Netz und sinnvolles Verhalten im Umgang mit den Kunden.

Weil, wenn Du Händler Ware teuer verkaufen lassen und Du Ware selber billig im Netz verticken, Du bald werden Ärger haben. Was aber Sinner-Fisch nicht verstehen, aber die sowieso nur wegen IPO nicht pleite.

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Sascha Lobo 5. Oktober 2005 um 17:38

Streiten Sie sich nicht! Wenn hier einer von New Economy keine Ahnung hat, dann bin ich das. Und im Gegensatz zu Ihnen kann ich das auch beweisen, meine Herren!

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Arm in 6. Oktober 2005 um 8:04

@Sascha: ich glaube, die Pappnase von boo.com haben selbst euch getoppt.

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Lichtwesen 9. Oktober 2005 um 16:12

Ich kann die Empfehlung schon irgendwie verstehen… Online-Shops vernichten nun mal einige tradierte Berufe. 🙁

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