Innerhalb nur weniger Tage präsentierte die „FAZ“ sich in einer Form, die dafür sorgen sollte, ihr Tun zu überdenken. Das Folgende kann reiner Zufall sein. Es kann auch sein, dass ich mich in den Monaten zuvor nur wenig mit der Qualität der „Frankfurter Allgemeinen“ beschäftigt habe und nun einige Dinge so auffällig sind, dass sich irisbeschädigend ins Auge springen. Möglich ist aber auch, dass die „FAZ“ seit ihrem Relaunch auf einem steilen Weg nach unten ist aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann.
Alles begann mit jener Doppelseite über den „FAZ“-Herbstempfang in Berlin. Eine Seite füllten nur Fotos mit den ach so wichtigen Köpfen der Polit-Szene. Auf der anderen Seite erging sich der Autor in Gewäsch wie:
„Bei der Einladung dieser Zeitung am Montagabend im Hotel de Rome hat sich wieder einmal gezeigt: Wer denkt, bei einem Empfang darf man getrost eine Stunde nach dem offiziellen Anfang erscheinen, den bestraft das Gesellschaftsleben. Wer also erst gegen 20 Uhr eintrifft, verpasst nicht nur den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (sie kommt vom Stoiber-Abschied und wird anschließend Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft zu Gast haben), sondern auch die Reden der Gastgeber. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH begrüßt der Sprecher der Geschäftsführung, Tobias Trevisan, die knapp tausend Geladenen und sagt, mit der Wahl des neuen Berliner Luxushotels (im Vorjahr fand der Empfang in einem Zelt statt) weise die F.A.Z. darauf hin, dass die äußere Form an Bedeutung gewinne…
Auch Werner D’Inka, Vorsitzender der Herausgeberkonferenz, kommt an diesem Thema nicht vorbei: Das Bild, das sich ihm vom Rednerpult aus darbiete, eigne sich durchaus als Foto auf Seite eins der Zeitung, da es die wesentlichen Voraussetzungen dafür erfülle – Ästhetik, Exklusivität und Beweiskraft. Beweiskraft wofür? „Für vollkommene Anmut und Schönheit.“ Das hört man im Saal nicht ungern…
Die Kanzlerin plaudert derweil angeregt mit den F.A.Z.-Herausgebern Berthold Kohler (Politik), Frank Schirrmacher (Feuilleton), Holger Steltzner (Wirtschaft und Sport) und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Wolfgang Bernhardt. Herausgeber Günther Nonnenmacher (Politik) fehlt, eine Erkältung. Aber sonst ist die Zeitung durch Redakteure und Redakteurinnen aus Frankfurt und Berlin in einer Stärke vertreten, dass man sich beinahe Sorgen machen muss um das Erscheinen des Blattes am nächsten Tag…
So geht das weiter mit munteren Begegnungen, intensiven Diskursen oder kleinen Konversationen. Noch im Abschied verhallen die Kurzkommentare: „Schöner Abend“ – „wunderbar“. Es ist spät geworden. Doch morgen (heute) muss wieder eine Zeitung gemacht werden.“
Ich hoffe, die „FAZ“ wird mich ob dieser Zitate nicht verklagen. Das tut sie gerade mit den Perlentauchern, jenem Netz-Angebot, dass eine Presseschau der Feuilletons im Netz erstellt. Grund: Der Perlentaucher ziehe Gewinn aus dem Zitieren von „FAZ“-Texten.
Diese Argumentation ist insofern erstaunlich, als dass die „FAZ“ ja nichts anderes tut. Und damit meine ich nicht, dass sie in Theaterkritiken oder Buchrezensionen selbstverständlich Zitate benutzt. Nein, die Kollegen gehen noch weiter. Gestern, zum Beispiel, widmete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ gleich zwei Seiten (zugegebenermaßen weiträumig besetzt durch eine Anzeige) einem neuen Buch. Es heißt „Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts“ und ist eine Sammlung von Banker-Portraits.
Das Buch finde ich sehr gelungen, aber vielleicht bin ich da voreingenommen, denn ich habe einen Artikel über Iwan David Herstatt beigesteuert (und dafür ein branchenübliches Honorar erhalten). Ob die „FAZ“ das Buch für gut hält? Fraglich. Denn sie schrieb keine gewöhnliche Rezension – sondern pickte sich einige der Portraitierten heraus. Eine weitere Recherche hat, zumindest im Fall Herstatt, nicht stattgefunden. Der kleine Artikel über den Kölner Bankier ist eine platte Zusammenfassung – genau das also, was die „FAZ“ beim Perlentaucher bemängelt.
Und weil ich davon ausgehe, dass der Ausschnitt ohnehin auf meiner Recherche beruht, kopiere ich ihn hier mal Volltext rein:
„Der prominente Pleitier
Es hat etwas Tragisches. Iwan David Herstatt wurde 1913 in Köln als Spross einer bekannten Bankiersfamilie geboren, die allerdings ihr Bankhaus längst abgegeben hatte. Mit eiserner Disziplin („in 18 Jahren keinen Tag gefehlt“) und einem hervorragenden Kontaktnetz (Unterstützer waren etwa die Unternehmer Hans Gerling und Herbert Quandt) schaffte er es, wieder eine bedeutende Bank aufzubauen. Die Bilanzsumme stieg von fünf Millionen Mark 1955 auf 2,07 Milliarden im Jahre 1973. Der 1,96 Meter große Herstatt galt als wichtige Persönlichkeit des „Kölner Klüngels“; so soll er in 30 Karnevalsgesellschaften Ehrenratsherr gewesen sein.
