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Den Spruch kennen Sie ja. Den mit den größten Kritikern der Elche, die ja selbst welche und so weiter. Selten traf er so schon zu wie bei einem Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen“ über die Blogger-Konferenz Re-Publica. Wenn wir Journalisten unsere selbstreferentiellen Witze über andere Blätter machen, dann stellen wir die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ als das Blatt dar, das Meldungen mit einer Verzögerung von zwei bis drei Tagen veröffentlicht.

Solche Vorurteile sind natürlich überkommen. Sind sie aber nicht. Denn wie die Herren Niggemeier und Ix registriere ich heute mit großer Verwunderung, dass auch die „FAZ“ noch einmal ein Fazit der Re-Publica zieht. Die aber schloss nicht vor zwei oder drei Tagen – sondern vor fünf. Die „FAZ“ also konterkariert eine sich immer schneller drehende Gesellschaft mit einer erweiterten Verzögerung ihrer Berichterstattung. Hut ab!

Hut ab auch wenn es um den Inhalt geht. Sich darüber zu wundern, dass ein Kongress aus der Weblog-Szene sich mit Weblogs beschäftigt, das schafft nicht jeder. Ich würde mich freuen, wenn Autor Martin Schoeb einmal zu einem Kongress der Energie-Branche fährt und darüber tiradiert, dass es die ganze Zeit um Strom geht. Oder wie wäre es mit einem Besuch einer Automobilausstellung und einer Zeter-Attacke darüber, dass keine Barbie-Puppen zu sehen sind?

Besonders giftig wird Schoeb, geht es um oft gelesene Blogs:

„Neben der Menge weitgehend unbekannter, nicht selten lesenswerter Blogs gibt es eine zweistellige Zahl prominenter A-Blogs. Diese drehen sich derart raumgreifend um sich selbst, dass für die anderen kein Vorbeikommen ist.“

Nun gebe ich ihm in Sachen Selbstreferentialität ja teilweise Recht. Ein Beitrag von Johnny Haeusler in diesen Tagen hat mich einen Vorsatz für die kommenden Monate fassen lassen: Hier wird künftig mehr erklärt, wenn ich Geschichten aus Klein-Bloggersdorf aufgreife.

Doch was soll das mit dem „Vorbeikommen“? Soll es heißen, bisher unbekanntere Blogs werden von den Großen nicht aufgegriffen? Kann ich nicht nachvollziehen. Nehmen wir nur die jüngste „Waz“-Geschichte, die von den Medienpiraten ausging. Die zumindest mir vorher völlig unbekannt waren. Und: Gerade die Redaktionen klassischer Medien sind Groß im Kleine-Nicht-Vorbeikommen-Lassen. Die meisten Redakteure lesen nicht mehr die kleinen, aber oft gut informierten Fachblätter. Denn die sind oft teuer und bei den Kürzungsrunden belässt man sich lieber das „FAZ“-Abo als das des Branchemagazins für die Gas-Branche.

Als Beweis greift Schoeb dann auch noch kleine Insider-Scherze auf und beschreibt sie so, dass kein Leser der Print-Ausgabe sie versteht:

„Man sollte sich unterhalten fühlen, wenn ein bärtiger untersetzter Promi-Blogger auf einer Bloggerkonferenz einen großen schlanken Promi-Blogger mit zu kurzem Sakko filmt und dabei wiederum von einem Blogger gefilmt wird, der außerhalb der Szene genauso unbekannt ist wie seine beiden Filmpartner. Mit solch typischen Inhalten wird man nie eine größere Leserschaft von sich überzeugen können, so man das denn will.“

Tja, nun sind diese Inhalte nicht typisch. Sie sind kleine Insider-Gags, wie sie jede Industriebranche auch hat. Sie stammen aber argumentkonterkarierend von Bloggern, die bereits eine größere Leserschaft erreichen (Ganz nebenbei, lieber Modekenner, ein Sakko hat auf halber Hinternhöhe zu enden. Dies tut jenes erwähnte Sakko).

