Der heutige Tag ist ein besonderer in der aktuellen politischen Geschichte. Die EU hat das angebliche Freihandelsabkommen Acta gestoppt. Endlich.
Dies ist der Sieg einer Generation, die unpolitisch erschien. Die viele verloren glaubten für altmodische Dinge wie Wahlen, Parteien oder überhaupt Interesse an Politik. Was war es nicht ein Klagen und Lamentieren über die jungen Leute von heute.
Und dann – waren sie mit einem Mal auf der Straße und das quer durch Europa. Ich erinnere mich noch an die überraschten Tweets einer ganzen Reihe von Menschen mit Digitalkompetenz an jenem ersten deutschen Demo-Samstag: Wo kamen all die jungen Leute her? Brutal gesprochen: von Youtube. Einige der wichtigsten deutschen Youtuber hatten in einer konzertierten Aktion und jeder auf seine Weise ihre Fans aktiviert. Sie schafften, was kaum noch möglich schien, eine unpolitische Teenager-Generation politisierte sich.
Erst durch diese Demonstrationen berichteten mit einem Mal auch die klassischen Medien über jenes Abkommen. Zuvor war es eher eine Randnotiz im Nachrichtenstrom. Mehr noch: Erst mit den Märschen begannen die meisten Journalisten, sich ein Bild zu machen. Waren die ersten Berichte eher Pro-Acta, so drehte sich die Berichterstattung Stück für Stück.
Dass tatsächlich Menschen glaubten, die jungen Leute hätten das Interesse an gesellschaftlichen Zusammenhängen verloren, ist ein Zeichen von höchster Arroganz. Einen Hinweis, wo das Problem lag, lieferte ja zum Beispiel eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem vergangenen Jahr. Diese bescheinigte 16- bis 19-Jährigen durchaus die Bereitschaft, sich zu engagieren. Nur sei der Einstieg in die Politik zu schwer und die Sprache der Volksvertreter unverständlich.
In solch einer Situation braucht es einerseits anerkannte Personen, die in der Lage sind, den richtigen Ton zu treffen – und andererseits ein Thema, dass besonders ans Herz geht. Den richtigen Ton trafen Blogger und Youtuber. Und das Thema, das trifft die aktuelle Teenagergeneration voll ins Herz. War für ihre Eltern noch das Auto das wichtigste Statussymbol, so ist es nun die freie Kommunikation. Das zeigten sowohl eine deutsche Studie des Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (leider online nicht zu finden) als auch eine Untersuchung von Bain & Company für Großbritannien und ein Bericht der BBC über die USA.
Neu ist diese Art der politischen Aktivierung Jugendlicher nicht. In meiner Jugend gab es auch so ein Thema, das viele meiner Generation auf die Straße brachte: Atomkraft. Und auch hier gab es jene, die erklärten worum es ging: Sie hießen Wolf Maahn und Heinz-Rudolf Kunze und Wolfgang Niedecken. Und wäre das Herumreisen auch für Teenager so normal gewesen wie heute, wir alle wären nach Wackersdorf gefahren, zum Anti-WAAhnsinns-Konzert.
Und wird diese Generation nun den Marsch durch die Instanzen machen? Abwarten. Sicher aber ist: Jeder Versuch, die freie Kommunikation im Internet zu beschneiden oder zu kontrollieren hat künftig das Potenzial, junge Menschen zu aktivieren. Und diese werden dann ihre Eltern in das Thema mitnehmen, so wie es die Tochter einer Bekannten im Fall von Acta getan hat. Politiker und Parteien, die es sich in diesem Feld mit den Jungen verderben drohen die Eltern als Wähler zu verlieren.
Dass ist kein „Government by Shitstorm“, wie es „FAZ“-Autorin Melanie Amman in einer an Marie Antoinette gemahnenden Haltung bezeichnet hat und auch kein Kampf der Irren, wie es der Korschenbroicher CDU-Hinterbänkler und Musikindustrie-Freund Ansgar Heveling beschrieb – es ist gelebte Demokratie.
Nachtrag: Anscheinend gibt es in der Redaktion der „Frankfurter Allgemeinen“ eine generell demokratiefeindliche Haltung. Jasper von Altenbockum hält gibt den Ludwig XVI. zu Melanie „Marie Antoinette“ Amman. Er bezeichnet Demonstrationen als „totalitäre Züge dieses digitalen Mobs“. Man darf fragen, ob von Altenbockum sich gedanklich noch auf dem Bodes des Grundgesetzes bewegt.
