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Focus-Online-Chefredakteur Jochen Wegner hat es nonchalant getwittert, gestern um 15.02 Uhr: “ Es werde www.nachrichten.de„.

Das neue Nachrichtenportal, das in den Medien sicherlich bald mit dem Ordenstitel „Goolge-News-Killer“ versehen wird, ist ein wichtiges Projekt für den deutschen Online-Journalismus. Endlich – und damit viel, viel zu spät – versucht ein klassisches Medienhaus sich in der Nachrichtenaggregation.

Das Ergebnis ist bisher ordentlich – und wirft doch ein bezeichnendes Licht auf eines der großen Probleme der Nachrichten-Seiten. Noch läuft Nachrichten.de nicht rund. Vor allem bei den Bildern zu einzelnen Nachrichten gibt es hübsche Lacher. Oder böse, automatisch generierte Geschmacklosigkeiten. Zum Artikel: „“von Bingen“-Filmpremiere mit echten Nonnen“ gruppiert Nachrichten.de Fotos von Patrick Swayzee. Solche Haken finden sich en masse.

Nach einiger Beschäftigung würde ich sagen, man muss Nachrichten.de aus zwei Sichtweisen betrachten: der des Normalnutzers und der des Nachrichten-Junkies.

Der Normalnutzer findet im Grunde eine ähnliche Funktionalität wie bei Google News – mit dem gleichen Problem: Auch hier findet keine rechte Gewichtung der Quellen statt. Warum soll ich mir von Klamm.de über die Beschneidung von Banker-Boni berichten lassen? Warum vom „Albboten“ über Hertha BSC? Diese Quellen aber werden nach oben rangiert. Es wäre eine schlaue Idee, den Algorithmus so zu varrieren, dass bestimmte Quellen bei bestimmten Themen eine höhere Kompetenz zugesprochen wird. Dem „Albboten“ bei Nachrichten aus seiner Region, dem *räusper* „Handelsblatt“ bei Bank-Geschichten.

Und noch etwas ist wie bei Google News: Die ganze gleichförmige Eintönigkeit des deutschen Online-Journalismus wird einem hier vor die Augen gehauen. Die meisten Geschichten gleichen sich dank hohem Agenturanteil in einem Maße, dass es zum – mit Verlaub – kotzen ist.

Nachrichten.de versucht dabei anscheinend allen deutschen Verlegern gerecht zu werden. Weshalb die Zahl der Quellen unüberschaubar ist. Dies gepaart mit der Uniformität der Texte macht Nachrichten.de ohne eigenes Verschulden zu einer traurigen Sache für alle, die vermehrt Nachrichten konsumieren.

Beheben könnten dies Links. Würden die journalistischen Angebot endlich lernen, auf andere Seiten zu verlinken, wäre eine besser Gewichtung möglich. So wie bei Rivva.de, bei dem ich auch weiterhin nicht verstehe, warum sich die deutschen Verlage nicht um eine Übernahme prügeln. Ohne Verlinkung bleiben alle Texte gleich gewichtet, was die Seite merkwürdig macht. Zur Weltpolitik mag ich, bei allem Respekt für die dortige Redaktion, nicht den „Albboten“ lesen.

Nachrichtenjunkies können tiefer eintauchen. Es gibt Oberthemenordner mit Zeitverläufen, die anschaulich machen, wie oft Begriffe auftauchen und in welchen Zusammenhängen. Das kennen wir doch? Yep. Von Daylife, einer Beteiligung der „New York Times, die 2007 an den Start ging. Sogar die runden Bilder sind gleich. Die Technik jedoch nicht, wie Jochen Wegner mir gestern am Telefon sagte – die habe sein Haus entwickelt.

Nun gibt es ja noch eine Ankündigung. Nachrichten.de will die Produzenten der Inhalte, die es kurz anreißt beteiligen. Das klingt gut, ist im Detail aber nur ein Deckmäntelchen. 20 Prozent erhalten jene, deren Stücke angerissen werden. Diese 20 Prozent aber werden auf alle verteilt, die auf der Seite auftauchen.

Nehmen wir mal an, Nachrichten.de würde richtig groß. So wie Spiegel Online mit derzeit rund 500 Millionen Seitenabrufen im Monat. Nehmen wir weiter an, ein großes Banner mit einem Tausenderkontaktpreis in jubeligen Höhen von 40 Euro fände seinen Platz. Dann würden jeden Monat 4 Millionen Euro an den Schlagzeilenlieferanten gezahlt. Dann erhielte jeder von ihnen 8.300 Euro im Monat. Natürlich ließen sich auch zwei Anzeigen derart platzieren, vielleicht drei.