Vielleicht liegt jene Abgeneigtheit gegenüber manchen Bloggern ja an einem gewissen Neid. Denn auch Herr Schoeb bloggt. Er gehört selbst zu jenen „Kleinen“, von denen er glaubt, dass sie nicht „vorbeikommen“. Dabei müssten sie manchmal einfach nur vorbeikommen, zum kommentieren, zum Beispiel. Denn wer sein Blog ins Netz stellt und wartet, wird meist nicht gefunden. Dabei schreibt Schoeb oft ganz schön Internetselbstreferentielles. Manchmal stellt er auch Print-Artikel online, in denen er Blogger dann lobt. Insgesamt ist sein Blog auf den ersten Blick aber nicht übel (dieser Eintrag hier zum Beispiel) und das weiß er sicher auch und vielleicht macht es ihn wütend, dass niemand vorbeikommt und kommentiert.

Nun würde dieser Artikel hier enden, wenn Schoeb nicht noch zu korrigieren wäre. Oder ich mich vollständig missverständlich ausgedrückt habe, genauso wie die anderen, die am Freitag Morgen auf dem Re-Publica-Podium zum Thema Medien-(R)evolution saßen.

Denn im Gegensatz zu dem, was Schoeb behauptet, haben wir keineswegs behauptet:
„Die Zukunft alles Medialen ist online.“

Und wir haben das auch nicht einfach so gesagt:
„Das muss, wenn überhaupt, nur noch in Andeutungen begründet werden.“

Nein, die Argumentation ging deutlich tiefer. Was wir gesagt haben ist: Die Print-Medien müssen sich bewegen, wollen sie nicht aussterben. Sie werden nicht einfach so erhalten bleiben. Von meiner Seite aus habe ich für Investitionen plädiert, gerade in Zeitungen. Und die „FAZ“ ist ein leuchtendes Beispiel, wie nötig das ist. Mit diesem Layout wird sie die nächste Lesergeneration abstoßen, bei der „Süddeutschen“ ist das nicht anders. Und auch in die redaktionelle Qualität muss Geld gesteckt werden. Dann haben Zeitungen eine Zukunft – aber nur dann.

In meinem Bekanntenkreis gibt es viele, die keine Zeitungen mehr lesen. Und es sind gerade die, die angeblich immer Zeitungen lesen werden, weil Zeitungen ja das Medium der Elite werden wollen: Sie sind beruflich erfolgreich, hoch gebildet, gut verdienen.

Und noch etwas sollten Tageszeitungen vermeiden: Über Veranstaltungen berichten, die fünf Tage vorher zu Ende gegangen sind.


Kommentare


Jochen Hoff 18. April 2007 um 10:52

Grinz. Ich hab mir den MS 6950 auch mal angesehen und für mich als bedeutungslos nach /dev/null geschoben. Da war mir einfach zu wenig Web- und sonstiges Wissen in dem Vermischten.

Aber nun verstehe ich seine Wut. Bei der FAZ reicht es irgendwann mal irgendwas zu schreibseln um sein Brot zu verdienen und in so einem doofen Blog wird Qualität verlangt. Das ist echt gemein.

Aber ich kenne auch viele Büros in den die FAZ zwar gekaufterweise ausliegt, aber schon von ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf hinweist, das sie nie gelesen wurde, sondern wie die Topfblume einfach ein Requisit ist. Und im Theater sind Requisitenbücher ja auch immer verklebt. Da ist es egal was drin steht.

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rrho 18. April 2007 um 11:29

Ja, ja, ja, bis auf eins: Gerne darf und soll eine Tageszeitung auch einmal über eine Veranstaltung berichten, die schon ein bißchen her ist – schließlich muß man nicht alles der tagespolitischen Hatz unterwerfen, zumal wenn die Themen eben nicht gleich abgegessen und vergessen sein sollen und müssen. Und die re:publica war ja irgendwie auch für die Ewigkeit, nech?

