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Die dba will sich als "Die Business Airline" übersetzt wissen. Nach gestern frage ich mich, welches Business die Marketing-Verantwortlichen meinen. Der pünktliche Transport von Passagieren unter angenehmen Bedingungen anscheinend nicht.

Nur selten passiert es in diesen sozialkalten Tagen, dass man gerührt ist. Gerührt, weil ein Unternehmen sich die Mühe macht, einen Einblick zu gewähren in die Arbeitsweise seiner Branche. Der Airline-Industrie, zum Beispiel. Gestern aber habe ich viel über sie gelernt. Bei der dba. Es war ein besonderer Morgen.

Um 6.45 sollte ich abfliegen nach Berlin, zurDaimler-Hauptversammlung. Schon zum Zeitpunkt des Eincheckens dürfte die dba gewusst haben, dass ihre Maschine defekt war und aus München ein Ersatzteil eingeflogen werden musste. Doch sie verschwieg ihren Gästen das, womöglich hätten sich einige Ignoranten um ihr Bildungserlebnis gebracht, indem sie versucht hätten, noch die gleichzeitig avisierte Lufthansa-Maschine zu erwischen.

So aber warteten die rund 90 Passagiere pflichtgemäß gegen 6.15 Uhr am Gate, wie es auf ihren Bordkarten stand. In diesem Moment erleiden Fluggäste schlagartig eine Bewusstseinsfokussierung, die lebensgefährlich werden kann: eine Art Scheuklappenhören. Der terminalweite Lautsprecher wird dann aus dem Geist verbannt, es zählt nur noch die Ansage am Gate. Wie gefährlich! Man stelle sich nur vor, es bräche ein Feuer aus, wie es tragischerweise schon einmal in Düsseldorf passiert ist. Nicht auszudenken!

Dies machte uns die dba deutlich, indem sie die Verspätung des Flugs über den großen Lautsprecher ankündigte. Um 8.10 solle es losgehen. Viele der Wartenden registrierten dies gar nicht. Typisch! Die wissen jetzt aber, was Sache ist. Der junge Mann neben mir kommentierte: "Die haben sich bestimmt versprochen." Er war jung, er war naiv, er ist noch nie dba geflogen.

Um die nicht von Technologie unterstützte, zwischenmenschlich-warme Kommunikation zu fördern, sagte der junge Herr am Gate erstmal gar nichts. Es spricht für die exquisite Personalauswahl der dba, dass hier jemand stand, der mit einem ganzen Spektrum potenzieller Kunden auf einer Wellenlänge liegt. Gut vorstellbar, dass er in seiner Freizeit neumodische Wortkombinationen wie "voll krass, ey" so perfekt betonen kann, wie wir Mittdreißiger es nie schaffen werden.

Nun stürmten alle auf ihn ein, fragend, ob denn das stimme. "Ja, stimmt. Technischer Defekt." Das ist knappe, effiziente Kommunikation.

Zudem verwies er auf den Monitor über seinem Kopf, auf dem warb ein Laufband um "Verstaendniss" für den Defekt der "Maschiene". Wie mitfühlend von der dba: Pisa-Opfer und Geschädigte des Unterschichtenfernsehens werden hier nicht ausgeschlossen sondern fühlen sich kuschelig integriert.

Und auch kühlen, technokratischen Kalkulationen bot der dba-Mann die Stirn: Nein, die 8.25-Maschine der dba werde sicher nicht früher abgehen als die unsere. Und so blieb genug Zeit, sich mit der Event-Architektur des B-Terminals am Flughafen Düsseldorf auseinanderzusetzen. Welch großartige intellektuelle Herausforderung!

Zur ungefähren Einstiegszeit, also 7.50 Uhr, fanden sich die bereits Fortgebildeten wieder am Gate ein. Dieses war verwaist, was uns ein wenig Sorgen bereitet. Doch schon wenige Minuten später tauchte unser Instruktor wieder auf. Inzwischen sollten wir natürlich Selbstständigkeit gelernt haben, das machte er uns mit seinem Schweigen klar.

Denn uns erwartete ein schwerer Test: Würden wir das Scheuklappenhören abgestellt haben? Mist, wir sind teilweise gescheitert. Denn als wir eine Stimme hören, die vom Einsteigen eines dba-Flugs nach Berlin-Tegel kündet, fühlen sich viele von uns angesprochen und stellen sich am Gate auf. Ja, ja, immer gut zuhören – denn es handelte sich um den 8.25-Flug auf der anderen Seite des Gangs.

Einige der Passagiere wurden nun ein wenig ruppig, insistierten auf eine Abflugzeit. "Muss ich mal nachfragen", verdeutlichte unser neuer Freund von der dba, dass sein Unternehmen wert legt auf persönliche Gespräche. Er ergänzte: "Ich stehe auch schon zwei Stunden hier." Nun könnte man einwerfen, dass er dafür bezahlt wurde, während wir dafür zahlten. Sicher würde der eine oder andere Simpel sogar behaupten, wir würden ihn entlohnen, dafür, dass er da steht und nichts sagt. Es spricht für die dba, dass ihren Mitarbeitern solche Simplifizierungen unserer komplexen gesellschaftlichen Realität nicht in die Gehirnwindungen kommen.