Das klingt nach viel, ist tatsächlich aber natürlich für einen Verlag ein höchst vernachlässigenswerter Betrag. Und den gibt es nur, wenn sich ein hoher TKP erreichen lässt und Nachrichten.de ein erstaunliche Größe erreicht. Der größte Gewinner des Spiels heißt in dem Fall Burda (was ja nicht unlogisch und in einer Marktwirtschaft nicht zu verurteilen ist).

So bleibt nach nicht mal 24 Stunden Nachrichten.de ein Kopfnick-Eindruck: Ja, das ist ganz ordentlich, das kann was werden – trotz des grauenhaft hässlichen Logos. Wünschenswert wäre eine stärkere Individualisierung: Warum sollten Nutzer, wenn sie sich doch ohnehin einloggen müssen, nicht spezielle Quelle in bestimmten Bereichen als bevorzugt angeben können?

Doch schon heute ist Nachrichte.de immerhin mal ein einigermaßen innovativer Ansatz aus einem deutschen Medienhaus.


Kommentare


lokalreporter 18. September 2009 um 12:13

find ich auch..

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M.i.M. 18. September 2009 um 12:23

Naja, wahrscheinlich hat mal wieder niemand die Zielgruppe befragt, was die eigentlich haben will.

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smatthes 18. September 2009 um 12:27

… wenn doch bloß das Layout nicht so schwach wäre. Vor sechs Jahren, da hätte das richtig schick ausgesehen…

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Wolfman 18. September 2009 um 12:42

\“Doch schon heute ist Nachrichten.de immerhin mal so was wie ein innovativer Ansatz aus einem deutschen Medienhaus …\“ und wohl doch eher der verzweifelte Versuch, sich als Verlagshaus Burda aus der Traffic-Umsatz-Abhängigkeit von Google zu lösen.

Keiner schaufelt mehr SEO-Traffic als focus.de. nachrichten.de ist eine sehr durchschaubare Veranstaltung (von wegen Beteiligung der Quellen, etc.)

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Berliner 18. September 2009 um 12:53

Wie der Umgang mit vielen gleichen oder ähnlichen Geschichten besser gelöst werden kann zeigt imho http://www.thoora.com/

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Björn 18. September 2009 um 13:00

Layout:
Kaum Strukturelemente um dem Auge zu helfen schnell zwischen den Suchergebnissen zu springen. Hervorhebung der Suchbegriffe in den Ergebnisse: Dunkelblau auf Hellblau. Geht\’s noch? Macht ihr eure Hervorhebungen in der Zeitung auch Dunkelgrau auf Hellgrau? Fettdruck anyone?

Navigation:
Selektionselemente am oberen Rand für Zeitraum, Sortierung etc. reagieren so langsam, dass ich dachte die wären kaputt. Navigationselemente am unteren Rand ersetzen nur den Seiteninhalt, ergo muss ich händisch wieder hochscrollen, und die Browsernavigation via Vor/Zurück (die ich quasi instinktiv und via Tastenkürzel benutze) ist unbrauchbar. Aber das beste: Das \“mehr\“ am Ende des jeweiligen Suchergebnisses ist kein Link.

Fazit:
Herzlichen Glückwunsch, die schlechtesten Elemente aus dem berühmt-berüchtigten \“Web 2.0\“ zusammengetragen, noch ein paar \“Bugs\“ dazugepackt und fertig ist der Google News Killer. Das ich nicht lache…

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GrooveX 18. September 2009 um 14:02

was ist da jetzt der renner gegenüber

http://www.dnnd.de/

außer dass dnnd als selbsterklärtes feierabendprojekt nicht zu den großen trögen gehört, an die man irgendwie ran muss? ich verstehe die aufregung nicht.

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Jürgen64 18. September 2009 um 14:09

Ich finde auch, lieber ein Start mit kleinen Fehlern als fehlerfrei nichts tun! Natürlich hat ein so neues Projekt seine Anfangsschwächen, natürlich wird der Eine als Nachteil oder Fehler empfinden, was der Andere als neueste Errungenschaft sieht – frei nach dem Motto \“It\’s not a bug, it\’s a feature!\“. Aber besser so als den Trend verschlafen!