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Peter Turi 18. April 2007 um 11:36

Schöner Artikel, Thomas! Ich kann fast alles unterschreiben – mit Sakkos kenn ich mich als Küchen- und Kellerblogger allerdings weniger aus.

Ich glaube allerdings kaum, dass der Autor für die späte Veröffentlichung seines Artikels verantwortlich zu machen ist.

Insgesamt spricht Schoeb wohl – vielleicht – eine tiefeWahrheit aus:

A-Blogger-sein ist schöner als C-Blogger sein.

Ärgerlich für C-Blogger, schön für A-Blogger.
Deshalb werden beide es niemals zugeben. Das ist genauso wie bei reichen/armen bzw. schönen/hässlichen Menschen: Es gibt Unterschiede, aber es ist unbarmherzig in Gegenwart der Benachteiligten darüber zu reden.

Ich tu\’s auch nur, weil Deinen Blog keine Benachteiligten lesen (außer vielleicht Herr Schoeb).

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hockeystick 18. April 2007 um 11:48

Herr Schoeb hat recht: Ein Sakko, das auf \“halber Hinternhöhe\“ endet, ist zu kurz.

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marcel weiss 18. April 2007 um 12:08

\“Sich darüber zu wundern, dass ein Kongress aus der Weblog-Szene sich mit Weblogs beschäftigt, das schafft nicht jeder.\“

Wurde in dem Artikel auch nicht bemängelt. Sondern eher, dass man sich auf eine kleine Gruppe von Blogs beschränkte. Inwiefern das stimmt kann ich nicht beurteilen, da ich nicht dort war und alles nur aus zweiter Hand gehört habe.
Erstaunlich finde ich, wie rabiat die Vorwürfe des FAZ-Atikels hier und auf spreeblick abgetan werden. Dabei befinden sich durchaus diskussionswürdige Punkte darin.

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winnie vaza 18. April 2007 um 14:08

Lese ich Schöbs Gedanken zu den Reaktionen auf seine re:publica-essenz werde ich den Endruck nicht los, dass es manche mit der Selbstreferentialität ein wenig übertreiben.

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Stefan Niggemeier 18. April 2007 um 14:42

das sind ja billige argumente hier. was hätte es geändert, wenn der faz-artikel schon vor 3 tagen erschienen wäre? kriegt der grottige wams-artikel ein paar bonuspunkte, weil er zwar scheiße war, aber wenigstens nicht spät? könnte man da nicht zwischen einer nachricht (möglichst schnell) und einer analyse (gerne ausgeruht) unterscheiden? ist das zuviel differenzierungsarbeit?

ich möchte mich ausdrücklich von der formulierung distanzieren, ich hätte \“mit größter verwunderung\“ registeriert, dass so ein später artikel erscheint. ich habe mit positiven gefühlen registriert, dass die faz einen artikel geschrieben hat, den ich für gut geschrieben, lesens- und bedenkenswert halte.

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BrainBomb 18. April 2007 um 14:45

Mal ehrlich Herr Knüwer. Nennen Sie das auf Spreeblick eine Diskussion? Wenn das eine Diskussion sein soll, dann kann ich dem FAZ-Artikel nur zustimmen, ohne auf der re:publica gewesen zu sein.

(PS: Meine Meinung? Ausbaufähig! re:publika natürlich!)

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Thomas Knüwer 18. April 2007 um 14:52

@Stefan: Sorry, dass das missverständlich ist. Ich wollte damit sagen, dass wir alle diesen Artikel gelesen haben, die Verwunderung war nur auf meiner Seite.

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Detlef Borchers 18. April 2007 um 15:51

Als ob das Handelsblatt immer zeitnah berichtet, ts,ts. Der Vorwurf mit der Verspätung bei der FAZ erinnert mich an den Vorwurf, dass bei uns (heise online) die Berichte von der re:publica nicht am selben Tag erschienen sind. –Detlef

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Alphager 18. April 2007 um 16:16

EIne Tageszeitung hat möglichst tagesaktuell zu berichten.
Eine ausgiebige Analyse darf sich durchaus Zeit lassen; dafür gibt es die Wochenzeitungen und Magazine.