Kommentare
ACTA gescheitert — CARTA 4. Juli 2012 um 17:26
[…] Knüwer auf indiskretionehrensache.de: „Dies ist der Sieg einer Generation, die unpolitisch erschien. Die viele verloren glaubten […]
Scribito » Post Topic » Generation Internet und Demokratie: Mehr als Doodle … 4. Juli 2012 um 19:06
[…] Thomas Knüwer: Die junge Generation ist politisch Patrick Beuth [ZEIT Online]: Das Aus für Acta ist ein Sieg der Demokratie Be the first to […]
Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 5. Juli 2012 um 5:57
[…] ACTA II: Die junge Generation ist politisch…Indiskretion Ehrensache […]
Die junge Generation ist politisch 5. Juli 2012 um 9:06
[…] indiskretionehrensache.de: “Der heutige Tag ist ein besonderer in der aktuellen politischen Geschichte. Die EU hat das an… […]
Die radikale Minderheit namens 5. Juli 2012 um 10:32
[…] Äußerungen über das Internet” immer noch schlimmer, als man glaubt. Gestern schrieb ich über das Aus für das Überwachungsabkommen Acta und den demokratisch errungenen Sieg einer jungen …. Und darüber, dass die Haltung mancher Kommentatoren, wie bei der “FAZ” oder innerhalb […]
Lesetipps für den 5. Juli | Netzpiloten.de – das Beste aus Blogs, Videos, Musik und Web 2.0 5. Juli 2012 um 11:25
[…] Die junge Generation ist politisch: Der heutige Tag ist ein besonderer in der aktuellen politischen Geschichte. Die EU hat das […]
un-politisch 5. Juli 2012 um 14:45
Nenn eine Revolution oder Regierungswechsel die funktioniert haben.
Timoschenko ? DDR-Mauerfall ? rot-grün ? Magath bei Schalke ?
Auch wollen die nur regieren statt Politikern direkt anzusagen das sie z.b. LTE-Verträge maximal 3 Monate Laufzeit haben dürfen. oder das wir netflix-UK für 7 (?) Pfund/Monat auch hier im EU-Binnenmarkt abonnieren dürfen.
Der Fehler ist immer, das man nur Leuten hilft, weiter auf meine Kosten Schulden zu machen.
Wie viele Tage früher oder später müssen wir dank rot-grün in Rente gehen ? Warum sollte Orange besser sein.
Die wollen 3 Euro pro Schüler während ich dasselbe kostenlos organisieren würde wenn man nicht für alle Webseiten tausendseitige Verordnungen, Abmahnungen, Rechtsklagen bis zum Verfassungsgericht usw. einplanen müsste.
Die konsumieren auch „nur“ und sind wenig innovativ darin, die Probleme zu erkennen und zu benennen und zu lösen.
– Alternative funktionierende! Vermarktungen für Autoren, wahre Urheber usw.
– Ausrechnen der Stromverbraucher im Haushalt und das durch Videobrillen und Aussterben der Glühlampen sicher keine neuen Strom-Leitungen gebraucht werden. Politik ist sehr schlau darin, systematisch auf tote Techniken zu setzen und meine Steuergelder in Subventionen (neue Stromtrassen, Solar-Subventionen,…) zu stecken.
– Das neue Liquid kenne ich nicht. Aber das alte erinnerte eher daran wenn Lehrer Software designen würden und war unnötig kompliziert.
– Keiner setzt eine News-Site auf und sammelt dort beispielsweise Zusatzinformationen und Quellen. Ich würde es ja machen aber in welchem Land geht das streßfrei ?
– Keiner verpasst dem Gegner, Fußballverein oder Aktienfirma mit Liquid o.ä. die Demokratie per App. Dann können die Delegierten und Mitglieder und Kleinaktionäre klaren Ansagen per Laptop, Pad und Iphone machen. ich würde es ja machen aber wenn ich beim Hosting tausendseitige Cookie-Verordnungen einhalten muss während das Meldeamt Daten weitergeben kann, spare ich mir das.
Die 20 jährigen erliegen einem falschen Glauben das neue Politiker mehr Leistung bringen als die alten. Merkel hat doch die Kernkraftwerke beendet. Merkel hat Gauck gewählt. Das muss man halt schneller hinbekommen. Merkel arbeitet für die Bürger. Wenn diese sich wirksamer organisieren als die Lobbyisten. Dazu fehlen leider die technischen Plattformen welche heutzutage dank passender Clouds und Programmiersprachen und Infrastrukturen trivial skalieren. Abmahnungen, Trivialpatente und Verklagungen halten die Evolution demokratischer Software zurück. Das alles hätte es 1999 unter rot-grün und AOL schon geben müssen. Wieso verpasst keiner den Grünen ein Ultra-Liquid3.0 wo die Basis sich organisieren kann ?
Und nach ACTA ist vor IPRED2. Probleme löst man an der Ursache. creative commons neoNews-Portale würden die Hausfrau und Rentner Auf sich ziehen und andere News würden eher wenig konsumiert was denen das Geld abgraben würde. Legal. Demokratisch. Kapitalistisch. Ohne Steuergelder. Ohne Politiker. Das ist schnell programmiert. Und in Diktaturen noch schneller verboten.
Gemafreie Konzerte und Clubs auf der anderen Seite der Grenze sind schnell organisiert.
Autoren muss man beibringen das ISBN nichts kosten und wie sie ihre Texte selber vermarkten können.
Stattdessen jedoch sehe ich nicht, das die Großverlage in der nächsten Rezession kleiner werden. Sondern immer nur dieselben Mechanismen sie schon seit dem Kaiser von China, Timoschenko und Karsai nicht wirken.