Gruß
jürgen

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Ralph 18. September 2009 um 16:39

Ich bin kein Nachrichten-Junkie, und ich verstehe nicht, wozu ich einen Nachrichten-Aggregator überhaupt benötigen soll. Wenn ich einen Nachrichten-Überblick wünsche, gehe ich zur Online-Newsseite meines Vertrauens, je nach Stimmung mal zur Zeit oder mal zu SpOn oder Süddeutsche. Wirtschaftsnachrichten hole ich mir vom Handelsblatt (natürlich). Nur wenn ich nach einem bestimmten Thema suche, konsultierte bisher Googlenews. Entscheidend dabei ist, dass ich die verschiedenen Quellen identifizieren kann. Genau das ist aber bei nachrichten.de nicht möglich – nur bei der jeweiligen Hauptmeldung des Ressorts steht die Quellenangabe. Ich will doch aber keine Politik-Story von T-Online lesen!

Interessant wäre ein Aggregator, der die Nachrichten nach journalistischer und stilistischer Qualität auswählt. Dann könnte mich sogar eine Geschichte des Hanauer Anzeigers interessieren (hinter der sich jetzt aber nur eine dpa-Agenturmeldung verbirgt, siehe Rubrik \“Computer\“) auf nachrichten.de.

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robin 18. September 2009 um 16:41

Die grandiosen 4 Mio. darf man natürlich nicht einfach durch 500 teilen. Bei den Anteilen der Anbieter muss man natürlich von einer Pareto-/Long-tail-mässigen 80/20 Kurve ausgehen. Damit könnten Topnachrichtensites locker 50.000 oder 100.000 Euro bei Nachrichten.de einsammeln, wenn man denn diesen eTKPs glauben möchte.

Hat überhaupt schon jemand von den Großen in den Lizenzdeal eingewilligt? Insbesondere die 50 Prozent-Variante erscheint doch wenig attraktiv.

Insgesamt erscheint Nachrichten.de doch eher wie Nachrichtenaggregation 1.0. Man hätte den Google News-Schritt glatt überspringen sollten und gleich irgendwo zwischen Topix.com oder Rivva landen sollen.

Matthias Schwenk hat das auf Carta auch versucht ein wenig darzustellen.

gruss,

rml

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Dirk Landau 18. September 2009 um 23:32

sehr schön zusammengefasst. Danke!

Und was zu lachen gibts auch:
TKP 40 Euro – aber nur bei 3 Fantastillionen Visits…

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John Dean 19. September 2009 um 17:39

Ich sehe nicht, was mir Nachrichten.de bringt. Im Vergleich zu Google-News habe ich exakt NULL Dinge, wo dieses ach-so-innovative Portal mich weiter bringt.

Okay – es gibt dort immerhin ein paar Ansätze. Nur, dass die so ausfallen, dass sie mir nichts bringen.

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bernd 19. September 2009 um 18:30

Meiner Meinung nach ist das Ding tot, so tot, wie etwas nur sein kann und das,ohne dass ich mir die Seite je angesehen habe.
Als Normalnutzer des Webs, der aber extrem stark in seiner Community vernetzt ist, bekommt man Flops und Tops viel eher mit und man sitzt genau an der Stelle, die die Macher vieler Angebote leider nicht im Auge haben. Nämlich den normalen Nutzer. Der, der die PIs bringen soll. Und bisher redet im Long Tail keiner von nachrichten.de, der Zug für einen Newsaggregator ist schon lange abgefahren.
Und ich geben nachrichten.de kein halbes Jahr, dann wird sich am Konzept etwas ändern.

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@pressearbeit 20. September 2009 um 22:03

Man kann anhand der Differenzen zu Google News/Daylife/Topix exakt den Innovationsgrad beim Burda-Verlag ablesen.

Es ist eine herausragende Leistung, die ich den Beratern mit genau 6€ vergüten würde. Schön, dass die Softwarearchitekten so schöne Vorbilder hatten, da bestand ihre Aufgabe im Reverse Engineering.

Wenn die Entwicklung von nachrichten.de den Betrag von 12TE überschritten hat, können wir dem Burda Verlag einen Organisationsgrad einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bescheinigen. Ich finde es sehr gut, dass die großen Konzerne auf diesem Niveau entwickeln, das schafft Platz für kreative Köpfe. Revolution von oben ist nicht mehr zu erwarten.

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Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit 9. August 2010 um 17:29

[…] von Google andere Verlage nicht daran, selbst zu bestehlen. Burda, zum Beispiel. Einerseits baut Burda Google News in Form von Nachrichten.de nach – nur schlechter und mit dem wagen Versprechen, irgendwann irgendwas zu zahlen. Andererseits […]

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Die neuen Filter 14. Dezember 2011 um 19:25

[…] in diesen Bereich der Memetracker versuchten deutsche Verlage einzudringen – und scheiterten. Burda startete 2009 Nachrichten.de und einen deckungsgleichen Dienst mit Wirtschaftsnachrichten. Ein Misserfolg aus Gründen des […]

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