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Jochen Reinecke 18. April 2007 um 16:20

Nun handelt es sich ja bei der re:publica nicht unbedingt um einen Unfall, ein Attentat oder eine sonstwie minutenaktuelle Angelegenheit. Und weil in den Blogs sowieso quasilive über die re:publica gebloggt wurde, finde ich die ausgeruhte Position, die da in dem Artikel eingenommen wurde, im Zweifelsfall wesentlich angenehmer. Aber ich bin ja auch erstens – wie Stefan N. – befangen, und zweitens schon fast 60 Jahre alt.

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weltenkreuzer 18. April 2007 um 18:45

Selbstreferenz ist ein heikles Thema und sicherlich im Bezug auf Blogs nicht so abwegig. Aber genauso relevant ist es für \“klassische\“ Medien, Wissenschaft, Wirtschaft und Freundschaften. Es gibt Ansätze, die in ihr sogar den Kernbestandteil allen sozialen Lebens sehen (siehe Niklas Luhmann).
Ich glaube, wenn ich die Zeit finde, gibt das demnächst nen längeren Artikel bei mir…

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Prospero 18. April 2007 um 23:16

Als jemand der nicht auf der re:publica war kann ich zur Konferenz nun nichts sagen. Allerdings ist ja nicht nur Herrn Schobers diese Selbstreferenzialität – schönes Wort – der sogenannten A-Blogger aufgefallen, die Diskussion über Katzencontent- und Strickblogger ist ja schon geführt worden. Der Don Alphonso hatte da was. Insofern sind die Dinge, die im FAZ-Artikel angesprochen werden schon welche, die man beleuchten müsste und ich verstehe auch nicht warum jetzt einerseits auf dieser Sache des \“Och, erscheint ja viel zu spät, bäh, mag ich nicht\“ eingedroschen wird – das liegt manchmal auch nicht am Journalisten selbst, wann ein Artikel erscheint oder nicht – andererseits die Kritik nicht als konstruktive wahrgenommen wird – ja, die Tagung war kurzfristig konzipiert, ja, deswegen vielleicht auch der große Anteil eines bestimten Kreises bei den Vorträgen aber das ist ja alles ausbaufähig und beim näcsten Mal kann man die angenommene Kritik ja positiv verwerten.
Bei all dem was man vielleicht kritisch anmerken könnte beim Artikel – mir fällt dazu nichts auf, der Mensch hat einfach eine schöne Sichtweise auf die Blogs – ich kann mir nicht erwehren zu denken, dass er gerade weil einige sogenannte A-Lister laut aufheulen durchaus einfach RECHT hat?
Na ja, ich als D-Blogger bin überhaupt nicht neidisch auf A-Blogger, warum auch, da muss man sich ja eventuell über Werbeanfragen ärgern ;-), aber war klar dass da jemand sowas dämliches schreiben musste…
Ad Astra

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Dr. Dean 22. April 2007 um 17:54

Ich finde auch, dass das Sakko etwas länger sein könnte.

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Re-publica bei FAS und SZ 18. April 2010 um 16:29

[…] das blendet die Berichterstattung scheuklappesk aus. Egal ob 2007, 2008 oder 2009 – immer brabbeln angebliche Qualitätshäuser von der angekündigten […]

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Blogger: Am Ende Verleger – oder Verleger am Ende? 19. Februar 2016 um 15:25

[…] schreiben – und dann von klassischen Medien verhöhnt werden. Erinnern wir uns doch daran, was die „FAZ“ 2007 über die Re-Publica schrieb: “Neben der Menge weitgehend unbekannter, nicht selten lesenswerter Blogs gibt es eine […]

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