?Herzlichen Glückwunsch, dass Sie das erste Jahr als Commissioner überlebt haben?, gratulierte gestern bei der Pressekonferenz ein Journalist dem NFL-Chef Roger Goodell. ?Noch nicht?, wehrte der lachend ab, denn es sind noch ein paar Monate, bis er zwölf Monate im Amt ist. Doch schwerer noch als das, was hinter ihm liegt, dürfte die nähere Zukunft sein.
Spricht man mit erfahrenen Kollegen, dann schwärmen die von vergangenen Super-Bowl-Jahren. Von Detroit 2006, zum Beispiel. Oder von Saint Louis. Oder San Diego. Hier in Miami lebt die Stadt nicht für den Bowl, sie feiert ohnehin, dafür braucht sie nicht die rund 140.000 Fans, die ohne Karte angereist sind. Und 140.000 ? das waren auch schon mal mehr.
?Wir müssen dafür sorgen, dass der Super Bowl für die Fans bezahlbar bleibt?, erkennt Goodell ein großes Problem. Das Spiel ist als Event derart überhöht, dass bisher den Fans kein Preis zu hoch schien, um dabei zu sein. Nur alle Jubeljahre erreicht ihr Team schließlich das Finale, die Ausgeglichenheit der NFL sorgt dafür, dass jeder mal so weit kommt.
Doch in diesem Jahr ist mit Indianapolis ein Team dabei, dessen Fans nicht aus einer zahlungskräftigen Gegend kommen. Und Chicago, klar ist eine Metropole, zieht seine Fanschar aber stark aus dem Arbeitermillieu. Neutrale Anhänger schließlich lassen sich nicht jeden Preis gefallen.
Seit Tagen berichten die lokalen Zeitungen deshalb über den einbrechenden Schwarzmarkt und fallende Last-Minute-Hotelpreise. Trotzdem wird Miami 400 Millionen Dollar dank des Super Bowl einnehmen. Allein die NFL macht mit Fan-Artikel geschätzte 120 Millionen Umsatz.
Wie lange die Liga noch eine Geldmaschine bleibt, liegt maßgeblich an Goodell. Er kämpft an vielen Fronten. So ist der zentrale Tarifvertrag, ja, so etwas gibt es im US-Sport, von Seiten der Gewerkschaft unter Beschuss. ?Wir werden Tariffrieden mindestens bis 2010 haben?, sagt dagegen der Commissioner.
Das Thema Doping ist nun auch im US-Sport angekommen. Die starken Männer mit dem Helm aber sollen ihre Muskeln durch ehrliches Training erworben haben. Ihr Verhalten abseits des Spielfeldes ist dagegen ein echtes Sorgenkind: ein Chicago Bear darf nur in Miami auflaufen, weil ein Richter es ihm erlaubt hat ? bei ihm wurde ein bemerkenswertes Waffenarsenal gefunden. Mehrmals waren Spieler in Schießereien verwickelt, allein 9 Mitglieder der Cincinatti Bengals landeten in den vergangen 13 Monaten im Knast. Goodell will sich nun mit Spielern treffen um ein System zu entwickeln, dass die guten Manieren schützt ? und die Gesetzestreue.
Ein heißes Eisen sind ebenfalls die schweren Verletzungen. Football ist kein Männerballett und festgehalten hat das schon Regisseur Oliver Stone in seinem sehenswerten Football-Film ?An jedem verdammten Sonntag?. Ted Johnson von den New England Patriots warf seinen Trainern gestern vor, ihn nach einer schweren Gehirnerschütterung zum Spielen gedrängt zu haben.
Die Spätfolgen bekommt die NFL schon jetzt zu spüren. Ex-Meistertrainer Mike Ditka, schon bei den Chicago Bears für sein Temperament gefürchtet, warf der Liga gestern vor, sich um die Gesundheitsversorgung von Ex-Spielern nicht zu kümmern, sondern Armeen von Anwälten loszuschicken, um möglichst wenig zahlen zu müssen. Goodell sieht das anders, 126 Millionen Dollar zahle die NFL an ihre Rentner im Jahr.
?Ich kann nicht sagen, ich hätte nicht gewusst, worauf ich mich einlasse?, sagte der Commissioner gestern. Schließlich arbeitet er schon seit über 20 Jahren für die Liga. In den nächsten zwölf Monaten muss er dringend beweisen, dass er seinen Job aber auch verdient hat.
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