Drei Anrufe später wusste der Mann in Apfelgrün mehr: "Die gehen gleichzeitig raus." Hier wartete die nächste Lehre über die Airline-Industrie: mit Logik hat sie wenig zu tun. Mit der versuchte es eine Dame: "Aber warum checken wir dann nicht ein?" Antwort: "Weil die andere Maschine am Finger steht, die hier auf dem Freifeld." Welch perfide Reaktion der Passagierin, zu behaupten, dann müsse man doch gerade mit dem Einsteigen beginnen, schließlich dauere eine Fahrt über das Flugfeld länger als der Weg durch Gangway.
Der junge dba’ler riss sich ob dieser Respektlosigkeit seine Identifikationskarte von der Jacke und schleuderte sie der Lernunwilligen entgegen: "Da!" Entgeistert fragte sie: "Was soll ich damit?" Antwort: "Damit sie sich beschweren können."

Wie schön: Der junge Herr ist auch im Beschwerdemanagement erfahren und hat offensichtlich den im entsprechenden Handbuch seines Arbeitgebers festgehaltenen Weg gewählt. Die Dame aber war wenig zugänglich, der Name sei handschriftlich und nicht zu lesen entgegnete sie, worauf sich ihr Gegenüber nochmals mündlich identifizierte. Sie steckte die ID-Karte in ihre Tasche. Er: "Was soll das?Das ist meine!" Sie: "Die haben sie mir gerade doch gegeben." Wo kommen wir da hin, wenn Passagiere dba-Mitarbeiter in einen Diebstahlsversuch locken?

Aber solch ein Lehrer muss ja auch ermuntern und so drängten die nicht begreifen wollenden Schüler ihren Meister doch zu einer Durchsage. Gut, vier Knöpfe musste er drücken, bis er sprechen konnte. Aber ist das nicht menschlich? Macht ihn das nicht sympathischer? Um 8.20 werde das Einsteigen beginnen verkündete er und erntete ein arrogantes: "Entschuldigung, das haben sie doch gerade frei erfunden, weil sie nichts wissen."

Ein paar Mal noch warf er dann ein, die Maschine werde gleichzeitig mit der um 8.25 starten. Die Dehnbarkeit und variable Interpretationsbreite des aeronautischen "gleichzeitig" erfuhren wir zehn Minuten später. Ein Bus demonstrierte uns nochmals die ganze Weite des Flughafens Düsseldorf, eindrucksvoll rollten wir an nicht enden wollenden Flugzeug-Reihen entlang. Parallel zur Startbahn fuhren wir, so dass wir genau beobachten konnten, wie der 8.25-Flug abhob. Welch Schauspiel!

Mit zwei Stunden Verspätung landeten wir schließlich in Berlin, doch es war jede Minute wert. dba übrigens will sich mit "Die Business Airline" übersetzt wissen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so um den Business-Standort Deutschland bestellt ist. Danke, dba.


Kommentare


Peter Fisch 7. April 2005 um 13:00

Oh je, mein Mitgefühl. Super Start in den Tag, vor allem so mitten in der Nacht.

Geht es dem Handelsblatt wirklich so schlecht, dass dba geflogen werden muß?

Eine andere Frage:
Welchen Vorteil gibt es, direkt vor Ort zu sein, statt alles im Internet oder auf Bloomberg/n-tv zu verfolgen. Große Überraschungen waren ja nicht zu erwarten.

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tknuewer 7. April 2005 um 13:13

Das vor Ort sein lohnt sich fast immer. Die HV ist ein gutes Beispiel. Viele haben munter kolportiert, es finde eine Abrechnung mit Schrempp statt. Nö, war aber nicht. Es war erstaunlich lau. Geht es um Stimmung, sollte man besser selbst vor Ort sein. Ich war außerdem da, um eine Reportage zu schreiben – das geht ohnehin nur mit persönlichen Eindrücken. Und schließlich gehts natürlich auch um die Kontaktpflege.

Und um dba zu fliegen muss es einem nicht schlecht gehen. 90 Prozent der Passagiere waren dem Augenschein nach Business-Passagiere – hat mich auch gewundert.

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marcc 7. April 2005 um 15:02

dba ist als doch die Abkürzung für Deutsche BAhn.

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ütztürk 7. April 2005 um 16:34

also DB steht für Deutsche Bahn und
DeuBa für die Deutsche Bank alles nicht zu verwechslen mit dba formally known as Deutsche Britisch Airways

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Dirk Schmalz 7. April 2005 um 16:48

Tja, Herr Redaktööör: Was hat der Flug denn gekostet? You get, what you pay for….

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tknuewer 7. April 2005 um 16:49

Eben – soooo billig war der Flug nicht. dba ist zwar günstig, aber kein Easyjet. Wobei meine Erfahrungen mit Easyjet hervorragend sind, besonders in Sachen Freundlichkeit.

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marcc 7. April 2005 um 17:26

Hab‘ ich da den 😉 vergessen?

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MCR 15. April 2005 um 16:44

Nun ja, Hr. Redakteur sicherlich passiert soetwas auch mal.

Aber: mit ca. 60 Flügen in 2 Monaten innerdeutsch Fazit: Lufthansa 100% verspätet, DBA ca. 10 % verspätet

Dazu kommt bei der DBA deutlich bessere Preise, Bordservice und höhere Flexibilität beim Gepäck.

Dass sich einzelne MA der dba von Redakteuren, die sich bemüssigt fühlen, Einzelerlebnisse als Qualitätsproblem einer ganzen Airline darzustellen genervt fühlen, kann ich auch irgendwie nachvollziehen.

Mein persönliches Fazit für die DBA lautet: Gute Preise, hohe Pünktlichkeit, exzellenter Service und Freundlichkeit

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Thomas Knüwer 17. April 2005 um 16:57

Sicher, so was passiert mal. In der Woche zuvor fiel bei der Lufthansa ein Flug aus München komplett aus, ich wurde nach Köln transportiert, dann per Bus nach D-dorf. Das kann passieren. Was ich aber noch nicht erlebt habe, ist so unverschämt behandelt zu werden.

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