Zu trauriger Berühmtheit aber gelangte Herstatt durch den plötzlichen Niedergang seiner Bank. Ende 1973 brach das Institut nach hohen Verlusten im Devisengeschäft zusammen und drohte weite Teile des Kreditwesens mitzureißen. Nur mit Mühe wurden schlimmste Folgen für die Volkswirtschaft verhindert. Herstatt wurde angeklagt und zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die gesamte deutsche Bankenaufsicht wurde daraufhin neu strukturiert – um Ähnliches zu verhindern.“
Damit nicht genug. Und ich meine nicht einmal, dass ein „FAZ“-Mit-Herausgeber einen führenden Scientologen für seinen „Mut“ auszeichnet. Nein, es gibt eine merkwürdige Parallelität, die durchaus zufällig sein kann.
Heute findet sich auf Seite 19 der „FAZ“ ein Interview mit Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner.
Auch dem Handelsblatt wurde an diesem Wochenende ein Interview mit Döpfner angeboten. Ein von Springer vorgefertigtes Interview. Dies haben wir abgelehnt. Unter dem „FAZ“-Interview steht: „Die Fragen stellte Michael Hanfeld.“ Der Kollege hat anscheinend mehr Macht als das Handelsblatt.
Übrigens: Sollten Sie Leser der „FAZ“ sein, schreiben Sie besser keine Leserbriefe. Denn Mit-Herausgeber Günther Nonnenmacher meint:
„Auf die Meinung von Leserbriefschreibern gebe ich nicht viel. Das sind alles Fundis.“
Kommentare
Lukas 3. Dezember 2007 um 12:56
Gibt es überhaupt noch eine Zeitung, die sich nicht ständig selbst (oder zumindest ihren Chefredakteur) feiert? Selbst bei der \“WAZ\“ ist diese peinliche Unsitte doch schon angekommen: da ist ungefähr jeden zweiten Tag Ulli Reitz auf dem Titelbild, wie er irgendwem die Hand schüttelt.
Jörg Friedrich 3. Dezember 2007 um 13:40
\“Auch dem Handelsblatt wurde an diesem Wochenende ein Interview mit Döpfner angeboten. Ein Von Springer vorgefertigtes Interview. Dies haben wir abgelehnt. Unter dem \“FAZ\“-Interview steht: \“Die Fragen stellte Michael Hanfeld.\“ Der Kollege hat anscheinend mehr Macht als das Handelsblatt. \“
Tut mir leid, diesen Abschnitt verstehe ich nicht. Hanfeld ist Redakteur bei der FAZ, wenn der ein Interview geführt hat, kann es kaum das von Springer vorgefertigte gewesen sein, oder?
ThomasE 3. Dezember 2007 um 14:10
@Jörg: Tja, ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
ou 3. Dezember 2007 um 16:03
@Jörg:
Natürlich ist es nicht das Vorgefertigte. Herr Knüwer zieht nur folgerichtig den Schluss, dass Herr Hanfeld so wichtig ist, dass Döpfner extra auf seine Fragen persönlich eingeht.
Arnulf 3. Dezember 2007 um 16:27
@ou: Oder Herr Knüwer ist neidisch, weil er nicht das Interview mit Döpfner bekommen hat. Und deshalb erweckt er durch seine Formulierung (und den Verzicht auf ein klares Wort) den Eindruck, dass die FAZ vielleicht doch vorgefertigte Interviews abdruckt.
martin 3. Dezember 2007 um 16:32
@ lukas
\“Gibt es überhaupt noch eine Zeitung, die sich nicht ständig selbst (oder zumindest ihren Chefredakteur) feiert? Selbst bei der \“WAZ\“ ist diese peinliche Unsitte doch schon angekommen: da ist ungefähr jeden zweiten Tag Ulli Reitz auf dem Titelbild, wie er irgendwem die Hand schüttelt.\“
ja, die süddeutsche zeitung.
Sascha Stoltenow 3. Dezember 2007 um 17:19
jetzt aber mal die vielzitierte Butte bei die Fische. Haben Sie ein Exemplar des vorgefertigten Interviews? Und lässt sich daran belegen, dass die FAZ zur Abspielstation der Springer-PR geworden ist? Das wäre doch mal interessant, oder?
Karl Heinz 4. Dezember 2007 um 0:21
Das Interview mit Doepfner ist peinlich – fuer Doepfner. Er spielt die beleidigte Leberwurst. Wie kann Angie es wagen, nicht auf ihn und die deutschen Verleger zu hoeren…Tsst.
Hanfeld stellt die richtigen Fragen, warum Doepfner eine halbe Milliarde fuer die Firma PIN ausgeben hat, die jetzt praktisch nichts mehr wert ist. Ob der Laden dichtgemacht wird und ob er persoenlich die Verantwortung uebernimmt.
PS: wieso fehlt hier der Hinweis, dass Holtzbrinck (=> Handelsblatt) ebenfalls an der PIN Group beteiligt ist?
PPS: das Interview ist online bei faz.net
Thomas Knüwer 4. Dezember 2007 um 9:11
Den Hinweis mit Holtzbrinck und Pin hätte ich gemacht, wenn es hier um inhaltliches aus dem Interview geht. Aber das war für mich nicht das Thema, sondern die Art der Textandienung.
Jörg Friedrich 4. Dezember 2007 um 12:01
Die FAZ wird immer merkwürdiger. Heute erklärt sie ihren Lesern, wie sie die Computer ihrer Kinder ausspionieren können. Manueller Trackback:
http://www.xn--jrg-friedrich-imb.de/2007/12/04/ist-es-zeit-fur-einen-faz-watchblog/