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Echte Freunde stehen zusammen, stehen zusammen in der Not. Auch in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.

PS: Wegen Dienstreise macht Indiskretion Ehrensache mit diesem Beitrag Pause bis Freitag. Aber nun blenden wir in unsere geliebte, kleine PR-Agentur…

Nein, das hatte Praktikantin Julia wirklich nicht verdient. Da waren sich Senior Consultant Sabine und Junior Consultant Tanja-Anja einig.

Mit Tee- (Sabine) und Kaffee-Tasse (Tanja-Anja) in der Hand stehen sie in der Tür zur Kaffeeküche und blicken ernst auf Julia, die am anderen Ende des Großraumbüros ihre Sachen zusammenpackt. Eine Auszeit will sie nehmen, in den Semesterferien Urlaub machen. Sagt sie.

Aber alle wissen, was los ist: Senior Consultant Lars hat Schluss gemacht. Warum? Darüber diskutieren sich Tanja-Anja, Sabine und die bulgarisch Sekretärin Polia seit Tagen die Köpfe heiß. Es muss etwas passiert sein. Aber was?

Blass und mit wenig Worten verabschiedet sich Julia. Irgendwann im September will sie wiederkommen, wann genau, weiß sie noch nicht. Tanja-Anja stehen die Tränen in den Augen, als sie die geknickte Praktikantin in den Arm nimmt, sie drückt als gebe es kein Wiedersehen.

Nein, das hat sie nicht verdient.

Giftig blicken Tanja-Anja und Sabine hinüber, hinter der Glaswand des Konferenzraums sitzt Lars. Mit der neuen, Senior Consultant Alexandra. Ein Laptop steht auf dem Tisch, es wird gearbeitet. Julia verabschiedet sich nicht von den beiden.

Und der Chef? Hat gerade keine Zeit, „Stimmt aber nicht. Der wollte nicht“, erzählt Polia in der Mittagspause Tanja-Anja und Sabine. „Morgen kommt eine, die sich als Praktikantin vorstellen soll“, verrät Polia mit vor Wut bebender Stimme: „Er will Julia auswechseln!“ 

Fast fällt Sabine die Starbucks-Tasse aus der Hand. „WAS! DAS KANN DOCH WOHL NICHT WAHR SEIN!“ Polia aber nickt: „Doch. Die heißt Veronika und studiert in Passau Medien und Kommunikation. Ist erst 20…“
„Schlampe“ entfährt es Sabine und die beiden starren sie an. „Na, ich meine, wir können doch nicht zulassen… Julia hat doch schon so gelitten…“. Tanja-Anjas Blick verdunkelt sich: „Wir müssen was machen“, sagt sie entschlossen. Und drei Köpfe rücken über dem Coffeeshop-Tisch enger zusammen.

Am nächsten Morgen, pünktlich kurz vor zehn steht Veronika vor der Kamera am Einlass der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt. Ihr Gang durch das Großraumbüro wird aus der Kaffeeküche mit bösen Blicken von Sabine und Tanja-Anja begleitet. Abschätzig wandern Sabines Augen über die schwarzen, glatten Haare, das puppenartige Gesicht, den bayerisch-üppigen Vorbau, der im krassen Gegensatz zur schlanken Taille steht, die noch betont wird durch die hohen Stöckelschuhe und das perfekt geschnittene beige Kostüm. Lars Blick richtet sich auch auf die Kandidatin, seine Augen werden groß.

Noch größer allerdings als Tanja-Anja aus der Kaffeeküche schießt, Veronikas Weg kreuzt – und mit voller Wucht mit ihr zusammenstößt. Brauner Kaffee ergießt sich über beiges Prada, leicht gebräunte Haut errötet unter heißem Getränke, bayerischer Busen macht Bekanntschaft mit dem besten Laminat der Stadt, an deren Rand die kleine PR-Agentur liegt.

„Also.. das tut mir… sooooooo“, stammelt Tanja-Anja, als sie Veronika aufhilft. Die starrt entsetzt auf die gewaltigen Flecken auf ihrem Kostüm. Hektisch reibt Tanja-Anja mit ihrem Papiertaschentuch, auf dass sich die Zellstofffusseln verteilen. „Danke, danke, geht schon“, flüstert Veronika. „Ich bin übrigens die Vroni“. Tanja-Anja verzieht das Gesicht und stellt sich nur mit ihrem Nachnamen vor.

In diesem Moment klingelt Sabines Telefon, auf dem Display erscheint ihre eigene Handy-Nummer, was aber natürlich niemand sehen kann. Sabine rennt wie vom Chef gepeitscht wild aus der Küche – und in Vroni rein. Dumm, dass sie eine offene Packung Mehl in der Hand hält. „Oh, mein Gott, also das tut mir echt leid, ich mache gerade Waffeln für alle. Möchten Sie auch?“, röchelt sie, nachdem sich der erste Mehlstaub gelegt hat. 

Vroni schweigt. Und blickt fassungslos auf das beige Kostüm, auf dem Kaffee und Mehl eine sanfte Verbindung von Wiener Melangigkeit eingehen. 