Und Neo-Politiker die nur die neuen Grünen sind und uns dann Pensionen kosten.
Wenn die Presse ihre Kontrollfunktion erfüllen würde, würde es uns auch besser gehen. Ohne Kontrolle gibts nur Chaos, Anarchie und Willkür-Herrschaft.
Und wie es bei den Piraten aussieht weiss man ja dankenswerterweise.
Gab es Hooligans bei der Fußball-WM in Südafrika oder immer nur in Europa ?
Wieso waren AntiACTA-Proteste friedlich und ATTAC-Proteste nicht ? Heute kann man realtime jeden Übergriff bei Youtube hochladen.
Nicht die Grünen haben die AKWs vernichtet sondern 12/5Volt Infrastrukturen im Haus womit man sich selbst versorgen kann und nur noch kleine Strom-Mengen einkaufen muss.
Letztes Jahr haben die E-Bikes „überhand“ genommen. Ohne auch nur einen grünen Subventions-Euro.
Oder Host-Computer – Mini-PCs – Desktop-PCs – Laptops – Netbooks – Pads – Videobrillen-Computer.
Wenn die Akkus besser werden, sind Benzin-Autos Geschichte so wie damals die Schallplatten oder VHS. Auch dafür braucht man keine Subventionen.
Es ist bedauerlich, das digiges an den falschen Türen klopft anstatt auch technologisch wirksam zu sein. Wieso fragt man nicht so lange bei Mobilfunk-Anbietern bis man dort an deren tausenden Handyshops in jedem Dorf als User WiFi machen kann und für den Traffic 20-30 Cent pro Gigabyte bezahlt statt 500 Mbyte für 5 Euro (=10 Euro pro Gigabyte also das 50fache! des WiFi-Einkaufs-Preises) per UMTS wie aktuell ? Stattdessen wird nur die WiFi-Abmahnung bei der Politik beantragt. Das kann man zwar auch machen, aber man kann und sollte wirksam ohne Subventionen jetzt schon auch woanders wirken. Stattdessen werden wir weiter mit teuren UMTS-Tape-Flats abgespeist, obwohl jeder Handyshop einen Router an der Wand hängen hat und Fritzbox und Netgear und Linksys problemlos Firmwares für (!identifizierten) Zugang stellen könnten.
Das alle per HTML5-App realtime bei Talkshows mitdiskutieren (mit oder ohne Lizenz des TV-Senders) sollte auch klar sein bis den Politikern nichts übrig bleibt, als am Ipad vor sich auf dem Tisch realtime zu sehen was abgeht so wie die Balkendiagrammen in den Wahl-Nachbericht-Erstattungs-Talkshows. Wenn man für die Sendezeiten möglicherweise schon eine notarielle EPG-Lizenz braucht, lasse ich das aber lieber.
Mach eine Liste der Erfolge von rot-grün:
– Neuer Markt
– Immobilienblase nicht verhindert
– Euro-Krise nicht verhindert
– Ebook-Preisbindung verhindern 10-Cent-Tageszeitungen auf dem iPad und günstige Schulbücher.
– 4 UMTS-Netze
– DSL-Ausbau
– Solar-Subventionen
Konstruktive wirtschaftliche Politik sieht anders aus und braucht keine Subventionen sondern verächtet sie.
So lange es den Akteuren nur um Pöstchen und Subventionen geht so wie den neue-Markt-Mismanagern und Bankern um Boni, ist Politik relativ egal.
Begriffe wie Demokratie sind unklar. Sinn und Zweck von GEZ-Sendern nicht bekannt und auch nirgendwo diskutiert. Und das Meinungsfreiheit kein Recht auf Lügen ist, scheint auch wenig verbreitet zu sein.
Hat mal jemand eine real existierende sozialistische Zeitung mit einer aktuellen Tageszeitung wahrheitsgehaltsmäßig statisch verglichen ?
Wer nicht kontrolliert verliert. Performance. Weil die anderen das auch nicht machen, läuft das Schiff relativ gesehen auch nicht schneller auf Grund wie die anderen (Griechenland, Spanien,…) was jeder Redakteur hätte erkennen müssen.
Jupp 6. Juli 2012 um 10:57
Schon interessant, wie die FAZ dieser Tage bei allen möglichen Gelegenheiten, bei denen sie die „Grundlagen der Wirtschaft und Gesellschaft“ – wie sie sie für richtig hält -, als bedroht erachtet, eine wahrhaft antidemokratische Propaganda betreibt. Einfach übel.
Warum die Wirtschaft sich über Prism empören muss 10. Juli 2013 um 14:27
[…] das Narrativ, die leicht zu merkende Erzähllinie, die Menschen auf ihre Seite zieht wie damals Jugendliche im Fall von Acta, als sich die Youtuber-Szene einschaltete. Und mit Grundsatzfragen waren noch nie Massen zu bewegen. Selbst die Überwachung zu Zeiten der DDR […]