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Für gewöhnlich dreht sich die US-Tech-Blogger-Szene eher um Geschäftsmodelle, Produkte und die Gesundheit von Steve Jobs als um journalistische Themen. Heute ist das anders. Techcrunch-Chef Michael Arrington sorgt für einen gewaltigen Wirbel, weil er schreibt, was auch ich denke: Sperrfristen sind ein Dinosaurier-Modell – sie gehören abgeschafft.

(Ich gebe zu: Die Überschrift habe ich von Journalism.co.uk adaptiert.) Es gibt kaum ein Thema, mit dem man Berufskommunikatoren so erzürnen kann, wie mit dem Brechen einer Sperrfrist. Fast scheint es, das Schlagen von Mitbürgern sei eher akzeptabel, als das Ignorieren des Satzes, dass jene oder diese Information nicht vor der Frist, die ihr Absender gesetzt hat, veröffentlicht werden darf.

Nun gibt es Sperrfristen, die ich voll und ganz akzeptiere. Meist handelt es sich dabei um rechtlich sensible Themen. Eine Sperrfrist für das vorherige Versenden einer Information, die komplex ist^, und einige Zeit des Begreifens erfordert, gleichzeitig aber finanzmarktrelevant ist – da bin ich komplett einverstanden.

Nur: Solche finanzmarktrelevanten Informationen sind inzwischen wegen möglicher Schadenersatzklagen so brisant, dass sie eben gerade nicht vorab versendet werden.

Nehmen wir nur die TV-Sender. Sie zeichnen ihre Casting-Shows auf und versenden am Nachmittag bereits die Sieger, auf dass es noch schön in die Zeitung gelange. Wer diese Informationen vorab veröffentlicht, verdirbt den Zuschauern den Spaß – und Spielverderber sind halt nie sympathisch. Andererseits wählen die Sender aber nicht den Weg, den man für eigentlich brisante Informationen erwartet: Sie beschränken sich nicht auf einen definierten Verteiler, sondern blasen die Information über DPA hinaus – so dass sie teilweise in den automatisisierten Nachrichten-Feed von Internet-Auftritten gelangt.

Und dann gibt es die Firmen, die unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt über sich berichtet haben möchten. Zum Beispiel jene Internet-Plattform, die auf die Veröffentlichung ihres neuen Ablegers eine Sperrfrist setzte – weil der erst einen Tag nach einer Pressekonferenz online gehen konnte.

Inzwischen macht dies den Großteil der Sperrfristen in meinem Berichtsbereich aus: Ein Online-Angebot soll erst zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt werden.

Begründet wird dies oft damit, man wolle Zeitungen nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Doch warum zieht man Zeitungen dem Fernsehen, Radio oder Internet vor, die doch direkt berichten könnten? Und was ist mit Monatsmagazinen? Müsste man die nicht auch berücksichtigen?

Es ist eine archaische Vorgehensweise. Nachrichten funktionieren heute so nicht mehr. Wenn eine Nachricht auf dem Markt ist, dann muss sie raus. Und wer nicht schneller ist, der muss besser sein – das ist schon eine alte Reporterweisheit. Davon hat unser Beruf schon immer gelebt.

So sieht es auch Techcrunch-Gründer Michael Arrington. In bekannt bulliger Art verkündet er, sich künftig gar nicht mehr an Sperrfristen halten zu wollen:

„PR-firms are out of control. Today we are taking a radical step towards fighting the chaos. From this point on we will break every embargo we agree to.

Background:

Tech companies are desperate for press and hammering their PR firms for coverage on blogs and major media sites. That in turn means that PR firms hammer us to get us to write about their clients. Gone are the days of polite pitches and actual relationship building…“

Arrington allerdings führt weniger journalistische Gründe an, sondern Konkurrenzdruck. Die Vielzahl neuer Online-Seiten führe dazu, dass irgendwer definitiv die Sperrfrist breche.

Dies ist sicherlich nochmal ein besonders Problem, des Rattenrennens der Technik-Web-Seiten. Doch in der Aussage, dass die PR derzeit Amok läuft, in Sachen Restriktionen kann ich ihm nur beipflichten. Ich kann mich im ablaufenden Jahr an keine Sperrfrist erinnern, die einen anderen Zweck gehabt hätte, als den PR-Effekt für den Aussender zu vergrößern.

Hinzu kommt: Bekommt man eine Information exklusiv vorab mit Sperrfrist und reichert sie um eigene Recherche – gar um kritische Aspekte des Unternehmens an – melden sich sofort entsetzte PR-Leute, die mangelnde Dankbarkeit von Seiten des Journalisten ausmachen.

Ja, die PR dreht hohl. Und jeder Journalist, der sich an solche unsinnigen Sperrfristen hält, muss sich fragen, ob er nicht gerade instrumentalisiert wird. Und ob er das mit sich machen lässt. Ich, für meinen Teil, lasse mich ungern instrumentalisieren. Das heißt nicht, dass ich jede Sperrfrist missachte – aber dass ich jede sehr genau hinterfrage.


Kommentare


Berufskommunikator 18. Dezember 2008 um 16:41

Ich habe Ihren Artikel nicht komplett gelesen, aber ich gebe Ihnen völlig Recht: Es ist illusorisch, im Zeitalter mobiler Kommunikation, Twitter, Instant Messaging etc. auf Sperrfristen zu setzen. Wenn ich mit einer Information noch hinterm Berg halten möchte, geht sie eben noch nicht raus. Ist es notwendig, einen Journalisten vorab zu informieren, führe ich lieber ein persönliches Telefonat. Denn da weiß ich, wem ich vertrauen kann.

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XiongShui 18. Dezember 2008 um 18:37

Witzig, da nennt sich einer \“Berufskommunikator\“ der nicht bereit ist anderen zuzuhören, bzw. zu lesen, was sie schreiben…

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Berufskommunikator 19. Dezember 2008 um 9:40

Deshalb nenne ich mich ja auch nicht \“Berufsrezipient\“.

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DonDahlmann 19. Dezember 2008 um 10:36

Befremdlich sind die Sperrfristen an sich ja nicht. Das Fernsehen hat sich ja auch immer daran halten können, ebenso das Radio. Aber es würde vermutlich helfen, denn die TanjaAnjas die verdammten Meldungen aus Faulheit nicht auch noch übers Netz verteilen würde.

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mikel 19. Dezember 2008 um 22:12

Ob ihr alle Euch nicht total überschätzt? Nein?
Manchmal denke ich, dass mir die AnjaTanjas sympathischer sind..nur mal so daher geredet, dieses blöde Volk aber auch, deswegen man Sperrfristen überhaupt in die Welt setzen muss?

Faulheit? Von wem? Ach so, nur die weiblich/niederen Dienstleister, die Dummchen, die…

Gatekeeper, man fasst es nicht!

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