„Was ist denn hier los?“, brüllt der Chef, vom Lärm aus seinem Büro gelockt. 

„Ich fürchte unsere Bewerberin hat sich ein wenig ungeschickt verhalten“, klärt Polia ihn auf.

Vroni sagt nichts. Und blickt auf ihr Kleid. Und auf den Chef. Und auf ihr Kleid. Dann stellt sie sich mit leiser Stimme vor. 

Eine halbe Stunde später sitzt sie im Konferenzraum vor einem Laptop. „Er macht doch immer wieder das gleiche“, sagt Sabine siegessicher. Heute hatte sie extra einen Kundentermin verlegt um in Jeans und leicht zu reinigender Bluse kommen zu können. Tanja-Anja legt ihren Arm lässig auf Sabines Schulter: „Mann eben. So leicht auszurechnen…“

Mit einem Kaffee in der Hand und einer Ladung Waffeln geht Sabine zu Vroni: „Hier, zur Stärkung. Tut mir echt leid vorhin. Aber ich erkläre dem Chef das nochmal. Was musst Du denn machen?“

„Eine Pressemitteilung schreiben. Für Integralis“, seufzt Vroni.

„Ich kann Dir nur einen Tipp geben: Der Chef liebt Wortbilder. Je mehr, desto besser“, rät Sabine.

„Echt? Dabei ist das doch eigentlich nen totales No-No“

„Bei ihm nicht. Damit kannst Du echt gewinnen… Viel Glück, toi, toi, toi“, sagt Sabine und drückt beide Daumen, während sie ihr Gesicht mühsam zu einem aufmunternden Lächeln verzieht.

Zwei Stunden lang liefert der Blick in den Konferenzraum den Eingeweihten beste Unterhaltung. Immer wieder versucht Vroni ihre Finger zu säubern, die kleben vom Billighonig, in dem die Waffeln getränkt sind. Instinktiv wischt sie ihre Hände ab und zu am Kostüm ab, nimmt dadurch Mehl auf, das sich dann in die Tastatur begibt.

Und so ein Ausdruck sieht auch nicht besser aus, wenn er mit Fingern dem Drucker entnommen, die belegt sind mit einer Paste aus Honig, Staub, Mehl, Papierfusseln und Druckerschwärze des Integralis-Briefings.

Als Vroni sich verabschiedet, starrt der Chef entsetzt erst in seine klebrige Hand, dann auf die hinaus stolpernde Vroni, der wohl Polias Fuß irgendwie in die Quere gekommen sein muss.

 „Was war das denn?“, murmelt er vor sich hin. „Wie fandet ihr die?“, ruft er in den Raum. Lars und Alexandra zucken mit den Achseln. „Tollpatschig“, ruft Tanja-Anja. „Wir brauchen einen neuen Laptop“, sagt Sabine mit ernstem Gesicht und zeigt dem Chef die verwüstete Tastatur.

Der Chef überfliegt Vronis Pressemitteilung und schüttelt den Kopf. „Nein, nein, nein… Formel 1 für den E-Mail-Verkehr… epidemische Angriffswellen… Spitze des Eisbergs… Sicherheitstroika… sicherer Hafen… Was soll das sein? Eine Wortbildergalerie? Na wenigstens keine Rechtschreibfehler, soweit ich das sehe…“

Er wirft Vronis Arbeit in den Papierkorb. „Polia, sag der ab. Und frag doch mal bei Julia, ob sie nicht doch schon in zwei Wochen wiederkommen will.“ Und dann schlägt der Chef so laut seine Tür zu, dass er nicht hört, wie sich drei weibliche Hände über den Köpfen ihrer Besitzerinnen abklatschen.

Und Vroni? Die muss jetzt anderenorts ihr Glück suchen…

(Vielen Dank für den Hinweis an Don Alphonso)

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat
Frisches Blut
Niederschlag
Weibliche Waffen
Imagewandel


Kommentare


Christian 9. August 2005 um 9:33

Die arme Vroni! (Ich meine die echte.)

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we:blog: munich friends 9. August 2005 um 10:39

Das Blog Minga hat seit gestern eine Praktikantin: Vroni, 20 Jahre alt und Studentin im dritten Semester aus Passau. Nach Aussage der Macher dieses Blogs wird sie „als „Deutschlands erste Chat-Praktikantin“ in die Mediengeschichte“ eingehen und „Lieb…

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Biene 12. August 2005 um 11:19

Nach vier Seiten Blog dachte ich, die Meldung ist komplett unbrauchbar. Ich würde Vroni ne Chance geben 🙂

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kleine 17. Januar 2006 um 14:53

die arme Praktikantin Vroni

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blog.generation-praktikum.de 23. April 2006 um 9:15

Zunächst dachte ich an einen Fake, als ich von "Vroni in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt" las. Ging es da doch um eine Praktikantin inspe, Vroni, die von Festangestellten in einige missliche Lagen versetzt wurde, um ihr die Chancen au

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