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Vielleicht war der gestrige Tage ein historischer in der Geschichte des Technologiestandortes Deutschland – dank Barrack Obama. Denn die Möglichkeit, dass seine Regierung die Bundeskanzlerin überwacht hat, könnte der dringend nötige Weckruf für eine Regierung sein, deren Arbeit sich bislang konsequent gegen die Interessen der digitalen Wirtschaft gerichtet hat.

Das digitale Deutschland ist ein einem desaströsen Zustand – gemessen am eigenen Anspruch, eine der führende Wirtschaftsnationen der Welt sein zu wollen. „Mittelmaß“ in Sachen Zugänge sei das Land, konstatierte jüngst die Internationale Fermeldeunion in ihrem Jahresbericht. In der Netz-Nutzung durch die Bevölkerung reicht es auf EU-Ebene ebenfalls nur zur dürftigen Mitte. In der Eiffel sind die Bürger ob ihrer dürften Anbindung so verzweifelt, dass sie zur Selbsthilfe greifen müssen.

Gleichzeitig trifft die Politik wahlweise aberwitzige Entscheidungen – oder mag sich gar nicht kümmern. Das Leistungsschutzrecht, durchgedrückt von Verlagslobbyisten, ist ein Hemmschuh und großer, rechtlicher Unsicherheitsfaktor für Internet-Gründer. Die Störerhaftung sorgt dafür, dass öffentliche Wlan-Netze weiter ein nicht zu tragendes Risiko darstellen. Der Versuch, Massenabmahnungen im Zusammenhang mit Filesharing zu verhindern entpuppt sich als Luftnummer. Über die Fondsregulierung AIF hätte die Bundesregierung beinahe die deutsche Venture Capital-Szene massakriert – nur durch viel Lobbyarbeit konnte das Schlimmste verhindert werden. Und während andere Länder die Netzneutralität gesetzlich verankern, mag sich im Reiche Merkel niemand für diese Idee erwärmen.

Es fehlt ein generelles Interesse an technischen, vor allem digitalen Themen. Wenn die ehemalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) auf den Medientagen München jügst behauptet „Blogbeiträge sind Ausdruck der Meinungsvielfalt, aber selten Journalismus“, zeugt das nur von der generellen Ignoranz der aktuellen Politikergeneration. Wolfgang Schäuble behauptete zwar in der „Bild am Sonntag“, das Internet habe Deutschland mehr verändert als der Fall der Mauer – doch auf die Agenda der Regierung hat solch eine erhellende Erkenntnis keine Auswirkungen. Vor drei Jahren schon warnte die damalige Forschungsministerin Annette Schavan in einem Interview mit dem „Focus“, die grassierende Technikfeindlichkeit in Deutschlang gefährde den Wohlstand – ob sie dies ihrer guten Freundin Angela Merkel auch gesagt hat?

Folge: Immer, wenn es um Technik geht, blamiert sich Deutschland. Flughafen Berlin-Brandenburg, digitaler Polizeifunk, Stuttgart21, Elbphilharmonie, LKW-Maut-Messung… Und immer ist digitale Technik ein Teil dieser Pannen, sei es bei der Koordination der Projekte auf Coworking-Plattformen, der Funkwellensteuerung oder eben der Messung von Maut-Marken.

Und nun ist das angeblich abhörsichere Handy von Angela Merkel abgehört worden. Die Handlungen der Kanzlerin in den vergangenen Jahren lassen Hoffnung aufkommen, dass dies tatsächlich etwas ändert. Merkel reagiert nur, wenn etwas sie persönlich betrifft, wenn ihre Machtposition ins Wanken gerät. Ähnlich wie das Atomunglück von Fukushima die Energiewende wendete, so könnte die Abhöraffäre – bei Twitter mit dem hübschen Hashtag #merkelhorch etikettiert – endlich mehr Interesse für digitale Technologie in der Bundesregierung hervorbringen. Vielleicht gar, angesichts der noch offenen Frage, wie die künftige Regierung genau aussieht, durch die Einführung des Internet-Ministers.


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